Europas erster Akademiker mit Down-Syndrom ist Lehrer

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MADRID. Der Spanier Pablo Pineda ist europaweit der erste Lehrer und Akademiker mit Down-Syndrom. Der 36-Jährige wurde durch den Film „Yo también“ (deutscher Titel „Me too – wer will schon  normal sein?“) gleichzeitig zum Filmstar.

In dem Film spielt er den Studenten Daniel, der das Down-Syndrom hat, die Geschichte ist angelehnt an seine eigene. Für diese Rolle ist er 2009 in Spanien ausgezeichnet worden. Er habe mal Anwalt werden wollen, dann Journalist. Dann entschied er sich für ein Lehramtsstudium, weil das mehrere Abschlussvarianten bot, sagte Pablo Pineda der Nachrichtenseite „Welt.de“. „Ich bereute es keine Sekunde. Ich arbeite sehr gerne mit Kindern. Und ich fühle mich sehr nützlich.“

Pineda sagt, dass er in der Schule der einzige Schüler mit Down-Syndrom gewesen sei. (Foto: DrivaspachecoWikimedia CC BY-SA 3.0)
Pineda sagt, dass er in der Schule der einzige Schüler mit Down-Syndrom gewesen sei. (Foto: DrivaspachecoWikimedia CC BY-SA 3.0)

Dass er das Down-Syndrom habe, erfuhr Pineda nicht von seinen Eltern, sondern von einem seiner Lehrer. Er sei sieben Jahre alt gewesen, als er ihn fragte, ob er wisse, was das Downsyndrom sei. Natürlich habe er ja gesagt. Der Lehrer habe ihn aber durchschaut und ihm die Genetik des Downsyndroms erklärt. In dem Alter sei das eine echt harte Nuss gewesen, sagte Pineda „Welt.de“. Er habe nur zwei Fragen gehabt: „Bin ich dumm?“ Der Lehrer habe geantwortet: „Nein.“ „Kann ich weiter in die Schule gehen mit meinen Freunden?“ Er sagte: „Kein Problem.“ Der Rest sei ihm egal gewesen.

In der Schule habe er einen Riesenspaß gehabt, wie nie zuvor mit seinen Freunden. Es waren wunderschöne, interessante und auch harte Erfahrungen, die er erlebt habe. Insgesamt sei es eine unglaublich bereichernde Phase gewesen. Es habe bessere und schlechtere Tage gegeben. Besonders die Pubertät sei aber hart gewesen. Er selbst habe damals teils nicht in und mit seiner Haut leben können, sagte er „Welt.de“. Pineda sagte, dass er der erste Schüler mit Down-Syndrom in Spanien gewesen sei, der an einer normalen Schule unterrichtet wurde. Die Mehrzahl der spanischen Kinder mit Down-Syndrom, 85 Prozent, gehen mittlerweile in eine reguläre Schule.

Kinder mit Down-Syndrom nicht überbehüten

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Pineda ermahnt Eltern von Down-Syndrom-Kindern, ihr Kind wie ein Kind zu behandeln und nicht wie einen „Behinderten“. Sie müssten es erziehen und ausbilden und mit ihm reden, denn der schlimmste Feind von Kindern mit Down-Syndrom sei die Stille. Sie sollten keine Komplexe haben. Raus ins Freie mit ihnen. Sie sollten zeigen, dass es ihr Kind ist. Sie sollen es niemals überbehüten. Sie sollten es psychisch und physisch stimulieren und so Autonomie lehren. Denn was geschehe, wenn sie als Eltern einmal nicht mehr da sind?, fragt Pineda.

Lange sei der Glaube verbreitet worden, dass das Downsyndrom mit einer Lebenserwartung von 30 Jahren einhergehe. Pineda erklärt gegenüber „Welt.de“, dass das ein Mythos sei. Menschen mit Down-Syndrom würden alt werden. Es hänge davon ab, wie sie sich körperlich und geistig fit halten würden. Wie viele junge Menschen mit Down-Syndrom sei er übergewichtig gewesen. Mit Training und einem Ernährungsplan habe er dann aber zwölf Kilo verloren. Und er habe Glück gehabt, dass er in einer kulturbegeisterten Familie aufgewachsen sei. Mit Tageszeitungen und einer Bibliothek, diese Dinge hätten sehr früh seine Neugier geweckt. Wenn man jemandem Kultur verbiete, dann töte man ihn auf eine gewisse Weise. (nin)

Pablo Pineda wurde 1975 in Malaga mit dem sogenannten Down-Syndrom geboren, auch Trisomie 21 genannt. Es handelt sich dabei um einen Genmutation, bei der das gesamte 21. Chromosom oder Teile davon dreifach vorliegen.

(11.3.2012)

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Göbert
11 Jahre zuvor

Ich habe schon vor 20 Jahren mit Down-Syndrom-Kindern als Lehrer gearbeitet. Sie sehen die Welt mit ganz anderen Augen als andere Kinder, sind weltoffener und voll innerer ungetrübter Erwartungsfreude und selbst, wenn sie nicht unbedingt die besten Erfahrungen mit Mitmenschen gemacht haben, immer wieder bereit zu vergeben und weiterzulieben. Dieses Zusammensein (Ich nenne es bewusst nicht Arbeit!) mit diesen wunderbaren Menschenkinder hat mich als Lehrer und als Mensch aufgeweckt und mir die Welt wieder vom Ursprung aus gezeigt! Ohne diese Zeit mit ihnen, wäre ich nicht, was ich heute bin. Vielen Dank euch allen!

Johannes
9 Jahre zuvor

Es ist nicht der einzige Lehrer mit Down-Syndrom, auch wenn man dieses Wort nicht mehr verwenden sollte.
Deutsche Eltern sind mit ihrem 10-jährigen Kind mit DS nach Amerika, weil ihm hier die nötige Förderung versagt blieb. Mittlerweile arbeitet er als native speaker und Informatiklehrer hier in Deutschland. Und welche Bereicherung diese Menschen für eine Gemeinschaft sind, brauch man ja wohl nicht extra erwähnen.

geli
9 Jahre zuvor

Mir ist mulmig, wenn ich die verklärenden Worte meiner beiden Vorkommentatoren über Kinder mit Down-Syndrom lese. Auf mich macht das den Eindruck von selbstgefälliger Positiv-Diskriminierung.
Besonders Ihre Worte, Herr oder Frau Göbert, kommen mir reichlich überhöht vor, wobei ich mich frage, wen Sie mehr erhöhen, die Kinder oder sich selbst.
Wer mehr Normalität und Anerkennung für diese Kinder will, sollte meiner Meinung nach die Kirche im Dorf lassen. So wie Sie reden, müssten sich Eltern eigentlich Kinder mit Down-Syndrom wünschen und Lehrer in Freude ausbrechen, wenn sie mit diesen zusammenLEBEN dürfen. „Zusammenarbeiten“ ist für Sie ja ein zu schwacher Ausdruck für die Bereicherung, die Sie erfahren haben und die aus Ihrer Person erst das gemacht hat, was Sie heute sind.
Vielleicht ergeht es nur mir so, aber ich empfinde das im Moment überschwängliche Tamtam um Kinder mit Down-Syndrom geschmacklos und abstoßend. Es hilft auch den Kindern nicht, wenn ihnen die penetranten Lob- und Dankeshymnen allmählich die Bereicherung anderer Menschen zur Aufgabe machen.

stillmann
9 Jahre zuvor
Antwortet  geli

Mutiger Kommenta!. Kindern mit Down-Syndrom wird mit Verherrlichung nicht geholfen. Sie brauchen adäquate Förderung und Hilfe statt künstlichen Kleinredens ihrer Probleme. Edle Selbstdarstellung ist abzulehnen.

Reinhard
9 Jahre zuvor

Sind eigentlich alle Menschen mit Trisomie 21 so wie Herr Pineda?

Kira-2
9 Jahre zuvor
Antwortet  Reinhard

Kann ich mir ncht vorstellen. Es sind ja auch nicht alle „gesunden“ Menschen gleich.
Es wird auch unter den Trisomie-21-Menschen intelligentere und weniger intelligente geben.

Auf wikipedia steht (und bitte nicht gleich hauen, nur weil ich wikipedia zitiere“:
„Das Down-Syndrom ist ein Syndrom beim Menschen, bei dem durch eine Genommutation (Chromosomenaberration/ Polyploidie) das gesamte 21. Chromosom oder Teile davon dreifach vorliegen (Trisomie). […] Diese führt in unterschiedlichem Maße zu einer verzögerten kognitiven und körperlichen Entwicklung.“
Zudem steht dort auch, dass es vier Formen von Trisomie 21 gibt – die werden sich vermutlich auch unterschiedlich auswirken – ansonsten wären die Formen vermutlich vollkommen irrelevant…

F. H.
9 Jahre zuvor

Reinhards Frage schien mir mehr als Aussage gemeint zu sein.
Natürlich sind Herr Pineda und der von Johannes erwähnte „native speaker und Informatiklehrer“ seltene Ausnahmen.
Ich glaube nicht, dass den vielen Kindern mit Down-Syndrom ein Gefallen getan wird, wenn diese Menschen immer wieder mit der Lupe gesucht und als leuchtende Beispiele herausgepickt werden. Verharmlosung ihrer Genanomalie mag nett gemeint sein, hat aber auch etwas Verachtendes dem „Normalfall“ gegenüber.