Eklat im Ländle – SPD-Fraktionschef beschimpft Lehrer

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STUTTGART.Der SPD im Baden-Württemberg laufen immer mehr Wähler davon. Besonders mit der Bildungspolitik sind viele Menschen unzufrieden. SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel gibt den Lehrerverbänden dafür eine Mitschuld und nennt sie „Heulsusen“.

Angesichts sinkender Umfragewerte seiner Partei hat SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel Lehrerverbände für ihren Umgang mit der grün-roten Bildungspolitik attackiert. Die Bürger nähmen in der Schulpolitik ein hohes Maß an Unsicherheit wahr. «Diese Unsicherheit wird bewusst geschürt insbesondere von den Lehrerverbänden im Beamtenbund», sagte Schmiedel der Nachrichtenagentur dpa in Stuttgart. «Die führen sich teilweise auf wie Heulsusen, und sie scheuen auch nicht davor zurück, bewusst die Eltern und die Lehrerschaft zu verunsichern.» Das Kultusministerium führt der SPD-Politiker Andreas Stoch.

Wenig später bekräftigte Schmiedel am Mittwoch vor Journalisten, einzelne Verbände hätten verhärtete Positionen. «Die versteifen sich auf eine Abwehrhaltung.» In der Zusammenarbeit mit ihnen komme wenig Produktives zustande, monierte Schmiedel mit Blick auf die laufenden Bildungsprojekte der Landesregierung. Der Verband Erziehung und Bildung verreiße die Gemeinschaftsschule generell. Dem Berufsschulverband warf Schmiedel vor, ein «Zerrbild» zu zeichnen und die Lage an den beruflichen Schulen schlechtzureden. Als Konsequenz kündigte er an, direkt auf Schulleiter und Lehrer zugehen zu wollen.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke entgegnete empört: «Derartige Anschuldigungen sind eine gezielte Diffamierung der Lehrerverbände, um diese mundtot zu machen.» FDP-Landeschefin Birgit Homburger bezeichnete Schmiedels Worte als «unsouverän». Ähnlich äußerte sich CDU-Bildungsexperte Georg Wacker: «Mit seinen heutigen beleidigenden Aussagen hat der Vorsitzende der SPD-Landtagsfaktion einen weiteren Beleg dafür geliefert, wie sehr die Nerven in der Landesregierung derzeit blank liegen.» Anstatt die Kritik und die Warnungen der Fachleute aus der Praxis anzunehmen, gebe es Beschimpfungen, die einer Regierungsfraktion nicht gerecht würden.

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Die Umfragewerte sinken und Schmiedel vergreift sich im Ton. (Foto: Ailura/Wikimedia CC BY-SA 3.0 AT)
Die Umfragewerte sinken und Schmiedel vergreift sich im Ton. (Foto: Ailura/Wikimedia CC BY-SA 3.0 AT)

In der jüngsten Umfrage war die SPD als Juniorpartner in der Gunst der Wähler gesunken. Bei der Landtagswahl 2011 erreichte sie noch 23,1 Prozent – nun liegt sie bei 19 Prozent. Insgesamt hatten sich die Baden-Württemberger in der Umfrage überwiegend positiv zur Arbeit von Grün-Rot geäußert. Vor allem Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) steht bei den Bürgern hoch im Kurs. Jedoch äußerten sich 59 Prozent unzufrieden mit der Schulpolitik.

Schmiedel führte die sinkenden Umfragewerte auf die Konflikte beim Bildungsthema zurück. Er hielt einzelnen Lehrerverbänden eine «bewusste Irreführung» bei dem Thema vor. Als Beispiel führte Schmiedel die Mindestschülerzahlen im Zusammenhang mit der regionalen Schulentwicklung an. Stoch hatte eine Zielmarke von mindestens 60 Schülern in Eingangsklassen von allgemeinbildenden Gymnasien genannt – und zwar bei Neueinrichtungen von Gymnasien. Doch der Vorsitzende des Philologenverbandes, Bernd Saur, habe daraufhin behauptet, dass viele bestehende Schulen gefährdet seien, weil sie die Zahl 60 unterschritten.

Für Schmiedel ist trotz der jüngsten Umfrageergebnisse unstrittig, dass der SPD-Landesvorsitzende Nils Schmid die Partei 2016 in den Wahlkampf führen wird. «Schmid ist der geborene Spitzenkandidat der SPD bei der nächsten Landtagswahl.» Dass Kretschmann angesehen und beliebt sei, stabilisiere die ganze Koalition, räumte Schmiedel ein. Er sei aber überzeugt, dass die Menschen bei der Bundestagswahl wie auch bei der Landtagswahl genauer auf Sachthemen schauten. «Deshalb wird die SPD – je näher die Bundestagswahl rückt – zulegen, und bei der Landtagswahl wird es genauso sein», zeigte sich Schmiedel überzeugt. Bettina Grachtrup/dpa

(22.5.2013)

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drd
10 Jahre zuvor

So sieht sie aus, die „Politik des Gehörtwerdens“: Wer sachliche und fachliche Kritik äußert, wird beschimpft, es sei denn, er verwendet die Schlagwörter der neuen Schulideologie, mit denen man alles erschlagen kann, was Erfahrungen hervorgebracht haben. Ich würde sagen: Robespierre, 2. Phase der Terreur.

Grias Di
10 Jahre zuvor

Wer ist jetzt hier die Heulsuse 🙂

Sophia St.
10 Jahre zuvor

@drd
Bin absolut Ihrer Ansicht.
Heulsusen sind Lehrer immer dann, wenn sie sich im Kollegium hinter vorgehaltener Hand gegenseitig ihren Unmut über die Bildungspolitik und das Agieren der Schulbehörden mitteilen, aber auf Nummer Sicherheit gehen, wenn es um öffentliche Meinungsäußerung geht.
Eine sichere und dennoch wirksame Methode, jede realitäts- und praxisferne Schulpolitik abzustrafen, sind Wahlen. Da allerdings verhalten sich viele Lehrer aus gutmenschlicher Gläubigkeit immer wieder gegen ihre Vernunft.
Ich jedenfalls freue mich, dass sich einige Lehrerverbände im Beamtenbund endlich mal auf die Hinterbeine stellen. Diese Haltung ist längst überfällig und nötig für Schulen, Schüler und Lehrer.

Reinhard
10 Jahre zuvor

Meine Kolllegin aus BW ist der Meinung, dass gerade das Bildungssystem dort gegen die Wand gefahren wird. Immerhin war es mit By und SN zusammen bei den besten in Vergleichstests. Ich denke, die Lehrerverbände wollen einfach retten, was zu retten ist.

Stefan B.
10 Jahre zuvor
Antwortet  Reinhard

@Reinard
Denke wie Sie. Fürchte aber, dass nicht sehr viel zu retten ist. Trotzdem ist Widerstand gut.

H.Haller
10 Jahre zuvor

Anfangs hat mich die Stimmungsmache der Lehrerverbände gegen z.B. der Gemeinschaftsschule auch geärgert; heute kann ich sagen: die Gemeinschaftsschulen erscheinen mir ein Versuch Geld zu sparen und Schulstandorte zu erhalten aber keinesfalls die Schule von postmodernen Anforderungen an junge Menschen neu zu denken! Das Ziel scheint es ist Geld zu sparen; kein zusätzlicher Einsatz von z.B. Psychologen, Erzeihungs.- und Naturwissenchaftlern (ausser Lehrer, die dann noch konzeptloser Ausgebildet und schlechter Bezahlt werden). Auch so kann man eine gute Idee kaputt machen. Und beschimpfen von MITARBEITERN hilft da auch nicht.

Stefan B.
10 Jahre zuvor
Antwortet  H.Haller

Ob die Gemeinschaftsschule außer in der Theorie auch in der Praxis eine gute Idee ist, bezweifle ich.
Sie haben meiner Meinung nach aber absolut Recht mit Ihrer Vermutung, dass sich hinter allen frommen Sprüchen ein gewaltiges Sparprogramm verbirgt.
Dies zu benennen wäre allerdings politischer Selbstmord, denn es gilt die Gebetsmühle: „An der Bildung unserer Kinder darf nicht gespart werden.“

Warner
10 Jahre zuvor
Antwortet  Stefan B.

@Stefan B.
Was Sie sagen, ist auch meine Meinung. Schon seit Jahrzehnten verkaufen manche Parteien ihre Bildungspolitik als nächstenliebendes Werk. In Wahrheit demontieren sie aber nur ein einstmals intaktes System. Dennoch glauben viele immer wieder an gute und berechtigte Gründe, nicht zuletzt die Lehrer, die es eigentlich besser wissen müssten.
Dass sie so zugänglich sind für Illusionen, schockiert mich am meisten.
Ermutigend ist tatsächlich das Aufbegehren der Lehrerverbände in BW.