Mit EU-Geld geförderte Kafka-Ausgabe für Schüler strotzt vor Fehlern

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WIEN. Ein österreichischer Verlag verschickt zwei Millionen Exemplare von Franz Kafkas „Das Schloss“ an Schüler im deutschsprachigen Raum – gefördert mit 345.000 Euro von der EU. Doch das Werk strotzt vor Fehlern.

Würde sich laut "Kronenzeitung" im Grabe umdrehen: Franz Kafka, hier auf einem Foto von 1906.
Würde sich laut "Kronenzeitung" im Grabe umdrehen: Franz Kafka, hier auf einem Foto von 1906.

„‘Das Schloss‘“ wird an Schulen in Österreich, Deutschland und der Schweiz verteilt. Dies ist Teil eines europaweiten Projekts, Jugendliche im Alter zwischen 14 und 19 Jahren zum Lesen zu motivieren. Denn in diesem Alter haben sich bereits bestimmte Gewohnheiten eingschlichen, die eine starke Konkurrenz für das Lesen und die Aufmerksamkeit für Bücher darstellen: die Zeit für Computer und Videospiele wächst, die für Bücher und Lesen sinkt“, heißt es auf der Homepage des Verlages Gehlen und Schulz. Dass es heißt „eingschlichen“ statt „eingeschlichen“, ließe sich als liebenswerte österreichische Mundart durchgehen – wenn Rechtschreibfehler nicht offenbar so verbreitet wären im Schaffen des recht jungen Unternehmens, dass sich der Gedanke aufdrängt: Hier versucht jemand mit EU-Geldern einen schnellen Euro zu machen.

Denn Brüssel hat für „Das Schloss“ nach Angaben des Verlags stattliche 345.000 Euro lockergemacht. Die Schüler im deutschsprachigen Raum, die über die Schulen gratis mit dem Werk versorgt werden sollen, werden sicherlich ihre Freude an dem Geschenk haben. Allerdings wohl aus anderen Gründen als aus reiner Liebe zur Literatur. „Eine Aneinanderreihung absurder Rechtschreibfehler“, hat die Kronenzeitung in dem Buch entdeckt. „Da finden sich Gänsehaut- Wortschöpfungen wie ‚Niemant‘ oder gleich neue sprachliche Erfindungen wie ‚K., .er soU‘ oder ‚Gerstäkker‘“, heißt es in dem Bericht. Fast auf jeder Seite lasse sich ein Fehler finden, „der das Werk für Schüler so lesenswert macht wie das chinesische Telefonbuch“.  Das Blatt attestiert der Ausgabe ein „hohes Fremdschämpotenzial“. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) wurde schon auf der ersten Seite fündig: „Schne“, „vermiten“, „Wirtstube“, „kurze Zeit draauf“, „mit schauspielerhaftern Gesicht“, „haten“, „Mensh“, „Niemant“, „vorgezeit“. Viel Spaß für Schüler also.

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„Literatur ist ja auch kein Rechtschreib-Wettbewerb“

Der Verlag findet das aber augenscheinlich gar nicht so schlimm. „Uns haben Nachrichten erreicht, dass sich ein paar Rechtschreibfehler in die neue Ausgabe eingeschlichen haben. Stimmt, wir haben diese irgendwann einfach zugelassen. Aus ökonomischen Gründen einerseits, andererseits ist Literatur ja auch kein Rechtschreib-Wettbewerb“ – so heißt es laut „Kronenzeitung“ in einer Erklärung des Verlages. Und: „Schuld daran ist ein Softwarefehler.“ Die „FAZ“ hegt einen bösen Verdacht:  „Wurde etwa einfach die als Grundlage angeführte Max-Brod-Ausgabe von 1951 auf den Scanner gelegt und per Worterkennungsprogramm zunächst in Dokumente und dann unbesehen in Bücher überführt?“ Die Pressestelle der Europäischen Kommission hat der Zeitung zufolge eine zügige Stellungnahme zugesagt.

Gehlen und Schulz freut sich derweil auf die nächsten Überraschungen für Millionen von Schülern. Denn die Reihe werde fortgesetzt, heißt es. „Den nächsten Titel wollen wir noch nicht verraten, nur so viel vorab: Wer ein gutes Buch zu schätzen weiß, wird nicht enttäuscht sein!“ (red)

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