Schlechte Akustik im Klassenraum lässt den Lärmpegel steigen

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MÜNCHEN. In herkömmlichen Unterrichtsräumen herrscht in der Regel ein Lärmpegel zwischen 65 und 95 Dezibel (db). Zum Vergleich: Ein Rasenmäher verursacht einen Krach von 75 db. Experten sehen einen Zusammenhang von schlechter Akustik in vielen Schulgebäuden und zu viel Lärm. Ein Forum in München soll jetzt klären, inwieweit die Kommunikation im Klassenraum durch bauliche Maßnahmen verbessert werden kann.

Störlärm und Halligkeit beeinträchtigt Kinder zwar stärker als Erwachsene, da sie über weniger sprachliches Vorwissen verfügen - aber auch Lehrer leiden. Foto: Travis Isaacs / Flickr (CC BY 2.0)
Störlärm und Halligkeit beeinträchtigt Kinder zwar stärker als Erwachsene, da sie über weniger sprachliches Vorwissen verfügen – aber auch Lehrer leiden. Foto: Travis Isaacs / Flickr (CC BY 2.0)

„Das Thema Raumakustik in Schulen hat in den letzten Jahren massiv an Bedeutung gewonnen: Neue Unterrichts- und Lernformen wie Gruppenarbeiten und offener Unterricht brauchen darauf ausgerichtete Klassenzimmer“, meinen die Initiatoren des Forums „Sound Education“ am 19. November, bei dem namhafte Wissenschaftler wie der Grundschuldidaktiker Prof. Joachim Kahlert von der Uni München ihre Erkenntnisse zum Thema vorstellen wollen. Hinter der Veranstaltung steckt das Unternehmen Ecophon, ein Hersteller von Akustikdecken und Wandabsorbern. „Schlechte Akustik wirkt sich negativ auf den Fremdsprachenerwerb aus und macht sogar Kindern, deren Gehör zum Beispiel durch eine simple Erkältung schlechter ist, das Zuhören schwerer. Zusätzlich stellt die Inklusion von Hörgeschädigten und Nicht-Muttersprachlern die Akustik in Schulen vor neue Herausforderungen“, heißt es.

Tatsächlich stützen Studien den Befund. „Wenn Sie in der Schule schlechte Raumakustik-Verhältnisse haben, nützt auch ein gutes pädagogisches Konzept nichts“, sagt Gerhard Tiesler vom Institut für interdisziplinäre Schulforschung der Universität Bremen in einem Beitrag für 3Sat. „Es wird leiser, aber nicht so leise, wie es sein könnte.“ Die Forscher erklären das Problem vor allem mit den langen Nachhallzeiten bis zu einer Sekunde, die in vielen Klassenzimmern vorherrschen. „Vor allem die vielen Jahrhundertwende-Schulen sind betroffen.“ Dort verdeckten die abklingenden Silben jedes nachfolgende Wort, was Lehrer und Schüler mit lauterem Sprechen vergebens zu kompensieren versuchten. Dies setze einen Teufelskreis in Gang, bei dem es in den Klassenzimmern immer lauter werde.

Lärmprobleme in der Klasse werden tabuisiert

Lärm sei als Belastungsfaktor in der Schule ein häufig verkanntes Problem, meint der Bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverband (BLLV). Es werde oft tabuisiert und belächelt. „Kolleginnen und ­Kollegen müssen fürchten, dass man ihr Klagen über Lärm als persönliches Versagen verunglimpft oder als pädagogische Schwäche bagatellisiert. Das ist aber falsch“, heißt es in einem Bericht auf der Homepage des BLLV. Geräusche seien in einem Klassenzimmer nun mal nicht zu verhindern, dies treffe besonders auf die Unterrichtsphasen mit Gruppen- und Projektarbeit zu. Es müsse darum gehen, alle Lärm verstärkenden Elemente zu verringern, um das Verstehen des gesprochenen ­Wortes in einem Klassenzimmer zu verbessern. „Eine besondere Rolle spielt hierbei innerhalb eines Raumes der Nachhall. In der Regel ist er deutlich zu hoch. Hohe Nachhallzeiten beeinträchtigen insbesondere bei Hintergrundgeräuschen nachhaltig das Verstehen und die Konzentrationsfähigkeit von Schülern und Lehrern.“

Der BLLV hat Kriterien aufgelistet, die auf eine schlechte Raumakustik hinweisen, etwa wenn …

  • … es auch in ruhigen oder disziplinierten Phasen einen ständigen Hintergrundgeräuschpegel gibt.
  • … der Lehrer das Gefühl hat, die Klasse eigentlich nie wirklich ruhig zu bekommen.
  • … der Lehrer das Gefühl hat, dass die Schüler permanent unruhigen Störlärm verursachen  (Scharren oder Schaben mit den Füßen, Klappern mit Gegenständen, Knarzendes Mobiliar).
  • … beim Zerplatzen eines Luftballons (ca. 2 m Abstand!) ein Nachhall zu hören ist.
  • … es beim Sprechen „zischelt“ oder „dröhnt“.
  • … es im Unterrichtsgespräch immer wieder zu Missverständnissen kommt.
  • … der Lehrer insbesondere weiter hinten sitzende Schüler schlecht versteht.
  • … der Lehrer oft die Stimme überanstrengt (Räuspern, Hüsteln, Heiserkeit).

„Nach Umfragen gilt Lärm in der Schule bei Lehrkräften als Belastungsfaktor Nummer eins. Es ist nicht nur der Lärm im Klassenzimmer, häufig wird auch der Lärmpegel in den Pausen und zwischen den Stunden als äußerst belastend empfunden“, heißt es in dem Bericht. Andererseits, so berichtet der BLLV: „Lehrer und Schüler, deren Klassenräume unter akustisch-ergonomischen Aspekten renoviert wurden, berichten alle von einer erheblichen Verbesserung des Klassenklimas und des Lernerfolgs.“

Das Forum richtet sich Eltern, Lehrkräfte, Schulleitungen, Planer, Politiker und Studenten. Der Eintritt ist frei. Anmeldungen sind hier möglich.

Hier geht es zu einem Beitrag des Schweizer Fernsehens zum Thema „Raumakustik in Schulen“.

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