Biologie: Die Genbank sichert das Überleben seltener Pflanzen

0

REGENSBURG. 3000 unterschiedliche Wildpflanzen gibt es etwa in Bayern. 40 Prozent gelten als gefährdet – 78 Arten sind bereits ausgestorben. In einer Genbank wird daher das Saatgut der seltenen und zum Teil nur in Bayern vorkommenden Pflanzen gesichert.

Der bayerische Wald hat einige Besonderheiten zu bieten. Foto: Romtomtom / Flickr (CC BY-NC 2.0)
Der bayerische Wald hat einige Besonderheiten zu bieten. Foto: Romtomtom / Flickr (CC BY-NC 2.0)

Der Blick von Prof. Peter Poschlod ist nach unten gerichtet, immer wieder geht er in die Knie, um nach seinen Zöglingen zu sehen. Der Biologe der Regensburger Universität leitet die Genbank Bayern Arche, in der hunderte vom Aussterben bedrohte oder nur noch in Bayern vorkommende Pflanzen gesichert werden sollen. Bis 2013 wollen insgesamt vier Forscher Samen von 469 verschiedenen Arten sammeln, archivieren, einfrieren oder zu weiteren Forschungszwecken in den botanischen Garten der Uni pflanzen.

«Die Genbank ist die Lebensversicherung der Pflanzen», sagt Poschlod. In Bayern seien bereits 78 Arten ausgestorben, mehr als 1000 weitere bedroht. Wie auch das Bodensee-Vergissmeinnicht, das nur noch in einem kleinen Gebiet an Deutschlands größtem See wächst. «Sollte sich dort der Lebensraum durch Umwelteinflüsse verändern, wäre diese Pflanze für immer verschwunden», erläutert der Biologe. Seinem Team gelang es mittlerweile, 17 Samen des «Blauen Bandes des Bodensees» zum Keimen zu bringen und im botanischen Garten anzupflanzen.

«Die Genbank leistet einen wichtigen Beitrag zum Erhalt des einzigartigen bayerischen Naturerbes», sagt der bayerische Umweltminister Marcel Huber (CSU). Sie sichere Bayerns große Naturschätze für die Zukunft. Dadurch leben vom Aussterben bedrohte Arten weiter. «So können auch unsere Kinder und Enkel die Pflanzen in der freien Natur erleben», betont Huber.

Das größte Problem für das vierköpfige Forscherteam ist die Suche nach den seltenen Pflanzen. Dabei verlassen sie sich auf die Angaben von ehrenamtlichen Pflanzenliebhabern in Bayern, die die Bestände in Karten eingetragen haben. In der Blütezeit rutschen dann die beiden Biologie-Doktoranden Simone Tausch und Martin Leipold stundenlang auf den Knien zentimeterweise voran, um auf einem Feld von der Größe eines Fußballplatzes eine winzig kleine Anhäufung von bestimmten Pflanzen zu finden. «In den Alpen sind wir auch schon mal mehrere Tage mit dem Rucksack unterwegs und übernachten in Berghütten oder Zelten», erklärt Simone Tausch.

Finanzierung nicht gesichert

Wenn die beiden erfolgreich waren, kehren sie wenige Wochen später, in der Reifezeit der Pflanzen zurück, um die Früchte und Samen aufzulesen. «Wir sammeln aber nur 20 Prozent der Samen ein, um den Standort nicht zu gefährden», erläutert Martin Leipold. Nun beginnt der aufwendige und teure Laborteil: Mit Hilfe eines Röntgengerätes wird zuerst untersucht, wieviele Samen überhaupt einen lebensfähigen Embryo in sich haben. «Wir sind die einzige Genbank für Pflanzen in Deutschland, die so ein Gerät besitzt», sagt Poschlod stolz. Zuvor mussten die winzigen Samen mit einem Messer angeritzt werden, um in die Hülle zu schauen.

Einige Samen werden nun einem Keimtest unterzogen. Dazu werden sie in einer flachen Schale mit Filterpapier und Wasser in Schränke mit unterschiedlichen Klimabedingungen gelegt. Die restlichen Samen werden getrocknet, vakuumverpackt und lichtdicht bei minus 18 Grad eingefroren. «Nach fünf Jahren wollen wir erneut Proben nehmen und die Keimfähigkeit testen», erklärt Martin Leipold. Ob er dazu noch die Gelegenheit hat, ist aber fraglich.

Das Ministerium hat das Projekt bis 2013 mit rund 300 000 Euro gefördert – bis dahin sollte der Großteil der Samen eingelagert sein. Damit sei die Arbeit und die Verantwortung des Landes aber nicht erledigt, betont Poschlod. «Das Geld reichte ohnehin gerade für die beiden Doktoranden, die wissenschaftlichen Hilfskräfte und sechs Eisschränke. Die dreifache Summe hat die Universität zur Verfügung gestellt.» Über eine Folgefinanzierung hat das Ministerium aber noch nicht entschieden. Poschlod befürchtet daher: «Die Genbank stirbt, bevor sie begonnen hat zu leben.» ANDRÉ JAHNKE; dpa

Zum Bericht: „Biologie: Pflanzen können miteinander ‚reden'“

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments