Medienpädagogen: Internet verteufeln ist keine Lösung

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BRAUNSCHWEIG. Der Umgang mit dem Internet muss gelernt sein – auch von Eltern und Lehrern. Die Polizei Braunschweig versucht mit einem Symposium für die Gefahren zu sensibilisieren, ohne das Netz zu verteufeln.

Kinder und Jugendliche nutzen das Internet meist unkontrolliert. Foto: Spencer E. Holtaway / Flickr (CC BY-ND 2.0)
Kinder und Jugendliche nutzen das Internet meist unkontrolliert. Foto: Spencer E. Holtaway / Flickr (CC BY-ND 2.0)

Was auf der Straße gilt, gilt auch im Internet: Selbstbewusstsein schützt Kinder und Jugendliche vor Kriminellen. Doch Eltern und Pädagogen, aber auch die Polizei lassen sich nach Meinung von Experten noch immer zu wenig auf die Lebenswirklichkeit der jungen Generation ein. Zu diesem Ergebnis sind rund 150 Teilnehmer eines Symposiums der Polizeidirektion Braunschweig gekommen. «Wer selbstbewusst ist, auch mal Nein zu sagen, der schützt sich auch im Netz vor viele Gefahren», sagt etwa der Medienreferent Cornelius Scheier.

«Mir wurde früher gesagt, nimm keine Süßigkeiten von Fremden an. Heute wissen viele Eltern gar nicht, wovor sie ihre Kinder warnen sollen», sagt Scheier, der nach eigenen Angaben einer von 144 Medienreferenten in Niedersachsen ist, die unter anderem im Auftrag von Kommunen zwischen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen vermitteln, wenn es um das Netz geht. Immerhin 73 Prozent aller deutschen Kinder haben nach Angaben von Experten Zugang zu einem Handy oder Smartphone und spielten auch damit. Scheier betont, dass es nicht um Medien- sondern um Sozialkompetenz ginge.

«Von der Technik müssen wir nichts verstehen», sagt auch Moritz Becker vom hannoverschen Verein Smiley, der Medienkompetenz fördert. Mit drei anderen Sozialpädagogen versucht der 36-Jährige Erwachsenen ihre Vorbehalte gegen das Internet zu nehmen. Das Internet einfach zu verteufeln, sei keine Lösung. Statt Verbote und Grenzen aufzuzeigen, sollten Eltern ihren Kindern Anerkennung und Freiheit geben, das stärke das Selbstbewusstsein und schütze vor Gefahren.

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«Es muss sehr wichtige Gründe geben, Kinder von Facebook fernzuhalten», sagt Becker. Wer seinem Kind den Zugang verwehre, der grenze es aus. «13-Jährige verabreden sich heute über Facebook zum Fußball.» Das Argument, früher wäre es auch ohne Facebook gegangen, sei historisch richtig – gelte aber nicht für die Gegenwart. Oftmals fehlten im Netz die Erwachsenen, die auf falsches Sozialverhalten hinwiesen. «Das ändert sich aber gerade», beobachtet Becker. So seien auf Facebook immer häufiger Kids mit ihren Sporttrainern oder anderen Erwachsenen befreundet. Allein dadurch erledigten sich viele Probleme.

Eine Meinung, die auch der Kriminologe Thomas-Gabriel Rüdiger von der Polizeihochschule in Brandenburg teilt: «Das Internet hat viele gute Seiten.» Dennoch gebe es natürlich auch schlechte – etwa Spiele, die Kindern und Jugendlichen Geld abknöpften oder Sexualstraftäter, die sich über das Netz ihren Opfern näherten. Ein anderes Problem sei Mobbing im Internet.

Doch auch hier lägen weder das Problem noch die Lösung im Netz: «Ein Mobber versucht ein Problem los zu werden, nämlich seins», sagt Jutta Sengpiel von der Landesschulbehörde. Häufig stehe dahinter der immer größer werdende Leistungsdruck in Schule und Gesellschaft. Sie könne die Sorge der Eltern verstehen, wenn sie meinten ihr Kind könne ohne Leistung in der Gesellschaft nicht bestehen. «Aber das Gefühl, so wie du bist, bist du in Ordnung, ist viel wichtiger.» dpa

(13.3.2013)

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mehrnachdenken
11 Jahre zuvor

Eltern sollen ihren Kindern bei der Medienkompetenz helfen. Ist das aber nicht mehr als ein frommer Wunsch? Ja, es wird Eltern geben, die über die notwendige Zeit und vor allem über das notwendige Wissen verfügen. Aber überwiegend sieht es doch in dieser Hinsicht bei vielen Eltern sehr düster aus. Da werden vor allem zu kleine Kinder leider nach wie vor in viel zu hoher Anzahl gerne vor dem Fernseher oder dem Computer „geparkt“.

Was lese ich da? Ein Mobber versucht sich von seinem Problem zu befreien, das J. Sengpiel von der Landesschulbehörde im „immer größer werdenden Leistungsdruck in Schule und Gesellschaft“ sieht. Ja, frage ich mich da einigermaßen verwundert: „Woher hat denn Frau Sengpiel diese verharmlosende und viele Mobbingopfer verhöhnende ‚Weisheit‘?“ Ich empfehle ihr ganz dringend das Buch „Tatort Schule“ von Sylvia Hamacher. In der letzten Woche erzählte S. Hamacher ihren schulischen Leidensweg bei „Planet Wissen“ im WDR. Die sehr beklemmende Schilderung ließ bei mir nun überhaupt nicht den Verdacht aufkommen, dass es sich bei den „Täterinnen“ um „Opfer“ eines wie auch immer verorteten Leistungsdruckes handelte.

bolle
11 Jahre zuvor

Keine noch so dreiste Verdrehung der Tatsachen schreckt Aktivisten wie Jutta Sengpiel offenbar davon ab, bei jeder Gelegenheit das rot-grüne Märchen vom immer größer werdenden Leistungsdruck in den Schulen zu erzählen. Und jeder Aufhänger scheint ihnen dafür recht, egal wie ungeeignet.
Wissen wir nicht längst vom Leistungsverfall durch Senkung der Anforderungen und Inflationierung der Noten?
Es ist erschreckend, wie unverfroren die Ideologen vorgehen. Offenbar rechnen sie nicht mit nennenswertem Gegenwind.

mehrnachdenken
11 Jahre zuvor

@ bolle
Obwohl sich mir der von J. Sengbiel formulierte Zusammenhang von Leistungsdruck in der Schule/Gesellschaft und Mobbing auf den ersten Blick nicht ganz deutlich erschließt, möchte ich noch ergänzend hinzufügen, dass J. Sengbiel als Beauftragte für Gewaltprävention bei der Niedersächsischen Landesschulbehörde arbeitet. Diese Tätigkeit übte sie bereits unter der abgewählten CDU/FDP-Regierung aus.
Deshalb muss nicht zwangsläufig eine besondere Nähe zur amtierenden Landesregierung aus SDP/Grünen bestehen.
Es kann ja auch sein, dass sie in dem Artikel verkürzt und damit nicht korrekt zitiert wurde.

bolle
11 Jahre zuvor

@mehrnachdenken
Gibt es noch Unterschiede zwischen Rot-Grün und der CDU bzw. FDP? Letztere laufen doch der linken Ideologie schon längst hinterher. Ein wenig Widerstand wagt noch Bayern. Darum wird ja auch ständig verbreitet, wie sehr die Schüler dort unter Stress und Leistungsdruck leiden. Dieses Bundesland soll offenbar auch noch in die Knie gezwungen werden.
Es stimmt schon, was hier bei „news4teachers“ kürzlich jemand schrieb: Die maßgeblichen politischen und medialen Kräfte betreiben so etwas wie eine Meinungsdiktatur.