Eltern drohen Lehrern wegen Schulnoten

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SALZBURG/HERFORD. In der österreichischen Stadt Salzburg vergeben Lehrer doppelt so viele Einser wie ihre Kollegen im benachbarten Landkreis Pinzgau. In der Stadt würden Eltern den Lehrern auch mit Rechtsanwälten drohen, berichtet ORF.at.

Hintergrund könnte der Druck sein, unter den sich Eltern setzen, um ihr Kind auf einem Gymnasium unterzubringen. In der Stadt wechseln mehr Kinder auf ein Gymnasium, jedes zweite, im Gegensatz zu dem benachbarten Landkreis, dort seien es nur zwei von zehn. ORF.at berichtet, dass der Andrang in den städtischen Gymnasien teilweise so groß sei, dass nur Schüler mit reinen Einser-Zeugnissen aufgenommen würden.

In Salzburg werden offenbar viele gute Noten vergeben. (Foto: Michael DawesFlickr CC BY-NC 2.0)
In Salzburg werden offenbar viele gute Noten vergeben. (Foto: Michael DawesFlickr CC BY-NC 2.0)

Die Salzburger Bezirksschulinspektorin Ursula Moser glaubt, dass Erreichbarkeit und Nähe der Gymnasien eine Rolle spielen könnte. Lehrkräfte spürten deshalb in der Stadt mehr Druck der Eltern, weil es in der Stadt viel mehr Gymnasien gebe als auf dem Land. Sie wollten für ihr Kind die bessere Note, damit es dann ins Gymnasium gehen könne. Vereinzelt habe sie schon gehört, dass Lehrpersonen mit Rechtsanwälten gedroht wurde. „Ich merke den Druck auch durch Anrufe bei sich selber“, sagte sie dem Nachrichtenportal.

Von Druck, den Eltern wegen Noten auf Lehrer ausüben, berichtet auch die österreichische Zeitung „die Presse“. In Wien hatten sich kürzlich Volksschullehrer deshalb gemeinsam an den Stadtschulrat gewandt. Präsidentin Susanne Brandsteidl zeigte grundsätzlich Verständnis für die Lehrer in dieser Situation. Mahnte aber dazu, damit souverän umzugehen. Es sei eine Frage von Professionalität, Notenentscheidungen den Eltern zu erklären, sagte sie gegenüber der Zeitung „die Presse“.

Notenvergabe ist oft intransparent

Notenentscheidungen zu erklären, ist aber oft gar nicht so einfach. Denn wie diese zustande kommen, scheint häufig unklar zu sein. Schulleiterin Ute Krumsiek- Flottmann vom Friedrich-List-Berufskolleg  im deutschen Herford erklärte gegenüber der Zeitschrift „Forum Schule“: „Wir haben unsere Notenvergabe reflektiert und konnten uns nicht davon freisprechen, dass da mitunter Subjektivität mitschwingt.“ Eine Expertise des Siegener Erziehungswissenschaftlers Prof. Hans Brügelmann von 2006 („Sind Noten nützlich – und nötig?“), die Erkenntnisse aus mehreren Studien zum Thema zusammenfasste, kam zu dem Schluss: „Soziale und ethnische Herkunft, Geschlecht, aber auch Verhaltensauffälligkeiten und persönliche Sympathie führen zu systematischen Verzerrungen der Beurteilung.“

Das Friedrich-List-Berufskolleg im westfälischen Herford hat mittlerweile eine Lösung für dieses Dilemma gefunden. Dort gibt es für Schüler und Lehrer gleichermaßen grundlegende Bewertungsraster für die „sonstige Mitarbeit“ in jedem Fach und jeder Stufe, sogenannte Punktekonten. Die Punktekonten spiegeln das, was in den Richtlinien vorgegeben ist, berichtet „Forum Schule“. Dazu zählten einerseits zum Beispiel Nachweise zum Basiswissen, die der Schüler im Unterricht zu erbringen hat, andererseits zusätzliche Leistungen, mit denen sie weitere Punkte sammeln können, insbesondere auch für überfachliche Kompetenzbereiche wie etwa Teamfähigkeit.

Das System wirke entlastend. „Ich fand die Notenvergabe früher stressiger“, sagt Lehrer Marco Grahl- Marniok. „Als einzelner Lehrer stand ich viel stärker in der Dokumentationspflicht. Heute meckern Schüler manchmal auch noch, aber dann kann man sagen: Komm, wir gehen dein Punktekonto zusammen durch.“ Dabei bewähre sich die Nachvollziehbarkeit der Leistungsbewertung. Er könne jetzt gezielter an sich und seinen Leistungen arbeiten, meint auch Abiturient Kevin Barschdorff – und dabei durchaus auch taktisch vorgehen, etwa einen bewusst etwas geringeren Einsatz in einem ihm nicht so gut liegenden Leistungsfeld durch ein besonderes Engagement an anderer Stelle ausgleichen. Eine besondere Schülergruppe habe allerdings mit der Einführung gehadert: die Überflieger nämlich. Die sehr guten Schüler hätten in der Vergangenheit darauf bauen können, dass die Lehrerschaft über schwächere Phasen hinwegschaut und im Wissen um ihr Potenzial großzügig benotet. Das sei nun in der Tat vorbei. Grahl-Marniok: „Bei uns hat jetzt keiner Bonuspunkte mehr. Jeder beginnt am Halbjahresanfang bei Null – mit einem leeren Bogen.“ NINA BRAUN

(6.3.2012)

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