Apple-Konkurrenz: Plattform für digitale Schulbücher startet im Herbst

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HANNOVER. Die deutschen Schulbuchverlage wehren sich gegen Apple: Sie haben auf der Bildungsmesse „didacta“ ihre eigene Plattform „Digitale Schulbücher“ präsentiert.

Stellten das Projekt "Digitale Schulbücher" auf der "didacta" vor (von links): Klett-Geschäftsführer Tilo Knoche, Cornelsen-Chef Martin Hüppe und Wilmar Diepgrond, Geschäftsführer des Bildungsverlags Eins. Foto: Agentur für Bildungsjournalismus
Stellten das Projekt "Digitale Schulbücher" auf der "didacta" vor (von links): Klett-Geschäftsführer Tilo Knoche, Cornelsen-Chef Martin Hüppe und Wilmar Diepgrond, Geschäftsführer des Bildungsverlags Eins. Foto: Agentur für Bildungsjournalismus

„Wir verstehen uns nicht als Drucker, sondern als Lösungsanbieter für Schulen“, sagt Martin Hüppe, Geschäftsführer des Cornelsen-Verlages. Allerdings auch als Lösungsanbieter in eigener Sache: Cornelsen und 26 weitere deutsche Schulbuchverlage stellten jetzt auf der „didacta“ das gemeinsame Projekt „Digitale Schulbücher“ vor, mit dem sie einen Angriff des IT-Giganten Apple abwehren wollen. Der hat nämlich unlängst einen Online-Shop für iBooks eröffnet, mit dem er den elektronischen Schulbuchmarkt erobern will. Die deutschen Verlage halten nun mit einer eigenen Vertriebsplattform dagegen.

Der entscheidende Unterschied: Apple will sowohl Anbieter wie auch Nutzer ins eigene System zwingen; „Digitale Schulbücher“ kommt dagegen als offene Lösung daher, mit der Schulen, Lehrkräfte und Schüler elektronische Bücher verschiedener Verlage in einem Regal verwalten, lesen und nutzen können – online oder offline, und dies mit jedem System ihrer Wahl. Damit kommen die Verlage nach eigenen Angaben den extrem unterschiedlichen Ausstattungen der Schulen (und Schüler) entgegen, die von iPad-Klassen bis hin zum Laptop zu Hause reicht. Entsprechend flexibel soll die Nutzung sein, so versprechen die Anbieter: Notizen der Schüler zu den Texten beispielsweise seien von jedem Ort aus abruf- und bearbeitbar und würden dann stets so gespeichert, dass sie bei der nächsten Anwendung – von wo aus auch immer – bereit stünden, hieß es. Dabei sei ein Missbrauch der Daten ausgeschlossen: Die Plattform soll vom unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein begutachtet werden.  

Stolz zeigen sich die deutschen Verlage, darunter die Marktführer Cornelsen und Klett, eine gemeinsame Plattform zumindest schon mal in einer Vorführ-Version entwickelt zu haben – der Start mit mehreren hundert Büchern ist zum Beginn des kommenden Schuljahres vorgesehen – und damit einen Standard vorzugeben, der die Nutzung erleichtert. „Wir wollen es den Schulen leicht machen, so dass sie nicht mit zehn Systemen von zehn Verlagen arbeiten müssen“, sagte Tilo Knoche, Geschäftsführer des Ernst Klett Verlags. Die Preisgestaltung und der Verkauf über die Plattform erfolgt dann allerdings auf eigene Rechnung: Die Verlage verkaufen die zur Nutzung notwendigen Freischalt-Codes direkt. So fielen – anders als bei Apple – auch keine Lizenzgebühren für die Plattform an, versicherte Cornelsen-Chef Hüppe.

Noch, so betont er, sei der Markt für digitale Schulbücher ein „außerordentlich verhaltenes Segment“. Das Projekt ziele auf die fernere Zukunft. Das Interesse an elektronischen Unterrichtsmedien allerdings wächst – wie auf der „didacta“ gut zu beobachten ist.

Parallel zur Pressekonferenz der Verlage drängeln sich um das „gläserne digitale Klassenzimmer“ in Halle 23 Besucher für den nächsten Workshop. In ein paar Minuten steht hier das Thema „Mediale Lernwelten – das iPad in der Grundschule“ auf dem Programm. Ein paar Schüler, die am Stand vorbeilaufen, nutzen die Gunst der Stunde, schnappen sich ein iPad und lassen ihre Finger vergnügt über den Touchscreen gleiten. Begeisterung pur.

Um sie herum nehmen alte und junge Lehrerinnen und Lehrer Platz. Die einen tippen routiniert den flachen Bildschirm an, testen die darauf geladenen Apps und bedienen quasi nebenher noch ihr Smartphone. Das sind hauptsächlich diejenigen, die später aufzeigen, als es darum geht, wer in der Schule schon mal mit dem mobilen Gerät gearbeitet hat. Andere schauen das iPad mit hochgezogenen Augenbrauen und argwöhnischem Blick über den Brillenrand an, drehen und wenden es, tippen es vorsichtig an und legen es dann doch zur Seite. Einige von ihnen verlieren während des Vortrags und der anschließenden Übungsphase ihre Skepsis, erarbeiten gemeinsam mit dem Nachbarn konzentriert an einem Arbeitsauftrag und schmunzeln über die animierten Vokabellernprogramme. Nur fünf Teilnehmer lassen sich nicht auf das Experiment ein und stehen vorzeitig von ihren Plätzen auf. FRAUKE KÖNIG / NINA BRAUN

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