Entschädigung für ehemalige Ost-Heimkinder in greifbarer Nähe

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DRESDEN/MAGDEBURG (Mit Leserkommentar). Jahrelang wurden Kinder und Jugendliche in DDR-Heimen und Werkhöfen drangsaliert. Das Unrecht wirkt oft bis heute nach. Nun bekommen die Betroffenen Entschädigung für ihr Leid.

Entschädigung für ehemalige Ost-Heimkinder; Foto: mueritz/Flickr (CC BY-SA 2.0)
Entschädigung für ehemalige Ost-Heimkinder; Foto: mueritz/Flickr (CC BY-SA 2.0)

In den neuen Bundesländern erhalten einstige Insassen von DDR-Kinderheimen und Erziehungsanstalten von Juli an besondere Unterstützung. Möglich macht das der Fonds «Heimerziehung in der DDR», den Bund und Ost-Länder mit 40 Millionen Euro füllen. Aus dem Topf sollen beispielsweise therapeutische Behandlungen, Beratungen und Rentenersatzleistungen gezahlt werden. Dazu richten die Länder Beratungsstellen ein, in denen die Zöglinge von damals fachkundig umsorgt und beraten werden sollen.

In Sachsen-Anhalt können sie sich von Juli an in einer Beratungsstelle in Magdeburg Rat und Unterstützung holen. Sie werde in den Räumen der Stiftung «Familie in Not» in Magdeburg mit einem Mitarbeiter des Sozialministeriums eingerichtet, sagte Ministeriumssprecher Holger Paech. Diese Lösung sei gewählt worden, weil die Betroffenen signalisiert hätten, nicht zu einer Behörde gehen zu wollen. Bislang gebe es schon knapp 200 Anfragen. «Die Menschen werden nun von dem Berater kontaktiert», sagte Paech.

Wie drängend das Problem ist, zeigt sich auch an den Wartelisten in den anderen Ost-Ländern. In Thüringen etwa liegen bereits 1.000 Anträge vor. «Wir sind von dem Zulauf überrascht», sagte der Sprecher des Erfurter Sozialministeriums, Uwe Büchner. In Sachsen gibt es wie in Sachsen-Anhalt etwa 200 Anfragen. In Mecklenburg-Vorpommern sind es etwa 350. Da jedes Schicksal individuell ist, müssen sich die einst Drangsalierten wohl oder übel noch etwas in Geduld üben, heißt es in den Ländern.

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In der Beratungsstelle gehe es darum, die Betroffenen zu unterstützen, diese Leistungen in Anspruch zu nehmen, sagte Paech. Die ehemaligen Heimkinder sollen Hilfe bei der Recherche nach Unterlagen erhalten und Anträge auf finanzielle Unterstützung stellen können. «Ein Unrecht kann damit aber nicht ungeschehen gemacht werden», betonte Paech. Auf dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt habe es 154 Heime gegeben. Die Schätzungen gingen von 88.500 bis 90.000 Heimkindern in den Jahren zwischen 1949 und 1989 aus. In der ganzen DDR gab es 474 Kinderheime, 38 Spezialkinderheime und 32 Jugendwerkhöfe. Schätzungsweise mehr als 400 000 Kinder und Jugendliche haben dort gelebt.

In der DDR-Heimerziehung gehörten für viele Säuglinge, Kinder und Jugendliche Gewalt und Zwang zum Alltag, vor allem in den Jugendwerkhöfen, in denen sogenannte Problemkinder umerzogen werden sollten. Nicht alle haben Demütigungen erfahren. Betroffene aber berichteten von Arrestzellen, militärischem Drill, psychischem Terror. Viele wurden nach der achten Klasse aus dem Bildungssystem gedrängt. Nun geht es beispielsweise darum, Bildungsabschlüsse nachzuholen oder verlorene Rentenansprüche auszugleichen. dpa

(28.6.2012)

Zum Bericht: „‚Schwarze Pädagogik‘: Frühere Heimkinder fordern Entschädigung“

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2 Kommentare
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sofawolf
11 Jahre zuvor

Wenn ich die Berichte verfolgte, ging man in Ost und West in früheren Jahrzehnten mit Heimkindern nicht „sehr nett“ um. Erst unlängst sah ich dazu eine Dokumentation aus Österreich. Bekommen diese „westlichen“ Heimkinder eigentlich auch Schmerzensgeld?

Jana
10 Jahre zuvor

Es ist alles extrem grausam was zu Tage kommt ! Auch ich war mehrere Jahre im Heim….als Säugling 2 Jahre im Säuglingsheim und ca 6 Jahre später dann in ein Kinderheim. Wobei ich sagen muss, dass das die schönste Zeit meiner Kindheit war !
Meine Frage: Kann ich trotzdem Gebrauch von diesem Fonds machen ?
Ans Säuglingsalter hab ich logischerweise keine
Erinnerungen.
Über Antworten wäre ich erfreut:)