Streit um Rankings in der Bildung: Erste Uni steigt aus

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HAMBURG. Die Universität Hamburg hat als erste deutsche Hochschule angekündigt, sich nicht länger an Rankings beteiligen zu wollen – ein Schritt, der die Diskussion um den Sinn von Ranglisten in der Bildung beflügeln dürfte. Die GEW sieht sich bereits in ihrer ablehnenden Haltung bestätigt.

Rankings produzieren Gewinner - und Verlierer. Ist das im Bildungsbereich angemessen? Foto: Templermeister / pixelio.de
Rankings produzieren Gewinner – und Verlierer. Ist das im Bildungsbereich angemessen? Foto: Templermeister / pixelio.de

„Die Universitätsleitung und die Einrichtungen der Universität liefern grundsätzlich keine Daten und beteiligen sich nicht an Umfragen, die geeignet sind, deutsche und internationale Universitäten gegeneinander auszuspielen.“ Dies hat das Präsidium der Universität Hamburg jetzt beschlossen. Ausgenommen seien lediglich Anfragen, zu deren Beantwortung eine gesetzliche Vorschrift oder ein von der Uni anerkanntes öffentliches Interesse bestehe.

„Wie auch andere deutsche Universitäten erreichen die Universität Hamburg wöchentlich mehrere Anfragen mit der Bitte um Datenlieferungen aus dem Geschehen der Universität oder Meinungs- und Einstellungsumfragen zu universitären Sachverhalten. Die Flut dieser Anfragen hat ein Ausmaß erreicht, dass ihre ständige Beantwortung inzwischen den Kernauftrag von Verwaltung und Wissenschaft in der Universität erheblich beeinträchtigt und mit wachsenden Kostenaufwendungen für die Recherche und Aufbereitung verbunden ist“, heißt es zur Begründung. Darüber hinaus seien nahezu alle Anfragen von erheblichen methodischen Mängeln gekennzeichnet, „so dass deren Ergebnisse immer wieder zu teilweise erheblichen Verzerrungen von Darstellungen der Universität führen“. Dieses gelte insbesondere für Rankings, aber auch für Befragungen von Personal oder Studierenden.

„Es ist falsch, eine Reihenfolge festzulegen“

„Das wird bestimmt für eine Debatte sorgen“, sagte Andreas Keller von der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) gegenüber der „taz“. Die GEW lehne diese in Form einer „Bundesliga-Tabelle“ geführten Rankings im Bildungsbereich schon lange ab. „Es ist falsch, eine Reihenfolge festzulegen, nach dem Motto: Top oder Flop.“ Frank Ziegele, Geschäftsführer des (Rankings herausgebenden) Centrums für Hochschulentwicklung, wirft der Uni-Hamburg dagegen einen Rückfall in die 80er Jahre vor, als der Mythos geherrscht habe, alle Unis seien gleich, und man sich einer Bewertung von außen verweigerte. „Es ist verständlich, dass sich die Unis über eine Flut von Befragungen beschweren, aber die Uni-Hamburg schießt über das Ziel hinaus“, sagt er der „taz“. Indem sie jede Befragung ablehne, verweigere sie auch den „öffentlichen Anspruch auf Transparenz“.

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Der Lehrerverband Bildung und Erziehung (VBE) hatte sich bereits im Januar gemeinsam mit dem Schweizer Verband LCH und dem österreichischen Verband GÖD in einer „Zürcher Erklärung zu Schulleistungstests“ gegen Rankings von Schulen ausgesprochen. „In Deutschland, in Österreich und in der Schweiz werden zurzeit obligatorische Schulleistungstests geplant oder sie sind bereits realisiert“, heißt es darin. Offiziell würden sie als Tests zur individuellen Förderung und für die schulinterne Qualitätsentwicklung angepriesen. In Wirklichkeit aber würden diese Schulleistungstests zu einem  Schulranking und möglicherweise gar zu einem Klassenranking führen. „Mit dem immer rigoroser durchgesetzten Öffentlichkeitsprinzip für staatliche Daten lässt sich trotz anderslautender Regelungen ein Schulranking wahrscheinlich nicht vermeiden. Fachleute meinen, dass im besten Fall noch etwas Zeit gewonnen werden kann, bis die ersten Daten auf verschiedenen Ebenen  herausgegeben werden.“

„Was können Schulen dafür?“

Und das wollen die Lehrerverbände nicht hinnehmen: „Schulrankings, insbesondere ohne Kenntlichmachung sozioökonomischer Indizes, führen zu einem sinnlosen Wettbewerb.“ Sie fragen: „Was können Schulen dafür, wenn sie in sozial benachteiligten Stadtteilen oder ökonomisch schwachen Landesgegenden liegen? Wie sollen Lehrpersonen zur Inklusion und Integration motiviert werden, wenn sie nachher mit durchschnittlich schlechteren Klassenleistungen öffentlich abgestraft werden?“ Die drei Verbände fordern daher, Leistungstests in Schulen mittels Stichproben und unterschiedlichen Zeitpunkten so einzusetzen, dass Schulrankings gar nicht möglich sind. Denn: „Lehrerinnen und Lehrer müssen heute komplexe und anspruchsvolle Bildungsaufgaben bewältigen. Sie brauchen endlich die dafür nötigen Instrumente und Rahmenbedingungen zur individuellen Förderung und keine Rankings.“

Auch von Wissenschaftlern wird der Widerstand gegen Rankings immer größer. Unlängst veröffentlichten 250 Professoren der Betriebswirtschaftslehre einen offenen Brief an das „Handelsblatt“, in dem sie begründen, warum sie die Mitwirkung an einem Ranking des Blattes ablehnen. Die Zeitung kürt regelmäßig die „besten 250 deutschsprachigen Betriebswirte nach den Forschungsergebnissen ihres Lebenswerkes“, die „100 Besten nach den Forschungsergebnissen der letzten 5 Jahre“ und die „100 Besten unter 40 Jahren“. Was zeichnet aber die Besten aus? Ermittelt werden die Ranglisten auf der Basis der in Zeitschriften veröffentlichten Aufsätze. Buchveröffentlichungen werden nicht berücksichtigt. Und diese Kriterien sind den Professoren zu eng: „Rankings des Forschungsoutputs, besonders solche, die eine Öffentlichkeitswirkung entfalten, führen indirekt zu einer Abwertung von Tätigkeiten außerhalb der Forschung“, so schreiben sie. Und dazu gehöre nichts Geringeres als die Kernaufgabe von Dozenten – die Lehre. ANDREJ PRIBOSCHEK

Zum Bericht: „Streit um Studie: Bieten die Schulen wirklich keine Gerechtigkeit“?

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