Konfrontation an der Odenwaldschule: Treffen zum Missbrauch ohne Ergebnis

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HEPPENHEIM. Auch zweieinhalb Jahre nach dem erneuten Bekanntwerden des Missbrauchs an der Odenwaldschule stehen sich Opfer und Internat noch unversöhnlich gegenüber. Beim ersten großen runden Tisch mit Vertretern von Schule, Politik und Opfern kam keine konkrete Vereinbarung zustande.

Immer wieder hatte es in der Vergangenheit Kritik daran gegeben, wie die Schule mit dem Missbrauch durch pädophile Lehrer umgegangen war. Die renommierte Schule versprach, mehr für die Aufarbeitung zu tun. «Wir werden miteinander kommunizieren», sagte der Landtagsabgeordnete Marcus Bocklet (Grüne), der die mehrstündige Veranstaltung leitete.

Ansonsten wurden im südhessischen Heppenheim bekannte Vorwürfe und Verteidigungen wiederholt. «Ich schäme mich für die Schule», sagte Michael Frenzel. Er war früher Vorsitzender des Vorstands, galt als engagierter Reformer, warf aber nach kurzer Zeit zusammen mit dem Vorstand Johannes von Dohnanyi wieder hin.

Ausgegangen wird inzwischen von mehr als 130 Opfern. Erste Fälle waren Ende der 1990er Jahre bekanntgeworden, aber wieder untergegangen. 2010 kam der viele Jahrzehnte zurückliegende Missbrauch wieder hoch – und blieb dann Thema. Die kommissarische Schulleiterin Katrin Höhmann vertrat die Ansicht, das Internat habe nach dem Bekanntwerden der Taten seine Struktur gründlich verändert und ein Vier-Augen-Prinzip eingeführt, um Übergriffe zu verhindern.

Auslöser für das Treffen war eine Petition an den hessischen Landtag. Eingereicht wurde sie von der ehemaligen Schülerin Stefanie Michael. «Die Schule hat getan, als ob nichts gewesen wäre», sagte Michael zum Auftakt des Treffens. Der Landtagsabgeordnete Bocklet vertritt die Petition. Zu dem Gespräch kamen mehr als 20 Teilnehmer, begleitet von zahlreichen Schülern.

Vertreter von Missbrauchten machten die Schule dafür verantwortlich, dass es noch immer keinen umfassenden Bericht gebe. Es sei nicht akzeptabel, sich hinter häufigem personellen Wechsel zu verstecken. Besonders betroffen zeigte sich auch Michael davon, dass das erste Bekanntwerden der Fälle folgenlos blieb. Die Schule hielt an ihrer Darstellung fest, für die Aufklärung sei genug getan worden. Die Stiftung «Brücken bauen», verantwortlich für die Entschädigung von Opfern, teilte mit, bis zum 24. September 2012 seien insgesamt 274 000 Euro ausgezahlt worden.

Der Vorsitzende des Opfer-Vereins «Glasbrechen», Adrian Koerfer, äußerte vor Beginn der Sitzung die Hoffnung, das Treffen könnte der Aufarbeitung des Missbrauchs entscheidende Impulse geben. «Bei uns melden sich bis heute Opfer, kürzlich war es ein 90-Jähriger.» Während des Treffens äußerte er große Unzufriedenheit: «Wir werden hingehalten von einem Treffen zum anderen.»

Zum Hintergrund: „Neuanfang? Missbrauchsopfer und Schulvertreter treffen sich an der Odenwaldschule“

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Angelika Oetken
11 Jahre zuvor

2010 kam der viele Jahrzehnte zurückliegende Missbrauch wieder hoch – und blieb dann Thema.
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Wer sagt denn, dass der gewohnheitsmäßige Missbrauch an dieser Schule Vergangenheit ist?
Dass sich vor gut zwei Jahren die SchülerInnen geoutet haben, die in den 60er – 80er Jahren missbraucht wurden, hat v.a. damit zu tun, dass Betroffene sich meist erst in der Lebensmitte entschließen, der Umgebung mitzuteilen, was mit ihnen passiert ist. Oder dass verdrängte Erinnerungen anlässlich besonderer Lebensereignisse hochgespült werden.

Die OSO wird schon ihre Gründe haben, effektive Aufklärung und Aufarbeitung derart zu behindern.

Wenn ich mir die Liste der „Ehemaligen“ und „Förderer“ angucke, wird mir anders.

Das sind so Momente, wo ich mich für dieses Land schäme.

Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, Betroffene sexualisierter Misshandlung in der Kindheit