Streit ums Schulessen: Wer bezahlt für mehr Qualität?

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BERLIN. Tiefgefrorene Erdbeeren aus China hatten im vergangenen Herbst eine Brechdurchfall-Welle in Ostdeutschland ausgelöst. Berlin zieht jetzt erste Konsequenzen – die richtigen? Ein Grundsatzstreit um das Schulessen ist entbrannt.

Wochenlang wurde nach der Ursache gesucht, dann wurde klar: Tiefkühl-Erdbeeren auch China hatten die Brechdurchfall-Welle in Ostdeutschland ausgelöst. Foto. Mehak Hamid / flickr (CC BY 2.0)
Wochenlang wurde nach der Ursache gesucht, dann wurde klar: Tiefkühl-Erdbeeren auch China hatten die Brechdurchfall-Welle in Ostdeutschland ausgelöst. Foto. Mehak Hamid / flickr (CC BY 2.0)

In einer Sache sind sich Eltern, Politiker und Zulieferer einig: Das deutsche Schulessen soll besser werden. Aber wer soll das bezahlen? In Berlin hat der rot-schwarze Senat jetzt ein neues Konzept beschlossen. Ein Mittagessen soll ab Februar 2014 demnach 3,25 Euro statt bislang 1,98 kosten. Auch die Eltern müssen tiefer in die Tasche greifen: Ihre Kosten steigen von 23 auf 37 Euro im Monat. Ein Promi-Koch macht einen anderen Vorschlag. Doch ist der tatsächlich umsetzbar?

TV-Koch Johann Lafer eröffnete im November im rheinland-pfälzischen Bad Kreuznach seine erste Schulmensa und sieht das Problem in der Steuer. «Wie kann es sein, dass wir für Hundefutter und zuckerhaltige Getränke 7 Prozent Mehrwertsteuer bezahlen – hingegen für Schulessen von 4 Euro brutto 19 Prozent Mehrwertsteuer abgeführt werden müssen», meint Lafer.

Erst im vergangenen Herbst hatte Schulessen für einen Skandal gesorgt. Tiefgekühlte Erdbeeren aus China, die mit Noroviren verseucht waren, ließen fast 11 000 Kinder in Ostdeutschland erkranken. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) war das der größte durch Lebensmittel verursachte Ausbruch einer Magen-Darm-Krankheit, den es je in Deutschland gegeben hat.
Die Europäische Union zieht erste Konsequenzen und plant schärfere Einfuhrkontrollen für Erdbeeren aus China. Und die Diskussion um besseres Schulessen läuft weiter. Der Vorstoß des Berliner Senats stößt aber nicht überall auf Gegenliebe.

Der Landeselternausschuss findet die Erhöhung zu teuer für einige Familien. «Wir haben die Befürchtung, dass Eltern ihre Kinder dann aus verschiedentlichen Gründen vom Essen abmelden», sagt Erika Takano-Forck von der AG Schulessen. Stattdessen hätte der Ausschuss eine Staffelung nach Einkommen der Eltern befürwortet. «Wir finden das ganz wichtig, dass so etwas geprüft wird.» Diese Ansicht teilen auch die Berliner Grünen.

Studie: Gutes Schulessen muss mindestens 3,25 Euro kosten

Der Plan für höhere Preise beruht auf einer Studie, die Senatorin Sandra Scheeres (SPD) im vergangenen Sommer vorgestellt hatte. Sie hatte ergeben, dass ein gutes Mittagessen 3,25 Euro kosten müsste. Der Sprecher des Caterers Sodexo aus Rüsselsheim, Stephan Dürholt, meint, es sei nahezu unmöglich, hochwertiges Essen für 2,10 Euro pro Mahlzeit anzubieten. Auch sei dort das Preis-Maximum bei einigen Kunden schon erreicht.

Wenn mehr Geld bezahlt würde, könne man beispielsweise die Bioanteile erhöhen, mehr Gemüse reichen oder ein Salatbuffet aufbauen, sagt der Sodexo-Sprecher. Außerdem gebe es zwei unterschiedliche Methoden, das Essen an die Kinder zu bringen: «Zum einen gibt es die Warmanlieferung. Teurer ist es, das Essen vor Ort zu erwärmen. Das schont aber Vitamine und Nährstoffe.»

Sodexo hatte die verseuchten Erdbeeren an Schulen und Kitas geliefert, das Image des Unternehmens litt enorm unter dem Lebensmittelskandal. Doch ein Verfahren der Staatsanwaltschaft Darmstadt wurde eingestellt. «Es ist kein Verschulden der Firmenzentrale ersichtlich», lautete damals die Begründung des Oberstaatsanwalts Klaus Reinhardt.
Sodexo hätte die Erdbeeren nicht in China geordert, sondern bei einem deutschen Unternehmen für Tiefkühlkost gekauft, sagt Dürholt. «Wir wussten nicht, dass die aus China kommen.» Die Kooperation sei mittlerweile beendet worden. «Wir haben gelernt, dass wir uns nicht darauf verlassen können, nur die Lieferanten zu prüfen. In Zukunft wollen wir näher an die Hersteller heran gehen.»

Näher dran – das ist auch das Motto von Johann Lafer. Das Essen soll am besten direkt «vom Acker auf den Tisch» kommen. In seiner Mensa sollen frische, saisonale und regionale Lebensmittel angeboten werden. Seine Idee, die Mehrwertsteuer auf Schulessen zu senken, ist allerdings aus Sicht des Bundesfinanzministeriums nicht so einfach umzusetzen.

Wenn die Schule das Essen von externen Caterern liefern und ausgeben lässt und nicht selber kocht, fallen 19 Prozent Mehrwertsteuer an. «Jedenfalls der Dienstleistungsteil unterliegt dem normalen Steuersatz – das ist europarechtlich geregelt», sagt eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums. Doch jetzt solle es dazu neue Regeln geben. Künftig könnten Lebensmittel und Caterer-Service getrennt angesehen werden – dann müssten zumindest die Ausgaben für die Lebensmittel nur noch mit sieben Prozent besteuert werden. SOPHIA WEIMER; dpa

(10.2.2013)

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sofawolf
11 Jahre zuvor

Den Kindern besseres Essen bieten zu können, finde ich eine gute Maßnahme. Dieses Essen dann nur mit der reduzierten Mehrwertsteuer zu belegen oder grundsätzlich Schulessen zu bezuschussen (subventionieren) finde ich mal eine gute Investition der Gemeinschaft in die Bereiche Kinder/Kindererziehung/Bildung. Statt einfach nur Geld auszuschütten und keiner weiß, was damit wirklich geschieht!