40 Jahre Numerus-Clausus-Urteil

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KARLSRUHE. Vor 40 Jahren hat das Bundesverfassungsgericht in einem wegweisenden Urteil den Numerus-Clausus, wie er heute existiert, geschaffen. Was als Übergangslösung geplant war, ist mittlerweile zu einer Dauereinrichtung geworden.

Das Bundesverfassungsgericht unterstrich in seinem Urteil vom 18. Juli 1972 das Recht eines jeden qualifizierten Deutschen auf Zulassung zum Hochschulstudium. Es leitete diesen Anspruch aus dem Recht auf freie Wahl des Berufes (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) und der Ausbildungsstätte in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsprinzip ab.

Auch heute haben die Universitäten wieder mit übervollen Hörsaalen zu kämpfen.
Jeder hat das Recht auf einen Studienplatz seiner Wahl, sofern die Kapazitäten vorhanden sind, entschied das Bundesverfassungsgericht vor 40 Jahren.

Der „Numerus Clausus“ (NC), wörtlich übersetzt „beschränkte Anzahl“, ist eine Zulassungsbeschränkung für ein Studienfach. Sie wird immer dann gebraucht, wenn sich mehr Interessenten für einen bestimmten Studiengang einschreiben wollen, als Plätze zur Verfügung stehen.

Hintergrund des Urteils war, dass von Anfang der 50er- bis Ende der 60er-Jahre die Studierendenzahlen und die Zahl der jährlichen Neueinschreibungen auf mehr als das Doppelte anstiegen. Die Universitäten und Fachhochschulen konnten diesen Ansturm nicht bewältigen. Die Hochschulen führten deshalb  Zulassungsbeschränkungen für fast alle naturwissenschaftlichen und einige andere Fächer ein.

Mehrfachbewerbungen hinterließen zahlreiche freie Plätze

Das Problem daran: Einheitliche Regelungen für die Auswahlverfahren gab es nicht. Nach und nach führten einzelne Länder zwar Regelungen dazu ein, überließen deren genaue Interpretation aber den Hochschulen. Die Verfahren waren undurchsichtig und unterschieden sich je nach Land und Universität. Mehrfachbewerbungen führten dazu, dass eigentlich freie Plätze nicht vergeben wurden.

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Gerade im Bereich der Humanmedizin war die Situation kritisch. Zwar wurden immer mehr Mediziner gebraucht, aber ihre Ausbildung und die Schaffung neuer Kapazitäten waren sehr teuer. 1970/71 wurden 70 Prozent der Bewerber für ein Medizinstudium abgelehnt. Das führte zu einer Welle von Prozessen, in denen Abgewiesene ihr Recht auf einen Studienplatz einklagten. Schließlich beschäftigte sich das Bundesverfassungsgericht mit dem Thema.

Bundesverfassungsgericht muss neu entscheiden

Heute haben die Hochschulen wieder mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Die Chance auf einen Medizinplatz sei heute sogar schlechter als vor 40 Jahren, sagt Rechtsanwalt und Hochschulexperte Wilhelm Achelpöhler in einem Interview mit der Seite „Studies-Online“. Demnächst werde sich das Bundesverfassungsgericht wieder mit der Materie befassen müssen. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen habe im April den Fall eines Klägers, der nach über sechs Jahren Wartezeit noch keinen Medizin-Studienplatz erhielt, nach Karlsruhe verwiesen.

Beanstandet wird, erklärt Achelpöhler, dass heute weder jeder eine realistische Chance auf einen Studienplatz hat, noch es beim Verteilungsverfahren gerecht zugehe. „Wir haben damals wie heute exorbitante Anforderungen an die Note und nicht mehr hinnehmbare Wartezeiten. Das ist schlicht nicht zumutbar – und die Verwaltungsrichter sehen das genauso.“ nin

(29.7.2012)

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