Experte: Firmen müssen Nachwuchs schon in der Schule ansprechen

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MÜNCHEN/BERLIN/BONN. Schon lange wird prophezeit, das der Lehrstellenmakt kippt – ist es jetzt endgültig soweit? Die Zahl unbesetzter Ausbildungsplätze steigt rapide. Konnten Firmen noch vor wenigen Jahren die besten Bewerber aussuchen, bieten viele mittlerweile Bewerbern mit guten Schulnoten schon in der Ausbildung Boni und Geschenke. Ausbildungsexperte Klaus Troltsch rät Unternehmen Juendliche möglichst schon in der Schule über Ausbildungsmölichkeiten zu informieren.

Sie sind heiß begehrt und werden umworben wie Stars. Schulabgänger mit guten Noten können sich ihren Ausbildungsplatz in vielen Regionen Deutschlands mittlerweile aussuchen und dabei auch auf manches Bonbon hoffen. Weil durch Geburtenrückgang und den Trend zum Studium immer weniger geeignete Bewerber am Markt unterwegs sind, müssen sich die Unternehmen viel einfallen lassen, um den Nachwuchs zu locken. Ob Dienstwagen und Smartphone oder eine Schippe drauf bei den Vergütungen – in der Not scheuen manche Firmen keine Kosten und Mühen, um die wachsende Zahl freier Ausbildungsplätze doch noch irgendwie zu besetzen.

Jugendliche an einer Maschine
Immer mehr Firmen gehen dazu über, Jugendliche bereits frühzeitig über Ausbildungsmöglichkeiten zu informieren. Foto: ME-Arbeitgeber / Flickr (CC BY 2.0)

Noch vor fünf oder sechs Jahren sah das ganz anders aus, sagt Alexander Legowski, Sprecher des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks: «Damals gab es einen enormen Überhang an Jugendlichen, die auf der Suche waren.» Doch inzwischen seien die Verhältnisse gekippt. Rund 15 000 Lehrstellen blieben nach ZDH-Erhebungen im vergangenen Jahr leer im deutschen Handwerk, das waren so viele wie nie zuvor. Auch in Industrie und Handel wächst die Zahl unbesetzter Ausbildungsplätze – im vergangenen Jahr waren es schätzungsweise 60 000, sagt Ausbildungsexperte Markus Kiss vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag.

Besonders schwer tun sich bei der Nachwuchssuche schon seit vielen Jahren das Gastgewerbe und die Betriebe im Lebensmittelhandwerk, also Bäcker, Metzger und Konditoren. Sie fallen offenbar durchs Raster, wenn ausbildungswillige Jugendliche bei ihrer Suche Kriterien wie Arbeitsplatzsicherheit, Arbeitszeiten, Verdienstmöglichkeiten oder Status des Berufs anlegen, sagt Klaus Troltsch vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Bonn. Hinzu kommt der Drang an die Hochschulen. Gut die Hälfte der jungen Leute eines Jahrgangs in Deutschland beginnt mittlerweile nach Schulende ein Studium und ist damit zunächst einmal weg vom Bewerbermarkt der dualen Berufsausbildung.

Reagiert hat darauf beispielsweise die Schweizer Gastronomiekette Marché, die den besten Lehrlingen eines Jahrgangs Dienstwagen zur Verfügung stellt, auch winken Geldprämien für gute Noten. Die Angebote zielen auch darauf, mehr junge Leute für eine Ausbildung zu gewinnen, sagt Christa Heinke, die bei Marché für die Aus- und Weiterbildung ist. «Das funktioniert wirklich.»

Aber auch die Abo-Karte fürs Fitnessstudio oder ein geschenktes iPhone sind für Azubis bei manchen Firmen drin, sagt DIHK-Experte Kiss. Für wichtiger hält er aber, den Bewerbern die Ausbildung über Zusatzqualifikationen schmackhaft zu machen. Das Erlernen einer Fremdsprache oder ein Auslandsaufenthalt beispielsweise gehörten zu den attraktiven Angeboten. Immer mehr junge Leute nutzen auch die Möglichkeit, ihre Ausbildung mit einem begleitenden Studium zu krönen, sagt Kiss.

Der Trend zu Belohnungen und Geschenken dagegen wird sich nach Einschätzung von BIBB-Experte Troltsch bei der Lehrlingssuche nicht durchsetzen. Zwar reiche es nicht aus, wenn Firmen einfach nur bei der örtlichen Arbeitsagentur anrufen und offene Ausbildungsplätze melden. Wer sich darauf ausruht, hat im Verteilungskampf um die besten Köpfe das Nachsehen. «Große Unternehmen grasen den Markt schon sehr früh ab und sind relativ erfolgreich bei der Rekrutierung.» Gerade für kleinere Anbieter gelte deshalb das Motto: Jugendliche möglichst schon in der Schule ansprechen, umfassend über Lehrstellen informieren, am besten auch über Einladungen in den Betrieb. «Alles andere halte ich eher für Theater», meint Troltsch. (Christine Schultze, dpa)

27.03.2013

Statistische Daten zur Ausbildung beim BIBB

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