Bloß nicht als Umfaller dastehen: Die FDP und die Studiengebühren

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MÜNCHEN. Und du nicht mehr weiterweißt, dann gründe einen Arbeitskreis. Auf die Politik übertragen heißt das: Frag‘ doch mal die Basis. Die bayerische FDP scheint den Spruch zu beherzigen – und delegiert die Entscheidung, ob die bayerische Landesregierung die Studiengebühren noch vor dem kommenden Volksentscheid abschaffen soll, an ihre Mitglieder. Parole: Geordneter Rückzug.

Die FDP möchte nicht gerne als Umfaller-Partei dastehen - und demonstriert deshalb im Studiengebühren-Streit Standfestigkeit. Logo: Wikimedia Commons
Die FDP möchte nicht gerne als Umfaller-Partei dastehen – und demonstriert deshalb im Studiengebühren-Streit Standfestigkeit. Logo: Wikimedia Commons

Es ist eine provokante Frage – und doch antwortet FDP-Fraktionschef Thomas Hacker mit stoischer Ruhe. Als ihn ein Reporter nach dem Spitzentreffen der schwarz-gelben Koalition zum Studiengebühren-Streit fragt, ob die FDP eine Umfaller-Partei sei, da sagt er zwei zentrale Sätze: «Die FDP steht zu klaren Überzeugungen, das haben wir immer deutlich gemacht in der Diskussion. Die FDP weiß aber auch um ihre Verantwortung in dieser Regierungskoalition für das Land, für die Menschen in diesem Land.» In diesen beiden Sätzen zeigt sich das Dilemma, in dem sich die bayerische FDP gerade befindet.

Da ist die große Mehrheit der bayerischen Bevölkerung, die die Studiengebühren abschaffen will. Bis zu drei Viertel sind es in Umfragen – der Ausgang des Volksentscheids, den die Wähler per Volksbegehren erzwungen haben, steht damit nach menschlichem Ermessen fest. Da ist ein schwarz-gelber Koalitionsvertrag, der Studiengebühren vorsieht. Da ist die CSU, die nach ihrem 180-Grad-Kursschwenk das möglichst rasche Aus für die Gebühren will – und zwar per Landtagsbeschluss, nicht erst beim Volksentscheid. Und da ist die Opposition, die die Gebühren sowieso abschaffen will und jedes Zögern und Zaudern der Koalition mit Kritik, Hohn und Spott begleitet.

Auf der anderen Seite aber versteht sich die FDP als standhafte, prinzipientreue Partei – im Gegensatz zur CSU von Ministerpräsident Horst Seehofer, wie FDP-Spitzenpolitiker immer wieder lästern. Was sich in wirtschafts- und ordnungspolitischen Fragen gezeigt hat, darauf hoffen viele in der FDP nun auch bei den Studiengebühren: dass der Wähler diese Standhaftigkeit honoriert. Und zwar vor allem an der Wahlurne, bei der Landtagswahl. Da geht es bei der FDP um alles oder nichts. Die Fünf-Prozent-Hürde überspringen – das ist das Hauptziel.

Und das ist die Schwierigkeit: Einerseits will die FDP mit ihrer Standfestigkeit punkten – andererseits aber steht sie nunmehr allein auf weiter Flur -, wissend, dass die Studiengebühren so oder so bald Geschichte sind. Denn sollte es zum Volksentscheid kommen, was die CSU nicht zulassen will, dann sind die Gebühren weg. Und im Landtag ist sowieso die überwältigende Mehrheit für die Abschaffung. Es gibt wohl genügend CSU-Abgeordnete, die in jedem Fall für das Aus der Gebühren stimmen wollen – auch wenn die Koalition sich nicht einigt. Das wäre dann der Bruch des Regierungsbündnisses wenige Monate vor der Wahl. Ob das der FDP dann helfen würde? Diese Frage stellen sich auch viele Liberale – und beantworten sie mit Nein.

Auch Hacker sagt ja, die FDP wisse um ihre Verantwortung «in dieser Regierungskoalition für das Land». Und die Bekundungen von CSU und FDP, sich zu einigen, sind unzweifelhaft und unmissverständlich.

Weite Teile der FDP sehen also mittlerweile, dass es aller Voraussicht nach nicht zu einem Volksentscheid kommen wird. Also geht es in den Verhandlungen nun darum, erhobenen Hauptes einzulenken und dabei möglichst viel für die FDP herauszuschlagen. Will heißen: Es sollen nicht nur die wegfallenden Studiengebühren kompensiert werden, sondern es soll auch zusätzliches Geld vor allem für die frühkindliche Bildung geben. Doch auch wenn die Aussichten darauf angesichts möglicher Haushaltsüberschüsse von einer halben Milliarde Euro in diesem Jahr nicht schlecht sind: FDP – und CSU – legen Wert darauf, dass das Ganze auch dauerhaft finanzierbar ist.

Deshalb wird kommende Woche mit Finanzminister Markus Söder (CSU) und den Haushaltsexperten der beiden Fraktionen weiterverhandelt. Haushaltskonsolidierung und Schuldentilgung – beides dürfe nicht gefährdet werden, argumentieren beide Partner unisono.

Bei der FDP läuft also die Mission geordneter Rückzug. Geordnet vor allem auch deshalb, weil die eigene – und durchaus selbstbewusste – Parteibasis den Weg sonst nicht mitgehen würde. Deshalb müsse das alles sehr gut und transparent erklärt werden, heißt es in der FDP-Spitze. Denn: Anfang März lädt die FDP zu einem Landesparteitag. Und der wird jede mögliche Kompromisslinie, jedes Abrücken vom Koalitionsvertrag – in dem die Gebühren stehen – absegnen müssen. dpa
(15.2.2013)

Zum Bericht: „Von der Abschaffung der Studiengebühren profitieren vor allem die Reichen“

 

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