Wirtschaft kritisiert Ganztag an Grundschulen

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BERLIN. „Großen Nachholbedarf“ offenbart nach Worten von Hans Heinrich Driftmann, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), eine aktuelle Untersuchung, in der der DIHK die Nachmittagsbetreuung deutscher Grundschulen analysiert hat. Fast 5.000 Schulen beteiligten sich im Frühjahr am DIHK-„Grundschulcheck 2011“.

Nur sechs Prozent der Grundschulen betreuen laut DIHK-Studie Schüler nach 17 Uhr. Foto. Metropolitan School / Wikimedia Commons (CC-BY-SA-3.0)
Nur sechs Prozent der Grundschulen betreuen laut DIHK-Studie Schüler nach 17 Uhr. Foto. Metropolitan School / Wikimedia Commons (CC-BY-SA-3.0)
Wichtige Ergebnisse der Studie sind:

  • Nur sechs Prozent der Grundschulen bieten auch eine Betreuung nach 17.00 Uhr an. Das stellte Eltern, die länger arbeiten, sowie ihre Arbeitgeber vor große Schwierigkeiten, kritisiert der DIHK-Präsident. So seien etwa Eltern, die im Handel arbeiteten, immer wieder gezwungen, ihre Arbeitszeit zu verringern. Driftmann: „Das bedeutet letztlich: Die Öffnungszeiten orientieren sich nicht an den Bedürfnissen der Familien. Eltern und Betriebe müssen die Folgen davon ausbaden. Das kann doch nicht sein.“
  • Der Ost-West-Unterschied bei der Nachmittagsbetreuung ist noch stark ausgeprägt. So bieten fast 100 Prozent der beteiligten ostdeutschen Schulen eine solche an, hingegen 15 Prozent der westdeutschen Schulen gar keine.
  • Das bestehende Betreuungsangebot deckt nicht den Bedarf ab, der vor Ort besteht. So registriert ein gutes Viertel der Grundschulen (26 Prozent) einen höheren Bedarf nach längeren Öffnungszeiten und sogar ein Drittel nach mehr Betreuungsplätzen. Dennoch plant fast die Hälfte dieser Grundschulen (48 Prozent) trotz vorhandener Nachfrage keinen Ausbau des Angebots – sicherlich häufig aufgrund fehlender Ressourcen.
  • Ferienbetreuung ist ein zentrales Problem, denn fast 80 Prozent der Schulen bieten nur zeitweise oder gar keine Betreuung in den Ferien an. Dies sei „ein Riesenproblem für berufstätige Eltern, die durchschnittlich nur sechs Wochen Urlaub haben“, so meint Driftmann.
  • Immerhin 54 Prozent der Grundschulen bieten den Eltern eine individuelle Auswahl und Abrechnung der Tage, an denen sie Nachmittagsbetreuung wünschen.
  • 75 Prozent der Grundschulen bieten im Rahmen der Nachmittagsbetreuung keine Sprachförderung an – weder in Eigenregie noch in Kooperation mit externen Anbietern.
  • In 74 Prozent der Fälle wird die Nachmittagsbetreuung durch qualifizierte Kräfte angeboten.
  • Außerdem geben 79 Prozent der Grundschulen an, regelmäßige Hausaufgabenbetreuung und 75 Prozent ein warmes Mittagessen anzubieten.
  • Nur vier Prozent der beteiligten Schulen hatten bisher schon Kontakt mit Unternehmen in Form von Kooperationen im Bereich Sponsoring. Weitere Kooperationsmöglichkeiten wie die Buchung von Belegplätzen oder die Organisation von Freizeit- und Bildungsangeboten sind noch seltener.

Driftmann: „Wer Familie und Beruf unter einen Hut bringen muss, für den ist die Kinderbetreuung das A und O – und zwar nicht nur bis zur Einschulung.“ Damit es nicht zu Brüchen im Erwerbsleben der Beschäftigten komme, müsse auch die Betreuung der Grundschulkinder verlässlich sein.

460.000 Mütter können nicht arbeiten

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Viele Frauen würden bei einem besseren Betreuungsangebot ihre Berufstätigkeit ausweiten, heißt es laut „Welt online“ in einer Studie, die das Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit gemeinsam mit der Hamburger Universität im Auftrag des Bundesfamilienministeriums verfasst hat. Nach den Berechnungen der Ökonomen würde der flächendeckende Ausbau der Ganztagsbetreuung bis zu 460.000 bislang nicht erwerbstätige Mütter von Schulkindern auf den deutschen Arbeitsmarkt bringen. Von den 3,1 Millionen Müttern mit Schulkindern, die bereits berufstätig sind, würde zudem jede dritte ihre Arbeitszeit gern ausdehnen.

Bayern: Streit um die Studie

In Bayern ist bereits ein Streit um die Studie ausgebrochen. Kultusminister Ludwig Spaenle freute sich in einer Pressemitteilung,  der DIHK habe „dem Freistaat Bayern bescheinigt, dass die Quote der Nachmittagsbetreuung an Grundschulen mit 92 Prozent aller Grundschulen deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt liegt“. Dass in der Studie allerdings noch Bedarf am Ausbau der Ferienbetreuung festgestellt wurde, nahm Spaenle zum Anlass, Gespräche darüber zwischen Sozial- und Kultusministerium sowie den kommunalen Spitzenverbänden anzukündigen. „Wenn wir notieren, dass es einen zusätzlichen Bedarf gerade in der Ferienbetreuung gibt, müssen wir darüber nachdenken, wie wir die Eltern in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gerade in den Ferien besser unterstützen können“, sagte der bayerische Kultusminister.

Der Bayerische Elternverband  (BEV) äußerte sich hingegen kritisch zu dem Befund,  dass 92 Prozent der bayerischen Grundschulen die Schulkinder nachmittags betreuen. „Diese Behauptung ist falsch, denn die Befragung war nicht repräsentativ. Wie die Autoren der Veröffentlichung ausdrücklich schreiben, haben fast nur die Engagierten geantwortet, also die Schulen, die bereits eine Nachmittagsbetreuung haben. Im März 2010 hatten erst 70 Prozent der bayerischen Grundschulen eine Mittagsbetreuung. Das geht aus einem Schreiben des Kultusministeriums hervor, das dem BEV vorliegt. Da Mittagsbetreuungen häufig nur bis 14 Uhr gehen und seit März 2010 nicht 500 neue Mittagsbetreuungen eingerichtet worden seien, kann von einer ausreichenden Betreuung an den Grundschulen nicht die Rede sein“, erklärt der BEV.

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DIHK-Präsident Driftmann mahnt Koalition zu "verantwortlichem Handeln"
12 Jahre zuvor

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