Wegweisend? Unternehmen gründen Schulen – mit viel Geld

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ALBSTADT. Ein neuer Trend in der Bildungslandschaft? Nachdem VW eine Privatschule in Wolfsburg initiiert hat, gründet nun der baden-württembergische Maschinenbauer Groz-Beckert eine auf der Schwäbischen Alb. Beiden Modellen ist gemeinsam: Mit kleinen Klassen und einem Schwerpunkt auf Technik und Naturwissenschaften setzen sich die Neugründungen vom staatlichen System ab.

VW galt als erste DAX-Konzern, der eine allgemeinbildende Schule stiftete - ein Modell mit Vorbildcharakter? Foto: High Contrast / Wikimedia Commons (CC BY 3.0 DE)
VW galt als erste DAX-Konzern, der eine allgemeinbildende Schule stiftete – ein Modell mit Vorbildcharakter? Foto: High Contrast / Wikimedia Commons (CC BY 3.0 DE)

Es gilt als ein landesweit einmaliger Vorstoß im Kampf gegen den Fachkräftemangel: Mit einer eigenen Privatschule will die Firma Groz-Beckert im baden-württembergischen Albstadt (Zollernalbkreis) ihren Mitarbeitern helfen, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Und vielleicht werden an der Schule direkt am Firmengelände sogar die Ingenieure von morgen ausgebildet. Denn neben Mathe, Deutsch und Englisch sollen die bis zu 100 Schüler von Anfang an viel über Naturwissenschaften und Technik lernen. Die Grundschule und eine angeschlossene Kita lässt sich das Unternehmen einige Millionen kosten. Doch langfristig soll sich die Investition auszahlen.

Die Ansprüche sind hochgesteckt: Die Groz-Beckert-Schule will manches besser manchen als die staatlichen Schulen. Dafür müsse man eine moderne Pädagogik gar nicht erst erfinden, sondern nur anwenden, sagt Anke Klein von der Klett-Gruppe in Stuttgart, die die Schule im Auftrag von Groz-Beckert ab September betreiben wird.

Dabei hilft nicht zuletzt die Finanzkraft des 7.500 Mitarbeiter großen Unternehmens, das Maschinen für die Textilindustrie produziert. In der Privatschule werden sich drei Pädagogen um eine Klasse kümmern, sagt Klein. Die Kinder haben sechs Schulstunden mehr pro Woche als an staatlichen Schulen. Jeden Morgen werde als erstes Mathematik und Deutsch unterrichtet. Der Englisch-Lehrer ist Muttersprachler.

Schon früh Interesse an Technik wecken

Regelmäßig sollen ganze Tage für den Unterricht in Naturwissenschaften und Technik genutzt werden. «Wir haben einen Werkraum, einen Forscherraum, ein Atelier, eine Kinderküche, einen Medienraum, einen Theaterraum, einen Musikraum. Dass man da anders arbeiten kann, das ist selbstredend», sagt Klein. Es gehe aber trotz des technischen Schwerpunkts nicht darum, schon in der Grundschulzeit gezielt die zukünftigen Ingenieure auszubilden, betont Ausbildungsleiter Nicolai Wiedmann. «Aber vielleicht wird dadurch schon früh das Interesse der Kinder an einer technischen Tätigkeit geweckt.» Das könnte Groz-Beckert in einigen Jahrzehnten bei der Suche von Nachwuchskräften zugutekommen.

Im Moment sind es aber erstmal die Eltern, die Groz-Beckert mit der umfassenden Kinderbetreuung ans Unternehmen binden will. Für sie kommt das Angebot durch den Zuschuss des Unternehmens verglichen mit anderen Privatschulen noch günstig. 70 bis 195 Euro Schulgeld müssen sie je nach Einkommen zahlen, hinzukommen Gebühren für die Ganztagesbetreuung und das Mittagessen.

Im Wettbewerb um Fachkräfte ist die Privatschule für Groz-Beckert ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Vergleichbare Projekte von Unternehmen gibt es nach Einschätzung von Experten landesweit keine. Zwar hat auch die Familie von «Schraubenkönig» Reinhold Würth aus Künzelsau (Hohenlohekreis) zwei Schulen gegründet. Die allerdings werden über die Würth-Stiftung finanziert und verfolgen ausdrücklich gemeinnützige Interessen. «Unsere Schule soll keine Würth-Schule sein», betont eine Sprecherin.

Das ist bei Groz-Beckert anders. Trotzdem sei die Schule verpflichtet, auch Kinder aufzunehmen, deren Eltern nichts mit dem Unternehmen zu tun haben, sagt Wiedmann. Und auch bei der Höhe des Schulgelds dürfe man keinen Unterschied zwischen den eigenen Beschäftigten und den Familien außerhalb des Unternehmens machen.

Albstadts Erster Bürgermeister Anton Reger hält die Groz-Beckert-Schule für wegweisend. «Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärkt unseren Standort. Und die Betriebe haben ja auch selbst ein Interesse daran, Fachkräfte zu binden und dafür zu sorgen, dass sie womöglich auch früher aus der Elternzeit zurückkommen», sagt er. Er hofft, dass andere Unternehmen nachziehen. Vielleicht nicht gleich mit einer ganzen Schule, aber womöglich durch Kooperationen mit den staatlichen Bildungseinrichtungen.

Kein uneigennütziges Geschenk

In Wolfsburg hat der Volkswagen-Konzern eine Schule gestiftet. Volkswagen übernimmt in den ersten drei Jahren, in denen eine private Schule keine Zuschüsse vom Land bekommt, die gesamten Kosten für Lehrer, Geschäftsführung und wissenschaftliche Begleitung sowie einen Großteil der Ausstattung. Die Stadt Wolfsburg stellte das Gebäude. Die Anlauffinanzierung durch VW beläuft sich auf über 10 Millionen Euro, berichtete die „Financial Times Deutschland“ (FTD). Auch danach wolle der Konzern sich weiter engagieren. Schulgeld wird nicht erhoben. Allerdings: Die Mitgliedschaft in einem Elternförderverein, der mit einem einkommensabhängigen Beitrag unterstützt wird, sei „erwünscht“, so heißt es auf der Homepage der Schule.

Für Volkswagen sei die Neue Schule Wolfsburg, eine gemeinsame Grundschule und Integrierte Gesamtschule im Ganztagsbetrieb, kein uneigennütziges Geschenk, hieß es in dem Bericht. Eine gute Schule mache Wolfsburg zu einer attraktiven Stadt für dringend gesuchte Ingenieure. Oder wie VW-Personalvorstand Horst Neumann der FTD sagte: „Für die besten Köpfe von morgen müssen wir heute die besten Schulen schaffen.“ News4teachers / mit Material von dpa

(11.2.2013)

Zur Meldung: „Unternehmen gründet eigene Schule – Schwerpunkt Naturwissenschaften“

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christian füller
11 Jahre zuvor

was ist denn so schlimm an diesen schulen? und, diese frage ist wichtig, engagiert sich vw eher zu wenig als zu viel? immerhin ist die neue schule wolfsburg eine schule im kombination mit der stadt. wenn der konzern dem vfl einen mittelstürmer für 50 mio euro kauft, kräht kein bahn, genauer: es jubeln alle. investiert der giga-konzern lächerliche 10 mio euro in drei jahren in eine schule, wiegen alle bedenklich mit dem kopf. was die industrie macht, ist ganz einfach: sie hat das warten auf schulreformen durch die länder satt. sie macht jetzt selber. vielleicht wäre die frei-öffentliche schule in kommunaler Trägerschaft (siehe Jena) das beste modell.

anonymundso
11 Jahre zuvor

das problem an dersache ist, das bildung zweckfrei geschehen muss und allgemein sein muss. diese schulen sollen in zukunft noch früher spezialisierte fachdeppen heranziehen, damit sie noch früher für die industrie verwertbarer sind.

das unser schulsystem scheisse ist, stimme ich zu. aber DAS ist ein weiter-gehen eines Irrwegs. wir müssen nicht noch früher anfangen kinder zu spezialisieren. schulen sind bildungs-einrichtungen und keine ausbildungs-stätten. wenn sich jeder NURnoch mit seinem spezialgebiet (zb maschinenbau) beschäftigt, dann geht die demokratie vor die hunde. wie will man denn in einer abtreibungsdebatte mit-wirken, wenn man sich NUR im maschinenbau auskennt?! wir müssen in schulen wieder freier und offener und breit-gefächerter unterrichten. humboldt war kein idiot, humboldt hat sich nur BIS HEUTE NICHT durchsetzen können an den schulen.

private,kirchliche, vereins-trägerschaften sind letztendlich immer ZWECKorientiert (die kirche verfolgt dabei als partikular-organisation christlich moralische ziele, ein industrie-konzern verfolgt das ziel, besser funktionierende arbeitskräfte zu erlangen). die Zweckgebundenheit ist aber der feind jeder bildungsidee.

woher soll ein junges kind denn schon wissen, OB es mal eher in die naturwissenschaften will? das weiß man doch mit 10-11 noch nicht. diese schulen prägen mit ihren profilen vor. ich finde es sehr eigennützig nur dann etwas zu „stiften“ wenn es den eigenen anforderungen gerecht wird. der technische fortschritt ist momentan gut genug und wird auch genug gefördert, was viel mehr vor die hunde geht und förderung bedarf, ist philosophie, sozialkunde, sprachen etc, denn diese dinge sind EBENSO wichtig für unsere gesellschaft, und finden kaum anwendung und förderung, warum? weil sie nicht in eine kosten-nutzen rechnung gepresst werden können. bildung „rechnet sich nicht“, das soll sie auch nicht.

Martin Schuster
11 Jahre zuvor

@anonymundso
Sie sagen, Zweckgebundenheit sei der Feind jeder Bildungsidee. Dem stimme ich zu.
Ich stimme Ihnen aber nicht zu, wenn Sie meinen, die Staatsschulen seien nicht zweckgebunden. In den letzten Jahrzehnten sind sie mehr und mehr zum Spielball der Parteien mit ihren speziellen Ideologien verkommen, wobei das linke Lager eine besonders unrühmliche Rolle spielt und meiner Meinung nach ganz wesentlich für den allgemeinen Bildungsniedergang verantwortlich ist.
Da scheinen mir Privatschulen von Firmen oder den Amtskirchen das wesentlich kleinere Übel.