Warminski-Leitheußer liegt jetzt mit allen Verbänden im Clinch

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STUTTGART (Mit Kommentar). Selten hat eine Landesregierung es sich so schnell mit der Lehrerschaft verscherzt wie Grün-Rot in Baden-Württemberg. Sogar deren schulpolitische Reformen scheinen in Gefahr. 

Unter Druck: Baden-Württenbergs Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer. Foto: Staatsministerium Baden-Württemberg
Unter Druck: Baden-Württenbergs Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer. Foto: Staatsministerium Baden-Württemberg

„Kultusministerium ehrt Sportlerinnen und Sportler“, „Telefonkonferenz zum Auftakt für eine bessere Beteiligung von Schülerinnen und Schülern am politischen Leben“, „Programm ‚Singen-Bewegen-Sprechen‘ soll in Sprachförderung überführt werden“ – die Pressemitteilungen aus dem baden-württembergischen Kultusministerium drehten sich in den vergangenen Tagen und Wochen um eher leichtgewichtige Themen. Nun war es an der Zeit, sich auch öffentlich mit einem eskalierenden Konflikt zu beschäftigen: der Auseinandersetzung mit den Lehrerverbänden, die in bemerkenswerter Rasanz an Schärfe gewinnt. Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) kündigte an, die Lehrerverbände sowie Eltern- und Schülervertreter einzuladen, um ihnen die anstehenden Beschlüsse zum Haushalt vorzustellen. „Wir wollen die Verbände und Beiräte bei diesen wichtigen Entscheidungen einbeziehen“, erklärte die Ministerin und ergänzte etwas wolkig: Damit solle eine „Politik des Gehört-Werdens“ umgesetzt werden.

Das tut auch not. Seit Wochen kocht der Streit hoch. Zunächst war es die – der Landesregierung eigentlich nahestehende  – Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die angesichts eines angeblich geplanten Abbaus von 600 Stellen bemerkenswert undiplomatisch von einer „grün-roten Giftliste“ schrieb. Als Warminski-Leitheußer dann dem Unterrichtsausfall den Kampf ansagte, brüskierte die GEW die Ministerin postwendend: Der Unterrichtsausfall werde ab Januar drastisch ansteigen, sagte die Gewerkschaft voraus. Denn mehr als Dienst nach Vorschrift könne die Landesregierung derzeit von der Lehrerschaft nicht erwarten.

Die Landesregierung will bei den Beamten sparen

Anlass für die aktuelle Empörungswelle, die jetzt auch den Verband Bildung und Erziehung (VBE) sowie den – bislang auffällig zurückhaltenden – Philologenverband erfasst hat: Die Landesregierung hat laut „Südwest-Presse“ beschlossen, bei der Beamtenschaft 130 Millionen Euro einzusparen. 100 Millionen Euro sollen dem Bericht zufolge erzielt werden, indem Gehälter und Pensionen 2012 sozial gestaffelt mit Verzögerung angehoben werden; zudem sollen 30 Millionen Euro an Beihilfe gestrichen werden. Und das, obwohl angeblich durch die gute Wirtschaftslage der vergangenen Monate unerwartete Steuermehreinnahmen von zwei Milliarden Euro in den Landeshaushalt prasseln.

„Beamten bei sprudelnden Steuermehreinnahmen ein spürbares Sonderopfer abzuverlangen und sie gleichzeitig für den Bildungsaufbruch motivieren zu wollen, ist schizophren“, heißt es beim VBE.  Es sei perfide, ausgerechnet wieder die Landesbediensteten zur Kasse zu bitten, bloß weil die sich als loyale Beamte nicht richtig wehren dürften. Der VBE sieht die schulpolitischen Reformpläne der Landesregierung in Gefahr:  „Wenn zu der Mehrarbeit der Schulleiter und Lehrer jetzt auch noch finanzielle Sparmaßnahmen draufgesattelt werden, ist schnell ein Punkt erreicht, der die Reformfreude der Pädagogen erstarren oder gegen null herunterfahren lässt.“

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Auch der Philologenverband zeigt sich empört. „Diese Maßnahme ist ungerecht und unfair angesichts der vielen in den letzten Jahren von gymnasialen Lehrkräften erbrachten Zusatzleistungen“, sagt – vor allem die eigene Klientel im Blick – der Landevorsitzende Bernd Saur. Er verweist auf eine „inzwischen riesige Überstundenbugwelle“ an den Gymnasien des Landes und rechnet vor: „Etwa 30.000 Überstunden leisten gymnasiale Lehrkräfte in diesem Schuljahr Woche für Woche, um den Pflichtunterricht aufrechtzuerhalten. Obwohl für solche Überstunden die Rückgabe im Folgeschuljahr gesetzlich vorgeschrieben ist, hat die Landesregierung in Kauf genommen, dass die Überstundenbugwelle immer weiter angewachsen ist. Dieser Sparbeitrag der Gymnasiallehrer entlastet den Landesetat mit umgerechnet rund 60 Millionen Euro.“

Im Kultusministerium schrillen die Alarmglocken

Dass die Missstimmung unter den Lehrern tatsächlich die geplanten schulpolitischen Reformen von Grün-Rot gefährden kann, verdeutlicht die jüngste Pressemitteilung des baden-württenbergischen VBE. „Die Landesregierung protegiert die Gemeinschaftsschule ohne Beweis, dass dies die bessere Schulart ist“, heißt es darin. So eindeutig werde die neue Gemeinschaftsschule bei der Lehrerstundenzuweisung und dem Klassenteiler bevorzugt, dass dies die Arbeit der anderen Schulformen abwerte. „Der schulische Alltag sieht zurzeit völlig anders aus, als wie in die grün-roten Visionäre wahrhaben wollen“, ätzt VBE-Landeschef Gerhard Brand. Pikant: In Nordrhein-Westfalen hatte der dortige VBE-Landesverband die Einführung der Gemeinschaftsschule durch Rot-Grün begrüßt und beklatscht.

Im Stuttgarter Kultusministerium schrillen offenbar die Alarmglocken. Die Ministerin wartete nicht einmal mehr das Wochenende ab, um die Pressemitteilung zur Einladung an die Verbände veröffentlichen zu lassen. Ob das reicht, um deren Stimmung zu verbessern, darf bezweifelt werden. Eine Einladung, die über die Medien zugestellt wird, dürfte bei den Adressaten nicht allzu gut ankommen. Zumal Warminski-Leitheußer in dem Pressetext etwas zu selbstbewusst verkündet:  „Die Kritiker werden erkennen, dass die Landesregierung viele wichtige Impulse setzt, um das Bildungswesen im Land noch zukunftsfähiger zu machen.“ Wenn sie da mal „die Kritiker“ nicht unterschätzt. NINA BRAUN

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2 Kommentare
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pelayo
12 Jahre zuvor

Außer schönenredenden leeren Worthülsen bisher nichts Konkretes zur vielgepriesenen Gemeinschaftsschule.
Meine Befürchtung, dass hier nur Gleichmacherei auf niedrigem Niveau stattfinden wird, verdichtet sich iummer mehr.
Das Gutmenschentum als „Monstranz“ allein genügt eben nicht.
Die Lehrer, die ja bekanntermaßen überwiegend rot-grün wählen, haben es allerdings nicht besser verdient.

berteb
11 Jahre zuvor
Antwortet  pelayo

Volle Übereinstimmung mit Ihrem Beitrag. Allerdings stimmt im letzten Satz die Zeitform nicht: WÄHLTEN, nicht mehr WÄHLEN. Präteritum! Wie auch die Übergangsregierung Grün-Rot in 4 Jahren.