Kinder aus Regenbogen-Familien fühlen sich häufig ausgegrenzt

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BERLIN. Kinder von homosexuellen Eltern haben Angst vor Diskriminierung. Dies ist das Ergebnis einer Studie der Berliner Humboldt-Universität zu sogenannten Regenbogen-Familien. Darin wird auch Kritik an den Schulen geübt.

„Die meisten der Kinder beschreiben das Erleben ihrer familiären Situation als ‚ganz normal‘." Foto: iruniran / Flickr (CC BY-NC 2.0)
„Die meisten der Kinder beschreiben das Erleben ihrer familiären Situation als ‚ganz normal‘." Foto: iruniran / Flickr (CC BY-NC 2.0)

Die vergleichende Studie „School is out?!“ – durchgeführt in Deutschland, Schweden und Slowenien – hat sich mit den Fragen befasst, ob Kinder, die mit Eltern aufwachsen, die sich als lesbisch, schwul, bisexuell und transgender (LGBT) identifizieren, Diskriminierungen in der Schule erleben und welche Strategien sie im Umgang damit entwickeln. In  Deutschland wurden 22 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zwischen acht und 20 Jahren, die in einer Regenbogenfamilie aufwachsen, interviewt. Befragt wurden außerdem 29 Erwachsene, die mit den Kindern in einem Haushalt leben.

Die Ergebnisse der Interviews bestätigen auf Deutschland bezogen frühere Befunde, dass die Kinder in der Regel gut integriert sind und selten direkte Formen von Gewalt erleben. „Die meisten der Kinder beschreiben das Erleben ihrer familiären Situation als ‚ganz normal‘ – zumindest solange sie eine innerfamiliäre Perspektive einnehmen. Dies trifft auch für die meisten Kinder, die vorher in einem heterosexuell organisierten Familienzusammenhang aufgewachsen sind, zu“, so heißt es in der Studie.  „Anders als im gesellschaftlichen Umfeld scheint innerhalb der Familie die Attributierung der Eltern als ‚lesbisch‘, ‚schwul‘ oder ‚transgender‘ kaum in seiner sexualisierten Dimension problematisiert bzw. emotional belegt zu werden. Die Kinder sprechen von ihren Eltern als denjenigen, von denen sie sich geliebt, beschützt, versorgt, verstanden und auch zuweilen nicht verstanden, überfordert oder genervt fühlen.“

Die Kinder befürchten und erleben allerdings, dass ihre Familienform von anderen – Gleichaltrigen wie auch Lehrern – als Abweichung von einer Hetero-Normalität gesehen und tendenziell eher negativ bewertet wird. „Alle Kinder äußern Befürchtungen, dass sie wegen ihres familiären LGBTQ-Hintergrunds abgelehnt, abgewertet, ausgegrenzt, nicht mehr gemocht bzw. auch von eher gewaltbereiten Kindern körperlich attackiert werden könnten. Nur wenige Kinder vertrauen auf die positiven Erfahrungen, die sie bisher gemacht haben und beschreiben, dass sie in ihrer Peergroup beliebt seien bzw. aufgrund individueller Kompetenzen (Sport, Musik, schulische Leistungen) als besondere Persönlichkeiten wahrgenommen würden und sich dadurch geschützt fühlten.“ Tatsächlich berichten alle Kinder von Erfahrungen mit Mobbing.

Als besonders unangenehm bis diskriminierend erlebt wird es, fortgesetzt, aber ohne spürbares Interesse über die eigene Familie ausgefragt, mit der sexuellen Orientierung der Eltern identifiziert und vor der Klasse von Lehrern hervorgehoben zu werden. Darüber hinaus störte die Kinder, ihr Familienmodell nicht in Unterrichtsmaterialien und als Thema im Unterricht wiederfinden zu können.

Immer noch gibt es Vorurteile

„Viele versuchen deshalb, sich und ihre Familien als so normal wie möglich darzustellen. Oder sie wählen, um sich selbst zu schützen, die Strategie des Nicht-Veröffentlichens. Andere entscheiden sich für eine offensivere Strategie und erzählen selbstbewusst und stolz in ihrem schulischen Umfeld von ihrer Familie. Ein Effekt davon ist, dass auf diese Weise auch das Besondere und Andere dieser Familienform in den Alltagsdiskurs in der Schule eingeht“,  berichtet Uli Streib-Brzič, Mitautorin der Studie, die vom Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien der Humboldt-Universität veröffentlicht wurde.

Die Studie resümiert, dass der offene Umgang mit dem Thema in allen drei Ländern viel zu wenig gepflegt werde. Stattdessen werden immer noch viele Vorurteile gegenüber LGBT-Eltern reproduziert. Auch Pädagogen fehle es häufig an Wissen und Offenheit. Insgesamt werde die Vielfalt an Familienformen in der Schule kaum vermittelt.  Regenbogenfamilien blieben sowohl in Unterrichtsmaterialien als auch im Unterrichtsgespräch unerwähnt.

Pädagogisches Material, das auf der Basis der Studienergebnisse entwickelt wurde, enthält Vorschläge, wie das Thema Regenbogenfamilien besprochen werden kann. Die Studie und die pädagogischen Materialien sind herunterladbar unter: www.gender.hu-berlin.de/rainbowchildren/downloads

NINA BRAUN

(12.2.2012)

Zum Bericht: „Papst: Homo-Ehe gefährdet die Zukunft der Menschheit“

Zum Bericht: „Bisexuelle Jugendliche sind besonders gefährdet“

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