Amokschütze von Memmingen: Motiv war Liebeskummer

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MEMMINGEN. Er hatte Liebeskummer, verschaffte sich Waffen seines Vaters und löste damit an seiner Schule Amokalarm aus. Acht Monate danach hat im bayerischen Memmingen der Prozess gegen den 15-Jährigen begonnen – streng abgeschirmt von der Öffentlichkeit.

Die Lindenschule in Memmingen ist eine Grund- und Hauptschule. Foto: TV Memmingen
Die Lindenschule in Memmingen ist eine Grund- und Hauptschule. Foto: TV Memmingen

Aus Liebeskummer soll der Amokschütze von Memmingen an seiner Schule für Angst und Schrecken gesorgt haben. Der 15-Jährige räumte vor dem Landgericht die Tat ein und beteuerte, er habe keine Tötungsabsichten gehabt. Seine Freundin habe am Tag zuvor Schluss gemacht, sagte der Gerichtssprecher Manfred Mürbe. «Er hat sich von ihr ungerecht behandelt gefühlt.» Der Schüler ist unter anderem wegen zwölffachen versuchten Totschlags angeklagt.

Am 22. Mai 2012 hatte der Jugendliche an der Memminger Lindenschule einen Schuss abgegeben und dadurch einen Amokalarm ausgelöst. Später schoss er mit scharfen Waffen seines Vaters auf einem Sportplatz mehrmals um sich. Die etwa 280 Schüler der Mittelschule flüchteten mit ihren Lehrern in die Klassenzimmer und verschanzten sich darin. Erst nach mehrstündigen Verhandlungen konnten Spezialkräfte den damals 14-Jährigen zur Aufgabe bewegen. Zuvor soll er teilweise gezielt in Richtung der Polizisten geschossen haben. Mehr als 70 Patronenhülsen waren sichergestellt worden. Verletzt wurde niemand.

Die Öffentlichkeit ist von dem Verfahren vor der Jugendkammer in Memmingen ausgeschlossen. Über den Prozessauftakt berichtete Justizsprecher Mürbe, der Junge habe bei seiner Aussage «gefasst, aber verschlossen» gewirkt. Er habe zugegeben, mit Waffen seine Schule betreten und später auch in Richtung Menschen und Autos geschossen zu haben. Nach eigenen Angaben habe er einen «totalen Blackout» gehabt. Warum er die Waffen mit in die Schule nahm, könne er sich heute nicht mehr erklären.

Blaue Trennwände versperrten am Morgen die Sicht zum Eingang in den Zeugenbereich. Irgendwo dahinter wartete der Angeklagte darauf, dass die Journalisten den Gerichtssaal verlassen. «Es ist schwierig für ihn und er ist froh, wenn der Tag vorbei ist», sagte seine Anwältin Anja Mack kurz vor Verhandlungsbeginn. Auch die Eltern des Jungen erschienen zum Prozess.

Im häuslichen Keller beim Schießen abreagiert

Der Angeklagte habe den Ablauf der Tat so geschildert, sagte Mürbe: «Die Freundin hat ihm vorgeworfen, dass er mit anderen Mädchen geflirtet hat.» Bereits am Abend vor der Tat war er daher erregt und aggressiv und reagierte sich im häuslichen Keller im Beisein seines Vaters beim Schießen mit Luftdruckwaffen ab. Als der Vater ihn zwischendurch alleine ließ, manipulierte er das Zahlenschloss des Tresors, in dem der Schlüssel für den Waffenraum gelagert war. Später verschaffte er sich dort zwei scharfe Pistolen, eine Luftdruckpistole, einen Dolch und Munition. Diese Waffen nahm er am nächsten Morgen mit in die Schule.

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Klassenkameraden fühlten sich von ihm ernsthaft bedroht. Als sie entdeckt hätten, dass der damals 14-Jährige Waffen bei sich trug, habe er gedroht, sie zu töten. «Wenn ihr jemandem sagt, dass ich Waffen dabei habe, muss ich euch auch umbringen», soll der Achtklässler gesagt haben. Zuvor habe er davon gesprochen, seine Freundin und Lehrer zu töten.

Nach seiner Festnahme war der Schüler zunächst in einer psychiatrischen Klinik untergebracht. Seit Herbst sitzt er in Untersuchungshaft. Ein Gutachter hat ihn für schuldfähig erklärt. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu zehn Jahre Jugendstrafe. Der Prozess wird an diesem Donnerstag (24. Januar) fortgesetzt. Während der Beweisaufnahme sollen vier Sachverständige und 54 Zeugen gehört werden – darunter einige Mitschüler des Angeklagten.

Zwischenfälle wie in Memmingen, wo ein Amoklauf angedeutet wurde, sind nach Angaben eines Experten häufiger zu beobachten. «Das ist ähnlich wie bei einem Suizid. Es gibt Fälle, wo die Betroffenen nur auf sich aufmerksam machen wollen und eine Selbsttötung gar nicht beabsichtigt ist», sagte der Direktor der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden, Rudolf Egg. «Der eigentliche Wunsch dieser Menschen ist, bewundert und geliebt zu werden.» Vielen sei auch die mediale Wirkung ihrer spektakulären Taten bewusst. «Sie wollen sich damit berühmt machen.» BIRGIT ELLINGER, dpa

(22.1.2013)

Zum Bericht: „Prozess um Amok-Alarm: 14-jährigem Schüler drohen zehn Jahre Haft“

 

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