Tarifstreit weitet sich aus: Zwei Drittel der Landesbeamten sind betroffen

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BERLIN. Bundesweit fordern Landesbeamte eine Tariferhöhung in Anlehnung an den Tarifabschluss für Angestellte im öffentlichen Dienst – doch nur den wenigsten dürfte tatsächlich ein Besoldungsplus oberhalb der Inflationsrate zugestanden werden. Lediglich zwei Bundesländer, nämlich Bayern und Hamburg, haben bislang eine vollständige Übertragung des Angestelltentarifes angekündigt. In den anderen Bundesländern gibt es darum zunehmend heftigeren Streit.

Die Übertragung des Tarifabschlusses auf die Beamten würde Milliarden kosten. Allerdings sprudeln die Steuereinnahmen so stark wie nie. Foto: Images of money / Flickr (CC BY 2.0)
Die Übertragung des Tarifabschlusses auf die Beamten würde Milliarden kosten. Allerdings sprudeln die Steuereinnahmen so stark wie nie. Foto: Images of money / Flickr (CC BY 2.0)

Nach Recherchen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ werden die Einkommenserhöhungen für mindestens zwei Drittel der insgesamt knapp 1,4 Millionen betroffenen Beamten hinter den Tariferhöhungen für die rund 800.000 Angestellten zurückbleiben.

In Baden-Württemberg trommelt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gegen das geplante Verschieben der Tariferhöhung. Die Pläne zeigten, wie wenig wert der Landesregierung die Arbeit der Lehrer an den Schulen im Land ist, schimpft die GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz. „Die Verschiebung der Gehaltserhöhung für Besoldungsgruppen ab A12 trifft vor allem die Lehrerinnen und Lehrer. Der Umgang mit den Landesbeschäftigten und die Bildungspolitik der Landesregierung tragen inzwischen die Überschrift ‚Schafft die Schule ab, sie kostet nur Geld’“, kritisierte Moritz. Das Muster der Regierung ist für Moritz klar: „Für das Sparen hat die Landesregierung einen Plan, für die Bildungsreformen und die Unterstützung der Arbeit in den Schulen nicht“.

„Wortbruch und Willkür“

In Nordrhein-Westfalen hat der Tarifkrach jetzt auch den Landtag erreicht. Die CDU lehnt die von der rot-grünen Landesregierung geplante Nullrunde für die höheren Besoldungsgruppen im öffentlichen Dienst ab. Nachdem Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) unlängst in einem Schreiben an alle Beamten um Verständnis für ihren Sparkurs geworben hatte, schrieben nun CDU-Parteichef Armin Laschet und der Fraktionsvorsitzende Karl-Josef Laumann einen Brief an die Beamten. Inhalt laut „Rheinische Post“: Wenn Rot-Grün nicht hunderte Millionen Euro für „Prestigeprojekte“ ausgeben würde, stünden genügend Finanzmittel für die Tarifererhöhung zur Verfügung. Verantwortungsvolle Personalpolitik dürfe nicht durch „Wortbruch und Willkür“ gekennzeichnet sein. Der Öffentliche Dienst in NRW müsse „leistungsfähig“ bleiben.

Rüdiger Thust, Gewerkschafter im Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), hat nach eigener Aussage seinen mehr als 30 Dienstjahren noch nie erlebt, „dass bei den Kollegen landauf, landab eine solche Wut auf die nordrhein-westfälische Landesregierung geherrscht hat.“ Der Frust sei „unbeschreiblich“, so berichtet die „Rheinische Post“. Seit Wochen liefen Protestaktionen von Beamten gegen die SPD-geführte Landesregierung. Viele Polizisten haben persönlich gehaltene Protestbriefe über die Tarifpolitik nach Düsseldorf geschickt – „und sind mit einer Standardantwort abgespeist worden“, beklagt Thust.

Im Rheinisch-Bergischen Kreis hat sich die Polizeigewerkschaft jetzt mit einem offenen Brief an die zuständige SPD-Landtagsabgeordnete Helene Hammelrath gewandt. „Täglich erreichen mich eine Vielzahl an Schreiben von Polizeibeamten. Sie äußern darin Enttäuschung, Verzweiflung und Frust, weil auch Sie, Frau Hammelrath, mit ihrer Zustimmung zur Besoldungsrunde dokumentieren, dass Ihnen an der Sicherheit des Landes nichts gelegen ist“, so schreibt ein Funktionär. Und weiter: „Ich erlaube mir kein Urteil über ihre aktuelle Diätenerhöhung. Aber sind Sie davon überzeugt, dass Sie damit an Glaubwürdigkeit gewinnen?“

In Bremen machten Gewerkschaftsvertreter vor einer Klausurtagung des Senats deutlich, dass die Beamten im Stadtstaat eine Tariferhöhung in Anlehnung an den Tarifabschluss für Angestellte im öffentlichen Dienst erwarten. Sie übergaben Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) und Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) einen Brief, in dem sie die „zeit- und wirkungsgleiche Übernahme des Tarifergebnisses“ auf die Besoldung der rund 10000 Beamten forderten. Linnert dämpfte die Erwartungen: „Die Ergebnisse zu 100 Prozent zu übertragen, ist so nicht möglich. Wir müssen einen fairen und vertretbaren Kompromiss finden.“

Wozu der Wildwuchs bei den Beamtentarifen führen könnte, wird in Bremen und Umgebung besonders deutlich: Während bei den Beamten in der Stadt offenbar gespart wird, gilt außerhalb der Stadtgrenzen – im niedersächsischen Umland – die wohl großzügigere Regelung des Nachbarlandes: Niedersachsen will zumindest die erste Stufe der Tariferhöhung im öffentlichen Dienst in vollem Umfang auf die Beamten übertragen. Die vereinbarte Erhöhung um 2,65 Prozent werde rückwirkend zum 1. Januar umgesetzt, hieß es.  Ob allerdings 2014 die zweite Stufe, ein Gehaltsplus von 2,9 Prozent, für Beamte realisiert werde, soll erst im Sommer im Rahmen der Aufstellung des Haushaltsplans 2014 entschieden werden. dpa

(6.4.2013)

Zum Bericht: „Besoldung sorgt weiter für Ärger – NRW-Beamte wollen klagen“

 

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Kurt Meier
11 Jahre zuvor

Was die Landesregierungen sich hier erlauben, ist zutiefst unehrlich, unfair und unmoralisch.
Die Steuereinnahmen sprudeln und die Regierungen geben das Geld mit vollen Händen aus, um ihre ideologisch motivierten Projekte zu verwirklichen.
Z. B. Baden-Württemberg hat durchaus Geld zur Einrichtung eines Integrationsministeriums (incl. gute Jobs in selbigem für Menschen mit dem richtigen Parteibuch), man hat Geld für einen teuren Bahnhof, ebenso kann man sich die Einrichtung eines Nationalparks leisten.
Nur seinen Beamten kann man leider keinen Inflationsausgleich gewähren, das gibt der Haushalt nicht her.
So gibt es Jahr für Jahr für die Beamten inflationsbereinigt eine Gehaltskürzung. Dazu drastische Kürzungen bei der Beihilfe.
Was auch noch kommen wird, ist die Absenkung der Pensionen auf das Niveau der normalen Renten.
Somit hat ein heute junger Beamter auf der ganzen Linie „die A****karte gezogen“. Er verzichtet sein ganzes Leben lang auf einen Teil des Geldes, das er in anderen Branchen verdienen könnte, um dafür in einigen Bereichen (Gesundheitsvorsorge, Pension, Jobsicherheit) besser abgesichert zu sein. Diese ganzen Vorteile der Beamten werden aber nun systematisch gekürzt und gestrichen, während die Besoldung Jahr für Jahr weiter hinter den Gehältern der Industrie/Wirtschaft hinterherhinkt.
Ich bereue inzwischen zutiefst meine damalige Entscheidung für eine Beamtenlaufbahn, nicht weil der Job keinen Spaß machen würde, sondern weil es frustrierend ist, Jahr für Jahr die gleiche Zahl auf dem Kontoauszug wiederzufinden, während das Leben deutlich teurer wird und in anderen Branchen spürbare Gehaltserhöhungen und fette Bonuszahlungen an der Tagesordnung sind.

drd
11 Jahre zuvor

Wenn man die wöchentlichen Überstunden auf ein Berufsleben hochrechnet, arbeiten Beamte 5-8 Jahre unentgeltlich für den Staat.