Bayern verhindert die Veröffentlichung von „Mein Kampf“

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MÜNCHEN (Mit Kommentar). Unterstützt vom Deutschen Geschichtslehrerverband, wollte der britische Verleger Peter McGee in Deutschland Auszüge aus Hitlers „Mein Kampf“ veröffentlichen – das bayerische Finanzministerium hat dies mit einer Klage vor dem Landgericht München I verhindert.

Vor der Machergreifung: Adolf Hitler 1932. Foto: Bundesarchiv
Vor der Machtergreifung: Adolf Hitler 1932. Foto: Bundesarchiv, Bild 102-12922 (CC-BY-SA), Wikimedia Commons

Das Ministerium hatte sich dabei auf das Urheberrecht berufen. Das Ministerium ist laut Berliner „Tagesspiegel“ Rechtsnachfolger des Eher-Verlags, in dem die Nazi-Zeitschriften „Völkische Beobachter“ und „Der Angriff“ erschienen sind; an „Mein Kampf“ hält es bis 2015 das Urheberberrecht, das dann – 70 Jahre nach Hitlers Tod – erlischt.

McGee berief sich jedoch auf die Zitierfreiheit nach Paragraf 51 des Urheberrechtsgesetzes, die sich aus der im Grundgesetz verankerten Pressefreiheit speise. Er wolle schließlich nicht „Mein Kampf“ komplett abdrucken, sondern nur einen Auszug. Diese Argumentation aber verwarf das Gericht. Die geplante Publikation sei nicht vom Zitatrecht gedeckt, so heißt es in einer Mitteilung des Gerichts, das mit einer einstweiligen Verfügung die Veröffentlichung untersagte. Der britische Verleger war allerdings schon zuvor von dem Vorhaben abgerückt, um eine Konfiszierung der Hefte an den Kiosken zu vermeiden: Die vorgesehenen Passagen aus „Mein Kampf“ würden durch einen Schleier unleserlich gemacht, hieß es. Lediglich die Kommentare sollen bleiben.

„Die Aura des Verbotenen“

Geplant war die Veröffentlichung im Rahmen der Reihe „Zeitungszeugen“, mit der McGee schon mehrfach in Deutschland für Aufsehen gesorgt hat – etwa mit dem Neudruck von Hetzblättern wie dem „Völkischen Beobachter“. Dabei bekam der Verleger vor deutschen Gerichten Recht. Von „Mein Kampf“ sollten jetzt ausgewählte 15 Seiten erscheinen, kommentiert von namhaften deutschen Historikern wie Hans Mommsen oder dem Antisemitismus-Forscher Wolfgang Benz. Die Startauflage liegt bei 100.000, der Preis soll 3,90 Euro betragen. Wir wissen um die dunkle Macht dieses Buches, aber die rührt daher, dass niemand es gelesen hat. Die Aura des Verbotenen macht seinen Mythos aus“, sagte McGee dem „Spiegel“.

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Bayern wirft dem Briten laut „Tagesspiegel“ Profitsucht vor. „Mit diesem Thema macht man kein Geld“, so zitiert die Zeitung Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU). In „Mein Kampf“, dessen ersten Teil Hitler 1924 in der Haftanstalt Landsberg zu Papier brachte, beschrieb der spätere Diktator seine Lebensgeschichte, seine Weltsicht und sein politisches Programm. Bis 1945 wurde das Machwerk auf Staatskosten gratis verteilt. Verboten ist es in Deutschland nicht: Der Bundesgerichtshof entschied 1979, dass der Besitz und die Verbreitung des Buches nicht strafbar ist. In den angelsächsischen Ländern, in Israel  und in Skandinavien erscheinen bereits immer mehr Nachdrucke.

Die Grünen  forderten die bayerische Staatsregierung auf, endlich ein Konzept für den Umgang mit NS-Druckerzeugnissen vorzulegen. „Die Verbots- und Tabuisierungspolitik des Finanzministeriums ist nichts anderes als ein Ausdruck von Hilflosigkeit im Umgang mit den historischen Hetzdokumenten aus der Nazizeit“, sagte Sepp Dürr, kulturpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion. „Die Tabuisierung der Nazischriften führt viel eher dazu, sie mit einer mythischen Aura zu versehen“, betonte Dürr. Er forderte, die Dokumente zugänglich zu machen und eine politische, wissenschaftliche und pädagogische Auseinandersetzung mit ihren Inhalten zu führen. „Bücher wie ‚Mein Kampf‘ sind längst im Internet verfügbar“, erklärte Dürr. Das Urheberrecht laufe  ja ohnehin 2015 aus.

Die Reihe „Zeitungszeugen“ kooperiert mit dem Verband der Geschichtslehrer Deutschlands. Pädagogen und Journalisten haben ihm zufolge gemeinsam begleitende Arbeitsblätter für die Sekundarstufen I und II erarbeitet. „Geschichtslehrer können ihren Schülern diese historischen Originalquellen somit mit reflektierendem Zusatzmaterial und ohne Zeitaufwand in Archiven zugänglich machen“, heißt es. Auch vergünstigte Abonnements für Lehrer sowie Unterrichtspakete mit den Heften bietet der Verband auf seiner Internet-Seite an, die hier erreichbar ist. NINA BRAUN

Zum Kommentar: „Entzaubert ‚Mein Kampf‘ – bringt es heraus!“

(24.1.2012, aktualisiert am 25.1.)

 

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