Das Deutschland-Abitur kommt: KMK beschließt Standards

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HAMBURG. Ein bundesweites Zentralabitur wird es zwar – zunächst – nicht geben, künftig sollen die Abituraufgaben in den 16 Bundesländern aber gleich schwer sein. Die KMK beschloss Standards in Mathematik, Deutsch, Englisch und Französisch, die erstmals beim Abitur 2017 gelten sollen.

Ab 2017 wird für das Abitur in Deutschland ein einheitlicher Maßstab angelegt. Foto: wilhei55 / Flickr (CC BY 2.0)
Ab 2017 wird für das Abitur in Deutschland ein einheitlicher Maßstab angelegt. Foto: wilhei55 / Flickr (CC BY 2.0)

«Das ist ein großer Schritt für das deutsche Schulwesen», kommentierte der Präsident der Kultusministerkonferenz (KMK), Ties Rabe (SPD), den Beschluss.

Die Minister verwiesen darauf, ein Einheitsabitur wie etwa in Frankreich werde damit aber nicht angestrebt. Damit die Gymnasialabschlüsse aber noch besser miteinander verglichen werden können, steht den Ländern künftig ein Aufgaben-Pool zur Verfügung, aus dem sie sich für die Abiturprüfungen bedienen können – inklusive eines «Beipackzettels» (Rabe) für die Benotung. Zudem können Schüler dadurch leichter von einem Bundesland ins andere wechseln, wie Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) betonte: «Wir haben den Auftrag, zwei Grundrechte miteinander in Einklang zu bringen, nämlich Bildung und Mobilität.»

Die vom Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) erarbeiteten Bewertungskriterien beschreiben, was ein Schüler in den vier Kernfächern am Ende der gymnasialen Oberstufe können soll. In den Fremdsprachen soll der Fokus verstärkt auf das Sprechen und Hörverstehen gelegt werden, in Mathe soll die Stochastik (Wahrscheinlichkeitsrechnung) zentraler Bestandteil der Unterrichtsinhalte in der Oberstufe bleiben. Bis spätestens 2014 sollen die Kompetenzerwartungen für die Naturwissenschaften folgen.

Rabe: Anspruchsvoll, Althusmann: Wird nicht schwerer

Verwirrend sind allerdings die Auskünfte der Länderminister darüber, wie hoch denn der vereinbarte Standard, der von von Bremerhaven bis Dresden, von Flensburg bis Garmisch-Partenkirchen gelten soll, nun ist. Er sei recht anspruchsvoll, sagte KMK-Präsident Rabe mit Blick auf Befürchtungen, das Niveau werde dadurch nicht sinken. Der niedersächsische Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) erklärte hingegen: «Wichtig ist die Botschaft an die Eltern und Schüler, es wird dadurch nicht schwerer.» Der bayerische Kultusminister Spaenle wiederum präsentierte eine eigene Interpretation des Beschlusses: «Wir haben Standards beschlossen. Und Standard heißt Mindestanforderungen. Und Mindestanforderungen erfüllt Bayern immer», sagte er. Bayern werde sein bewährtes Abiturniveau beibehalten. Was denn nun, auf dem Niveau von Niedersachsen oder auf dem von Bayern?

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Die bundesweite Einführung der Bildungsstandards ist für das Schuljahr 2014/2015 geplant – im Frühjahr 2017 können dann die ersten Oberstufenschüler gleich schwere Abituraufgaben schreiben. Sechs Ländern – Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Bayern, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern – geht dies nicht schnell genug. Sie beginnen schon 2014 mit gemeinsamen Abiturprüfungskomponenten in den Fächern Mathematik, Deutsch und Englisch. «Auf den Zug werden mehrere aufspringen», sagte Mecklenburg-Vorpommerns Kultusminister Mathias Brodkorb (SPD).

Sachsens Kultusministerin Brunhild Kurth (parteilos) forderte bundesweit einheitliche Abitur-Standards auch in den Naturwissenschaften. Der Weg hin zu einer gemeinsamen Grundlage müsse aber auch bei den Naturwissenschaften eingeschlagen werden. Kurth: «Was wir bei den Standards für den Mittleren Abschluss bereits geschafft haben, muss nun bezogen auf das Abitur fortgesetzt werden.»

Der baden-württembergische Landesverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warnte davor, dass durch die Hintertür langfristig das Zentralabitur eingeführt wird. Ein GEW-Sprecher sagte, Ziel müsse es sein, die jungen Erwachsenen gemeinsam auf die Hochschulreife vorzubereiten. Die Standards könnten ihre mögliche positive Wirkung am ehesten in einem dezentralen Abitur entfalten.

Der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, machte hingegen darauf aufmerksam, dass es noch ein weiter Weg zu einer umfassenden Gleichwertigkeit der Abiturprüfungen in Deutschland sei: „Die Vereinbarung zu den Bildungsstandards in diesen vier Kernbereichen greift noch zu kurz, solange man in vielen Bundesländern diesen Fächern in der schriftlichen Abiturprüfung immer noch ausweichen kann, solange es Bundesländer mit einem Grund- und Leistungskurssystem gibt und welche ohne, solange auch weiterhin für die meisten Abiturprüfungsfächer keine Bildungsstandards existieren und solange sogar ein Bundesland nicht einmal über ein Landeszentralabitur verfügt.“

Er begrüße es deshalb, dass sich einige Bundesländer jetzt auf den Weg machten, jenseits der Vereinbarungen der Kultusministerkonferenz schneller zu mehr Vergleichbarkeit im Abitur zu kommen. Bibo / mit Material von dpa
(19.10.2012)

 

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pfiffikus
11 Jahre zuvor

… und in Deutsch sollte überprüft werden, ob die Abiturienten die Kulturtechniken Lesen und Schreiben auf einer Grundstufe beherrschen. Wir erinnern uns an die Klagen vieler Fakultäten über die haarsträubenden Defizite bei Erstsemestern in den Kompetenzbereichen
Rechtschreibung, Grammatik und Textverständnis.