Eltern fordern: Legasthenie endlich bundesweit anerkennen

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BERLIN. Mal anerkannt, mal nicht: In den Bundesländern gestalten sich die Bedingungen für Schüler mit einer Legasthenie oder Dyskalkulie höchst unterschiedlich. Der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie (BVL) fordert endlich einheitliche schulrechtliche Rahmenbedingungen für die Betroffenen.

Etwa vier Prozent aller Schüler in Deutschland leiden unter Legasthenie. Foto: gumtau / Flickr (CC BY-NC-SA 2.0)
Etwa vier Prozent aller Schüler in Deutschland leiden unter Legasthenie. Foto: gumtau / Flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

„Länderübergreifende verbindliche Anforderungen für die allgemeine Hochschulreife wurden aktuell von der Kultusministerkonferenz (KMK) verabschiedet. Der Weg davor gestaltet sich allerdings weiterhin sehr länderspezifisch, da der Föderalismus deutliche Spuren hinterlassen hat. Schülerinnen und Schüler müssen sich, abhängig vom Wohnort ihrer Eltern, sehr unterschiedlichen Herausforderungen stellen“, meint der BVL in einer Erklärung

Insbesondere Schülerinnen und Schüler mit Lernbeeinträchtigen seien zum Teil extrem benachteiligt, wenn sie in einem Bundesland wohnen, wo es keine anforderungsgerechten schulrechtlichen Regelungen gibt, um vorliegende Nachteile auszugleichen. Der Umgang mit Beeinträchtigungen wie Legasthenie und Dyskalkulie ist in einigen Ländern gar nicht geregelt; in anderen nur bis zur Primarstufe und meistens nicht bis zum Abitur. Legasthenie und Dyskalkulie sind Störungsbilder, die bis ins Erwachsenenalter reichen und bedürfen über die gesamte Schulzeit, Ausbildung und im Studium einer Berücksichtigung.

„Wir begrüßen die von der KMK verabschiedeten länderübergreifenden Regelungen für das Abitur sehr. Wir sehen aber einen noch höheren Handlungsbedarf in der länderübergreifenden Gestaltung von Rahmenbedingungen, wie Kinder mit Lernbeeinträchtigungen frühzeitig diagnostiziert, individuell gefördert und ohne Benachteiligung ihren Schulabschluss erreichen können“, sagt Christine Sczygiel, Bundesvorsitzende des BVL. „Verbindliche länderübergreifende Nachteilsausgleiche, die die individuellen Benachteiligungen von Kindern ausgleichen, sind elementar, um Kinder zu gesunden Persönlichkeiten heranwachsen zu lassen. Je nachdem, in welchem Bundesland ein Kind mit einer Teilleistungsstörung wohnt, erreicht es in einem Land den Hauptschulabschluss und in einem anderen Land die Hochschulreife“, so Sczygiel.

Symptome oft vor der Einschulung erkennbar

Anzeichen für eine Lese-Rechtschreibstörung fallen bei Kindern oft schon vor der Einschulung auf. Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) hin.

Hinweise könnten zum Beispiel sein, wenn Kinder nur schlecht Reimwörter finden oder einzelne Laute nicht unterscheiden können. Außerdem können sie das, was sie hören, nur schwer im Gedächtnis behalten. Fallen diese Dinge auf, sollten Kinder laut DGKJP am besten schon im Kindergartenalter gefördert werden.

Erstmals diagnostiziert werden könne eine Lese-Rechtschreibstörung (Legasthenie) aber erst im Schulalter. Mit verminderter Intelligenz hat sie nichts zu tun. Betroffene Kinder lernen nur sehr schwer lesen, lassen Wörter aus oder ersetzen sie durch andere. Bei der Rechtschreibung machen sie oft noch bis ins Erwachsenenalter Fehler.

Kinder mit Legasthenie erleben in der Schule viele Misserfolge und fühlen sich dadurch schnell minderwertig. Eine frühzeitige Behandlung der Schwäche ist deshalb wichtig. Vollständig heilen lässt sich der DGKJP zufolge eine Legasthenie nicht. Die Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben lassen sich durch Hilfe eines Therapeuten aber in den Griff kriegen. Laut dem Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie sind in Deutschland etwa vier bis fünf Prozent aller Kinder von der Störung betroffen. News4teachers / mit Material von dpa
(30.10.2012)

Zum Bericht: „40 Prozent der Kinder mit Legasthenie und Dyskalkulie sind psychisch auffällig“

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Thomas Wilhelm
10 Jahre zuvor

Für das Saarland kann ich sagen, dass der „Legasthenie-Erlass“ (Richtlinien zur Förderung von SchülerInnen mit besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und/oder Rechtschreibens) und seine Möglichkeiten bei Weitem nicht allen (Fach-)Lehrern und Direktoren bekannt sind. Bereits hier besteht Nachholbedarf. Einheitliche schulrechtliche Bedingungen auf Bundesebene könnten vielleicht weiterhelfen, Ungewissheiten und Missverständnisse ausräumen.