Stiftung fordert Rechtsanspruch auf Ganztagsschule

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BERLIN (Mit Leserkommentaren). Mehr als jede zweite Schule in Deutschland bietet inzwischen Ganztagsbetreuung an. Insgesamt sind es 51,1 Prozent. Gleichwohl können nur 28,1 Prozent der Schüler diese Angebote auch nutzen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung.

In einer Ganztagsschule bleibt Zeit für Projekte. Foto: flickingerbrad / Flickr (CC BY 2.0)
In einer Ganztagsschule bleibt Zeit für Projekte. Foto: flickingerbrad / Flickr (CC BY 2.0)

Häufig handelt es sich dabei um klassischen Unterricht am Vormittag und freiwillige Sport- und Kulturangebote oder Förderunterricht am Nachmittag.

Die meisten Ganztagsschüler hat Sachsen (73,3 Prozent), die wenigsten Bayern (10,5 Prozent). Hohe Anteile an Ganztagsschülern haben auch Hamburg (54,8 Prozent), Thüringen (52,6 Prozent) und Berlin (48,0 Prozent).

Der Bildungsforscher Thomas Rauschenbach kritisierte bei der Vorstellung der Studie fehlende bundesweite Konzepte und Qualitätsstandards. Der bisherige Ausbau der Ganztagsschulen, eines der größten bildungspolitischen Reformprojekte, sei «eine Reise in die Zukunft ohne klares Ziel», sagte Rauschenbach. Es gebe zu viele, höchst unterschiedliche Organisationsformen und Typen.

Zugang zu einer sogenannten gebundenen Ganztagsschule, in der die Teilnahme am ganztägigen Unterricht für alle Schüler verbindlich ist, hatten im Schuljahr 2010/2011 lediglich 12,7 Prozent der Schüler. Im Schuljahr zuvor waren es 11,9 Prozent.

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Stiftungs-Vorstandsmitglied Jörg Dräger forderte einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz. «Jedes Kind in Deutschland sollte die Möglichkeit haben, eine gebundene Ganztagsschule zu besuchen.»

Nach Berechnungen des Bildungsforschers Klaus Klemm müssten die Länder 9,4 Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr investieren, wenn alle Schüler ganztägig unterrichtet würden. Der größte Teil dieser Zusatzkosten entfiele auf Nordrhein-Westfalen (2,0 Milliarden Euro), Bayern (1,7 Milliarden) und Baden-Württemberg (1,4 Milliarden).

Das Deutsche Jugendinstitut plädiert in seiner Studie für verbindliche Ganztagsschulen. Diese böten die größten Chancen für soziales Lernen und für eine individuelle Förderung der Schüler. Zudem sei es einfacher, Konzentrations- und Entspannungsphasen abzuwechseln und den starren 45-Minuten-Takt aufzubrechen, sagte Dräger. Die Autoren der Studie empfehlen zudem für eine enge Zusammenarbeit der Schulen etwa mit Kindertagesstätten, Ausbildungsbetrieben, Musikschulen und Sportvereinen vor Ort.

Die Bundesregierung hatte 2003 unter Ex-Kanzler Gerhard Schröder ein Vier-Milliarden-Euro-Programm zum Ausbau der Ganztagsschulen gestartet. Das mit der Föderalismusreform 2006 eingeführte Kooperationsverbot von Bund und Ländern in der Bildung untersagt inzwischen eine Neuauflage solcher Programme. Der SPD-Bildungspolitiker Ernst Dieter Rossmann forderte unter Hinweis auf die Bertelsmann-Studie erneut eine Grundgesetzänderung. «Wer mehr und bessere Ganztagsschulen will, muss das Kooperationsverbot gänzlich abschaffen», sagte Rossmann. dpa

(5.6.2012)

 

 

 

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sofawolf
11 Jahre zuvor

Ich finde, Ganztagsschulen sollte man jetzt nicht zum non plus ultra erklären. Ob es wirklich so toll für Kinder ist, von morgens bis abends in der Schule sein zu müssen und kaum noch über selbstbestimmte (!) Freizeit zu verfügen? Ich bezweifle das.

Geht es denn wirklich um die Kinder oder um eine kostenlose Nachmittagsbetreuung für arbeitende Eltern?

sofawolf
11 Jahre zuvor

… „für arbeitende Eltern“ meinte natürlich auf Wunsch / im Sinne der arbeitenden Eltern. :-)))