Studie: Bio-Lebensmittel sind nur ein bisschen gesünder

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STANFORD/BERLIN. Bio-Nahrungsmittel sind gesünder, glauben viele Menschen. Aber ist das wirklich so? Eine große Studie kommt zu einem ernüchternden Ergebnis. Doch die Umwelt profitiert allemal.

Bio-Lebensmittel sind nach einer neuen Studie nur wenig gesünder als konventionelles Essen. Die Forscher fanden keinen deutlichen Nachweis, dass biologische Lebensmittel nährstoffreicher sind oder ein geringeres Gesundheitsrisiko bergen. Zu diesem Ergebnis kommt eine umfangreiche Meta-Analyse der Universität Stanford, die im Fachblatt «Annals of Internal Medicine» erschienen ist. Bio-Essen verringert nach Erkenntnissen der US-Forscher aber das Risiko, Pflanzenschutzmittel zu sich zu nehmen. Agrarforscher und Bio-Verbände betonen den Nutzen der biologischen Landwirtschaft für Gewässer, Böden, Klima und Artenvielfalt.

Ob Bio-Tomaten oder konventionelle Tomaten spielt für die Gesundheit nur eine untergeordnete Rolle. Petra Bork/pixelio.de
Ob Bio-Tomaten oder konventionelle Tomaten spielt für die Gesundheit nur eine untergeordnete Rolle. Petra Bork/pixelio.de

Deutsche Experten reagierten mit Skepsis auf die Studie. «Wenn Sie zwei Gläser Milch haben, und den Verbraucher fragen: Welche Milch wollen Sie trinken, die konventionell erzeugte oder die Biomilch mit 100 mal weniger Rückständen von Pflanzenschutzmitteln – dann klärt sich vieles», sagte etwa der Agrarexperte des Naturschutzbundes Nabu, Matthias Strobl. Auch andere Experten äußerten Zweifel an Definition und Methodik der US-Analyse. Sie verwiesen zudem auf fehlende Untersuchungen zu Langzeitfolgen.

Für die Stanford-Studie sichteten Wissenschaftler um Dena M. Bravata tausende Untersuchungen und wählten davon 223 aus, die entweder den Nährstoffgehalt oder die Belastung mit Bakterien, Pilzen oder Pestiziden verglichen. 17 Studien – darunter sechs randomisierte klinische Versuche – betrachteten außerdem Gruppen, die sich biologisch oder herkömmlich ernährten. Eine Langzeitstudie, die sich mit den gesundheitlichen Auswirkungen der Ernährungsweisen beschäftigt, war aber nicht darunter. Die Untersuchungszeiträume betrugen zwei Tage bis zwei Jahre.

Die Ergebnisse zeigten keinen wirklichen Gesundheitsvorteil für die Bio-Lebensmittel: Der Vitamingehalt unterschied sich den Forschern zufolge kaum, Fette und Proteine waren ähnlich verteilt. Krankheitserreger kamen in keiner der beiden Gruppen häufiger vor. Auch besonders gesunde Bio-Früchte oder Bio-Gemüse konnten die Wissenschaftler nicht ausmachen. «Wir waren ein bisschen erstaunt, dass wir nichts gefunden haben», meinte Co-Autorin Crystal Smith-Spangler laut einer Mitteilung der Universität Stanford.

Allerdings waren die Bio-Lebensmittel seltener mit Pestiziden kontaminiert – auch wenn sie nicht zu 100 Prozent frei davon waren. Zwei Studien etwa wiesen im Urin von Kindern, die sich biologisch ernährten, geringere Rückstände von Schädlingsbekämpfungsmitteln nach. Auch scheint es, als würden Bio-Hühner und -Schweine weniger Antibiotika-resistente Bakterien aufweisen, doch ist die klinische Bedeutung dieser Befunde laut den Forschern unklar.

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Der Umweltschutzorganisation Greenpeace liegen ähnliche Ergebnisse vor. «Konventionelles Obst ist nicht weniger gesund für den menschlichen Organismus als Bio-Obst und -Gemüse», meinte Christiane Huxdorff, die bei Greenpeace für nachhaltige Landwirtschaft zuständig ist. «Wir sagen nie, dass Bio gesünder ist.» Sie betonte allerdings, dass beim biologischen Anbau auf Pestizide verzichtet werde. Dies könne sich positiv auf Mensch und Umwelt auswirken. «Biologische Lebensmittel sind in der Regel frei von Pestizid-Rückständen, es kann aber mal sein, dass Spuren gefunden werden.»

Die Studie sei «nicht überraschend», kommentierte Agrarforscher Urs Niggli vom wissenschaftlichen Beirat des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Wenn konventionelle Lebensmittel lebensverkürzend wären, müssten sie schließlich vom Markt genommen werden. Allerdings gebe es noch keine Studie über die kombinierten Effekte von Rückständen, die am zulässigen Limit liegen. «Im Apfelanbau etwa werden mehrere Fungizide, Insektizide und Herbizide verwendet, außerdem Phytohormone, um die Früchte auszudünnen. Die Auswirkungen dieser Chemikalien werden nie summiert.»

Niggli betonte zudem die «unglaublich positive Wirkung» von ökologischer Landwirtschaft auf die Biodiversität. «Auf dem Land von Biobetrieben herrscht eine viel größere Artenvielfalt – von den kleinsten Mikroorganismen bis hin zu den Vögeln», sagte der Direktor des Forschungsinstituts für Ökologischen Landbau im Schweizerischen Frick. Auch werde das Grundwasser viel weniger belastet – nicht umsonst wollten Wasserwerke, dass in ihrem Einzugsgebiet die Flächen ökologisch bewirtschaftet werden. «Mit Bio kauft man sich immer ein Paket an positiven Eigenschaften.»

Das finden auch die Produzenten der Bio-Lebensmittel, die im vergangenen Jahr bereits 6,1 Prozent der Agrarfläche in Deutschland bewirtschafteten – Tendenz steigend. «Die Gesundheit ist nicht unser Hauptkampffeld», sagte Gerald Wehde, Sprecher des Anbauverbands Bioland. Kernziel der Öko-Landwirtschaft sei es vielmehr, die Umwelt zu erhalten. «Gewässerschutz, Klimaschutz, Artenschutz, Bodenqualität – da erbringen wir eine große ökologische Leistung.» Doreen Fiedler/dpa

(3.9.2012, aktualisiert am 4.9.)

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