Ärzte schätzen: 500.000 Kinder in Deutschland hungern

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BERLIN. Nicht nur in Entwicklungsländern, sondern auch in Deutschland leiden viele Kinder und Jugendliche unter Mangelernährung und ihren Folgen. Darauf weist der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) anlässlich des Welternährungstages hin.

„Über zwei Millionen Kinder in Deutschland leben in Armut“, sagte BVKJ-Präsident Dr. Wolfram Hartmann. Er schätzt, dass etwa 500.000 Kinder in Deutschland regelmäßig nicht ausreichend ernährt werden und immer wieder Hunger leiden. Hartmann: „Das sehen wir täglich in unseren Praxen. Oft reicht das Geld in den Familien nur bis zum 20. des Monats und dann gibt es eben zehn Tage nur noch Nudeln ohne Soße, Fleisch und Gemüse. Die Folge davon ist Übergewicht. Wir haben also in Deutschland die paradoxe Situation, dass Hunger dick macht.“

Insbesondere Kinder von Alleinerziehenden sind von Armut betroffen. Foto: goldsardine / Flickr (CC BY-ND 2.0)
Insbesondere Kinder von Alleinerziehenden sind von Armut betroffen. Foto: goldsardine / Flickr (CC BY-ND 2.0)

Dem UNICEF-Bericht zur Lage der Kinder in Deutschland 2010 zufolge sind insbesondere Kinder, die bei Alleinerziehenden aufwachsen, überproportional von Armut betroffen. Von rund zwei Millionen Kindern und Jugendlichen, die mit nur einem Elternteil aufwachsen, müssen 34 Prozent oder fast 700.000 Kinder mit weniger als 60 Prozent des Äquivalenzeinkommens auskommen. Rund 350.000 verfügen sogar nur über weniger als 50 Prozent. Der Armutsdruck für Alleinerziehende ist seit zwölf Jahren unverändert hoch. Selbst wenn sie es schaffen, berufstätig zu sein, ist es ihnen kaum möglich, der Armut zu entkommen.

Die World Vision Kinderstudie von 2010 bestätigte diesen Befund. „Es ist erschreckend zu sehen, wie sich schon in Deutschland eine Vier-Fünftel-Kindergesellschaft herausbildet“, erklärte einer der Autoren der Studie, Prof. Klaus Hurrelmann. „Die Kinder aus dem benachteiligten unteren Fünftel sehen ihre Zukunft negativ und trauen sich keine erfolgreiche Schullaufbahn zu. Es fehlt ihnen an Rückhalt, an Anregungen und an gezielter Förderung. In der Konsequenz ist der Alltag dieser Kinder bei einem größeren Teil einseitig auf Fernsehen oder auf sonstigen Medienkonsum ausgerichtet. Jungen sind hierfür besonders anfällig.“

Kinderärzte fordern Gratis-Mittagessen

Der BVKJ fordert jetzt, dass ein gesundes Mittagessen in den Kitas und Schulen gratis ausgegeben wird. Hartmann: „Es ist ein Skandal, dass sich so viele Kinder und Jugendliche in der Ganztagsschule vom Mittagessen abmelden müssen, weil es zu teuer ist. Gesundes vollwertiges Essen darf kein Luxus sein.“ Der Staat müsse sich mehr darum kümmern, dass Kinder grundversorgt seien und die Familien wieder lernten, gesundes Essen selbst zuzubereiten.. „Wir können es uns nicht leisten, dass Kinder mangel- und fehlernährt werden und deshalb chronische Krankheiten wie Übergewicht und Stoffwechselstörungen entwickeln, deren spätere teure Folgen die Allgemeinheit belasten“, sagte der Verbandspräsident.  (red)

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