Allah im Klassenzimmer: Auftakt zum neuen Islamunterricht

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DÜSSELDORF. Islamischer Religionsunterricht – den gibt es im neuen Schuljahr in Nordrhein-Westfalen. Das Land an Rhein und Ruhr ist damit bundesweit Vorreiter. Zu den Pionieren zählt die Bonner Robert-Koch-Schule.

Im Mittelpunkt des islamischen Religionsunterrichts: der Koran. Foto: rutty / Flickr (CC BY-NC-SA 2.0)
Im Mittelpunkt des islamischen Religionsunterrichts: der Koran. Foto: rutty / Flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

«Salam – as salam aleikum – Islam bedeutet Frieden, lasst uns Frieden machen!» 23 Schülerinnen und Schüler singen gemeinsam mit Lehrer Bernd Ridwan Bauknecht auf Arabisch und Deutsch das Begrüßungslied zu Unterrichtsbeginn. Auf dem Plan der muslimischen Kinder der dritten Klasse der Robert-Koch-Schule in Bonn steht Islamischer Religionsunterricht.

Die Schule im Stadtbezirk Bad Godesberg gehört zu den ersten rund 40 Grundschulen in Nordrhein-Westfalen, an denen mit Schulbeginn nach den Sommerferien jetzt der neue Islamische Religionsunterricht startete. Nordrhein-Westfalen ist das erste Bundesland, das dieses Fach im regulären Unterricht – wie auch Katholische oder Evangelische Religion – eingeführt hat.

Erstmals gibt es in Deutschland damit einen gleichgestellten muslimischen Religionsunterricht. Er ist «bekenntnisorientiert», erfolgt also aus der Sicht des eigenen Glaubens. Das ist auch der Unterschied zu der schon bisher in Modellversuchen praktizierten Islamkunde, die religiös neutral und eher kulturwissenschaftlich ausgerichtet ist.

Auch für muslimische Kinder ist das Neuland. Denn sie erfahren den Islam aus ihrer Glaubensperspektive auch in der Schule und nicht nur im Elternhaus oder in der Moschee. «Die Schule ist hier neben Familie und Gemeinde eine wichtige dritte Instanz», erklärt Bauknecht. Hier könne der Glaube auch mal «etwas mit Abstand betrachtet und kritisch hinterfragt werden».

In Bad Godesberg leben relativ viele Muslime. Das macht sich an der Robert-Koch-Schule bemerkbar. «Wir haben knapp 200 Schüler, davon sind etwa die Hälfte muslimischen Glaubens», sagt Schulleiterin Brigitte Fuchs.

Die dritte Klasse im Islamunterricht ist in ihrer Zusammensetzung vom Migrationshintergrund und auch von der muslimischen Glaubensrichtung (Sunniten, Schiiten und Aleviten) sehr heterogen. Es gibt Schülerinnen und Schüler aus der Türkei, aus Pakistan, Marokko, Tunesien, Iran, Jemen oder auch aus Bangladesch. Die Schülerinnen und Schüler hier heißen Faris, Diba, Yusuf, Kaya oder Omar. Der Unterricht findet in deutscher Sprache statt. Keines der Mädchen trägt Kopftuch.

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Wichtig sei, den Schülern im Baustein «Soziales Zusammenleben» eine Handlungsorientierung aufzuzeigen, betont Bauknecht. So heißt das Thema der dritten Klasse an diesem Tag: «Vom Streit zur Versöhnung». «Die Schüler sollen lernen: Ich bin Moslem, was bedeutet das in meinem Leben, wie gehe ich mit Anderen um?» Die Kinder sind konzentriert bei der Sache und bringen ihre eigenen Einschätzungen ein. Die acht Jahre alte Amrin sagt, sie finde den Unterricht gut, und ihre Mitschüler pflichten ihr bei.

Islamischer Religionsunterricht fördert nach Ansicht von Bauknecht die Integration. Für radikale Ansichten gebe es keinen Raum, auch eine Abwertung anderer Religionen finde nicht statt. «Interreligiös» heißt die Linie. «Im Unterricht werden auch andere Religionen besprochen», sagt Bauknecht. Mit den anderen Religionslehrern gebe es auch gemeinsame Exkursionen etwa in Kirchen, Synagogen, Moscheen oder auch gemeinsame Feste.

Lehrbuch ist in Vorbereitung

Einen verbindlichen Lehrplan für das neue Fach gibt es noch nicht. Er soll nächstes Jahr vorliegen. Auch ein Lehrbuch («Miteinander auf dem Weg») ist in Vorbereitung. Eine Hochschulausbildung für Lehrkräfte ist erst am Start. NRW betrete mit der bundesweiten Premiere auch selbst Neuland, sagte Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne).

Bei der ersten Gruppe von Lehrern handelt es sich um Pädagogen, die bisher schon Islamkunde unterrichtet haben. Die Lehrer stehen unter deutscher Schulaufsicht. Der 46-jährige Bauknecht, der 1993 zum Islam konvertierte, unterrichtet bereits seit acht Jahren Islamkunde an vier Bonner Schulen.

Da der neue Islamunterricht «bekenntnisorientiert» sein soll, bedeutet dies, dass auch das Beten gelehrt oder mal ein Bittgebet gesprochen werde, erläutert Bauknecht. «Religionsunterricht ist aber kein Gebetsunterricht.» Selbstverständlich werde mit dem Koran gearbeitet, «wenn auch nicht ständig Koransuren untersucht werden».

Für Schulleiterin Fuchs war schon die Islamkunde ein Erfolg, vor allem weil sie eine «Brücke» gebaut habe. Dies werde nun noch gefestigt. «Die Eltern beider Seiten finden es gut, dass so das Miteinander gefördert wird, auch unter den Eltern. Auch muslimische Mütter fühlen sich stärker angenommen, haben mehr Vertrauen, übernehmen auch Aufgaben oder beteiligen sich an Exkursionen.» EDGAR BAUER, dpa
(27.8.2012)

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Muslima
11 Jahre zuvor

Ein sehr informativer Bericht. Doch nur eine Frage. Warum betonen Sie, dass die Mädchen in der Klasse keine Kopftücher tragen? Was macht dies für einen Unterschied? Was wäre wenn eines der Mädchen eines tragen würde? Würde dies heißen, dass dieses Mädchen aus einem fundamentalistischen Elternhaus stammt? Würde dies heißen, dass die Integration an dieser Stelle keine Wurzeln geschlagen hat? Dass die gebauten Brücken, von denen gesprochen wird, an dieser Stelle einstürzen?

Schade, dass scheinbar immer alles an einem kleinem Stück Stoff festgemacht wird, welches zudem erst mit Beginn des Frauwerdens – und so wohl kaum in der dritten Klasse – getragen werden sollte.

Danke für den fast gelungenen Bericht.

Eine konvertierte, kopftuchtragende Studentin