Ohne den Doktortitel hätte Schavan keinen Studienabschluss mehr

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DÜSSELDORF. Fernab von Berlin trifft die Uni Düsseldorf eine schicksalhafte Entscheidung über Annette Schavan. Es geht um ihren Doktortitel – und damit auch um das politische Überleben der Bildungsministerin. Nebenbei geht es auch noch um ihren Studienabschluss.
Kämpft um ihr politisches Überleben: Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Foto: Jahr der Geisteswissenschaften / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)
Kämpft um ihr politisches Überleben: Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Foto: Jahr der Geisteswissenschaften / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)
Schicksalstag für Annette Schavan: Während die Bundesregierung in Berlin den 50. Jahrestag des Élysée-Vertrags zelebrierte, dürfte die Bundesbildungsministerin mit ihren Gedanken wohl eher in Düsseldorf gewesen sein.  Dort wird an einem unwirtlichen Ort über Schavans Doktortitel geurteilt. In einem geheim gehaltenen Uni-Gebäude – abgeschirmt vor Kameras und Journalisten – kam der Rat der Philosophischen Fakultät mit seinen 15 stimmberechtigten Mitgliedern zusammen. Das Gremium sollte entscheiden, ob gegen Schavan ein Verfahren zum Entzug ihres Doktortitels eröffnet wird. Ergebnis: Das Verfahren kommt.

Im April vergangenen Jahres tauchten im Internet anonyme Plagiatsvorwürfe gegen Schavan auf. Seitdem findet die Debatte um ihre 1980 in Düsseldorf eingereichte Dissertationsschrift zum Thema «Person und Gewissen» kein Ende. An 60 bis 70 Stellen der Arbeit wollen Plagiatsjäger nicht sauber ausgewiesene Quellen entdeckt oder Verstöße gegen wissenschaftliche Standards ausgemacht haben. Die Dissertation der damals 25-jährigen Studentin Schavan wurde mit der Note «magna cum laude» (sehr gut) bewertet. Die Promotion – und nicht etwa eine Magisterprüfung – war Schavans Studienabschluss. Würde ihr der Titel entzogen, stünde sie also komplett ohne akademischen Abschluss da.

Spätestens dann, wenn es tatsächlich zum Entzug ihres Doktortitels kommen sollte, wäre Schavan als Bildungs- und Forschungsministerin nicht mehr tragbar. Aber auch ein Verfahren zuvor kann sich sehr lange hinziehen. Einige, wie der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Bernhard Kempen, sagen bereits heute, dass selbst die Einleitung eines Entzugsverfahrens dem Amt des Bundesbildungsministers nicht gut tue – und Schavan über mögliche Konsequenzen nachdenken müsse. Ähnliche Stimmen gibt es auch aus der Koalition. Dort sorgt man sich allerdings mehr wegen des nahenden Bundestagswahlkampfes.

Ein Blick in den Terminkalender der Ministerin offenbart die Brisanz. Am Mittwoch – dem Tag nach der Entscheidung der Düsseldorfer Uni – steht für 16 Uhr ein Seminar der Honorarprofessorin Dr. Schavan in der FU Berlin auf dem Plan. Und am Abend ein Essen mit den Mitgliedern des Wissenschaftsrates – zusammen mit der Bundeskanzlerin.Doch nicht nur für Schavan, auch für die Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität könnte die Entscheidung folgenschwer werden. Die Uni steht unter einem immensen Druck in dem Prüfverfahren. Die Hochschule muss ihren Ruf verteidigen, seit eine interne Voruntersuchung des Chefs der Promotionskommission und Judaistik-Professors Stefan Rohrbacher in Medien lanciert wurde. Kritisiert wird auch die Länge des Verfahrens und dass bisher nur ein Gutachter die Arbeit geprüft hat. Auch die fachliche Eignung Rohrbachers, der kein Erziehungswissenschaftler ist, wurde in Zweifel gezogen. Die Universität hält mit einem Rechtsgutachten dagegen, das ihr bescheinigt, bei dem Prüfverfahren einwandfrei gearbeitet zu haben.
Kürzlich beim Neujahrsempfang der Universität sprach Rektor Michael Piper den Fall Schavan vor 700 Gästen öffentlich an. «Wir sind es uns und unseren 23 000 Studierenden schuldig, dass wir gegenüber einer ehemaligen Studentin, die heute Ministerin ist, keine anderen Maßstäbe anlegen als gegenüber jedem Einzelnen von Ihnen!».Die Debatte um Schavans Doktorarbeit spaltet inzwischen die Wissenschaft.  Als völlig ungewöhnlich gilt das Vorgehen der Allianz der Wissenschaftsorganisationen, die sich am Wochenende überraschend einmischten und deutliche Kritik am Vorgehen der Uni übten. In der Allianz arbeiten die großen Forschungsorganisationen zusammen, die Milliarden vom Bund erhalten, aber auch die Rektorenkonferenz und der Wissenschaftsrat.Die Stellungnahme wird von Außenstehenden als Parteinahme der Allianz pro Schavan verstanden. Der Berliner Jura-Prof Gerhard Dannemann verwies im Deutschlandfunk darauf, dass bislang noch keinem Beschuldigten in einem Plagiatsverfahren solch prominente und hochkarätige Unterstützung widerfahren sei wie Schavan. dpa
(22.1.2013)
Zum Bericht: „Schavan kämpft gegen Entzug des Doktor-Titels – und um ihr Amt“

 

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