0,07 Erzieher je Kind – neues Kita-Gesetz für Hessen ist umstritten

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WIESBADEN. Mitten im Wahljahr revolutioniert Sozialminister Grüttner die hessischen Kitas. Er will mehr Flexibilität. Kritiker befürchten: Die Qualität gerät auf die Rutschbahn.

«KiFög ist ein Kinderschreck und muss weg», meinen zahlreiche Eltern in Hessen. Foto: »Zitona « / Flickr  (CC BY 2.0)
«KiFög ist ein Kinderschreck und muss weg», meinen zahlreiche Eltern in Hessen. Foto: »Zitona « / Flickr (CC BY 2.0)

Das neue hessische Kita-Gesetz treibt Eltern und Erzieher weiter auf die Straße, auch bei Verbänden ist es umstritten. Auf Zustimmung stieß der Gesetzentwurf von Sozialminister Stefan Grüttner (CDU) am Donnerstag bei Städten und Gemeinden, die Träger vieler Kindertagesstätten sind. Im Wiesbadener Landtag hörte der Sozialausschuss Experten zum Entwurf des hessischen Kinderförderungsgesetzes (HessKiFög)an. Eltern wie Sozialverbände befürchten, dass die Betreuung schlechter wird. Vor allem der mögliche Rückgriff auf fachfremdes Personal ärgert sie.

«KiFög ist ein Kinderschreck und muss weg», stand auf Plakaten einer Demo in Sichtweite des Landtags. Aufgerufen hatte die Liga der freien Wohlfahrtspflege. Es kamen nach Polizeiangaben 1300 Menschen, überwiegend Frauen. Kleine Kinder trillerten mit Pfeifen. Am Dienstag hatten in Frankfurt etwa 5000 Gegner des Gesetzes demonstriert.

Wenige Monate vor der hessischen Landtagswahl plant Grüttner eine Art Revolution in den Kitas: Ab 2014 will das Land nicht mehr Geld für bereitstehende Kita-Plätze, sondern für das einzelne betreute Kind zahlen – gestaffelt nach Alter und Wochenstunden in der Kita. Ein neuer Betreuungsschlüssel sieht für Drei- bis Sechsjährige 0,07 Erzieher je Kind vor, also 14 auf einen Erwachsenen. Um diese Eckdaten ranken sich Staffeln von Zu- und Abschlägen. Kitas mit vielen Migrantenkindern erhalten höhere Pauschalen.

Grüttner hält für die Kitas laut Entwurf jährlich 424,5 Millionen Euro bereit. Gelobt wurde an seinem Gesetz, dass es die verstreuten Regelungen zur Kinderbetreuung zusammenfasst. Der CDU-Minister will das System flexibler machen. Das soll auch helfen, wenn die Eltern ab 1. August einen Rechtsanspruch auf Betreuung von Unter-Dreijährigen bekommen. Dazu schaffen Länder und Kommunen mit Hilfe des Bundes Plätze für rechnerisch 35 Prozent der Kleinkinder.

Die Flexibilisierung bewirke einen Rutschbahneffekt bei der Qualität, befürchten die Kritiker. «Dies wird die Träger zu einer möglichst hohen Auslastung ihrer Gruppen zwingen», heißt es in einer Stellungnahme der evangelischen und der katholischen Kirche.

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Bis zu 16 Kleinstkinder in einer Gruppe

Seine Mindestverordnung von 2008 zu Gruppengrößen und Fachpersonal kassiert das Land ein. Danach durften in einer U3-Gruppe höchstens zehn Kleinstkinder sein. Dem neuen Schlüssel nach seien es bis zu 16, kritisiert der Gießener Erziehungswissenschaftler Prof. Norbert Neuß. Er redet gar von einem «nicht einschätzbaren Risiko für die psychische Gesundheit der jungen Kinder».

«Wir stimmen im Grundsatz dem Kifög zu», sagte Oberbürgermeister Gerhard Möller aus Fulda für den Hessischen Städtetag. Städte und Gemeinden stecken mitten im Aufbau neuer Betreuungsplätze, das neue Gesetz macht ihre Aufgabe einfacher. Kleinere Gruppen seien natürlich besser, doch viele Kommunen unter dem finanziellen «Schutzschirm» des Landes könnten sich das nicht leisten, heißt es beim Städte- und Gemeindebund. Die Pädagogen und ihre Verbände ärgert, dass künftig ein Fünftel der Betreuer fachfremd sein darf. Dies widerspreche allen Anstrengungen, mehr Menschen für den Erzieherberuf zu begeistern.

Im Landtag fordert die Opposition, dass Schwarz-Gelb das Gesetz zurückzieht oder zumindest überarbeitet. Das Regierungslager sieht ein Vermittlungsproblem, Missverständnisse und Fehlinformationen auf Seiten der Kritiker. «Mit falschen Behauptungen wurden Eltern und Erzieher massiv verunsichert», sagte die CDU-Abgeordnete Bettina Wiesmann. Das Gesetz bringe mehr Geld, mehr Qualität. «Es bringt sogar ein Drittes, etwas Wichtiges: Mehr Gerechtigkeit.» dpa

(7.3.2013)

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