Geheim: Unter einer Saar-Schule liegt der Ex-Bunker der Regierung

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WADERN. Der einstige Notbunker der saarländischen Landesregierung liegt unter dem Hochwald-Gymnasium im beschaulichen Wadern. Für Lehrer und Schüler ist das eine einmalige Chance auf Lernen an einem historischen Ort.

Um etwas über den Kalten Krieg zu lernen, geht die Klasse 6a einfach in den Keller. Denn in den kühlen und tiefen Gängen des Hochwald-Gymnasiums im saarländischen Wadern liegt ein historischer Ort: Der einstige Notbunker der Saar-Landesregierung. Er war 1959 angelegt worden, um Politikern und Sicherheitskräften im Kriegs- oder Krisenfall als Zufluchtsort zu dienen. Hinter zwei großen Stahltüren verbergen sich vier Räume mit Pritschen, Bänken, Duschen, Toiletten und zwei Notausstiegen. «Es ist eng», sagt die elfjährige Emely. «Hier würde ich es nicht lange aushalten.»

In den kühlen Räumen scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Verstaubte Gasmasken liegen neben einer Belüftungsanlage. Im Geräte- und Betriebsbuch sind Bunker-Kontrollen seit 1969 akribisch festgehalten. «Die Schule wusste damals zwar von dem Bunker, hatte aber keinen Schlüssel. Alles war geheim, geheim und nochmals geheim», erzählt Haustechniker Peter Bonerz (52). Die Kontrolleure kamen vom saarländischen Innenministerium, mal alle paar Tage, mal alle paar Wochen. Bis vor 20 Jahren. Der letzte handschriftliche Eintrag stammte vom November 1993: «Schalter in Hauptverteilung muss auf „Auto“ stehen», heißt es unter anderem darin.

Der Eingang vom Schulhof in das Hochwald-Gymnasiums Wadern. In der komplexen Bunkerwelt von Wadern ging es hier hinab in einen Teil der „geschützten Befehlsstelle“ des Saarlandes. So geheim, das bis zum Jahreswechsel 2008/2009 nicht bekannt war, welche Rolle dem bescheidenen Ort 60 Straßenkilometer nördlich von Saarbrücken im Falle eines neuerlichen Weltkrieges zugekommen wäre. (Foto: Ausweichsitz.de)
Der Eingang vom Schulhof in das Hochwald-Gymnasiums Wadern. In der komplexen Bunkerwelt von Wadern ging es hier hinab in einen Teil der „geschützten Befehlsstelle“ des Saarlandes. So geheim, das bis zum Jahreswechsel 2008/2009 nicht bekannt war, welche Rolle dem bescheidenen Ort 60 Straßenkilometer nördlich von Saarbrücken im Falle eines neuerlichen Weltkrieges zugekommen wäre. (Foto: Ausweichsitz.de)

Seit Mitte 2010 darf das Gymnasium die Bunkeranlage nutzen. Die Schüler der 6a probieren alles aus: Sie legen sich auf die schmalen Etagen-Pritschen, kurbeln an der Belüftungsanlage, studieren den alten Fernschreiber, klettern in den Notausstieg und wählen an den Scheiben der alten Telefone. «Es ist ein Geschenk für eine Schule, einen solchen historischen Ort zur Verfügung zu haben, an dem man Geschichte erspüren und erfahren kann», sagt Schulleiterin Ellen Küneke. Die Räume machten einen «affektiven Zugang» zur Geschichte möglich.

Die saarländische Landesregierung hatte zur Zeit des Kalten Krieges die 17 000-Einwohner-Stadt Wadern als möglichen Ausweichsitz ausgesucht, «weil dies ein Ort ist, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen – und niemand etwas Politisches vermutet», erklärt die 57-Jährige. Plan sei gewesen, vom Bunker aus nach einem Angriff durch konventionelle oder atomare Waffen einen Gegenschlag zu organisieren. Heute sei klar: «Die Menschen hätten hier nur ein paar Tage überlebt», sagt Haustechniker Bonerz. Der Stand der Technik sei damals ein anderer gewesen.

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Laura Görgen aus der achten Klasse findet es «sehr beengt» unter Tage. «Man wäre schon lieber wieder oben, wo Tageslicht ist», erzählt die 14-Jährige. Dass ihre Schule solch eine Anlage im Keller hat, findet sie aber toll. «Das ist was Besonderes.» Zu dem Bunker gehörte eine eigenes Telefonnetz mit 50 Apparaten und ein eigenes Stromnetz, das mit einem Generator betrieben wurde. Die Notausstiege enden auf dem Schulhof.

Abstieg in den verbunkerten und bisher unbekannten Teil des Hochwald-Gymnasiums. Neben der Treppe hängt ein Hinweisschild „zum Werkraum“.
Abstieg in den verbunkerten und bis 2009 unbekannten Teil des Hochwald-Gymnasiums. Neben der Treppe hängt ein Hinweisschild „zum Werkraum“. (Foto: Ausweichsitz.de)

Das Gymnasium mit rund 850 Schülern nutzt die Räume auch für Führungen am Schulfest. Zudem plant Leiterin Küneke, das Thema Bunker in einem Seminarfach in der Oberstufe zu integrieren. «Neben einer wissenschaftlichen Arbeit zum Kalten Krieg könnten die Schüler auch praktischen Forschung vor Ort betreiben», sagt die Historikerin. Für sie sei der Aufenthalt im Bunker aber stets eine gewisse Herausforderung: «Ich habe Klaustrophobie und muss an mir arbeiten, um ruhig und gelassen zu sein.»

Die Schüler untersuchen neugierig die Räume und stellen viele Fragen. «Mich erstaunt, wie offen und frei die Kinder mit der Problematik umgehen», berichtet Küneke. Manche Schüler der 6a hätten gesagt, sie könnten sich sogar ein Event-Wochenende dort vorstellen. «Hier ist ein völlig anderer Zugang zur Geschichte möglich.» Schüler Janis sagt nach dem Bunker-Besuch: «Ich könnte ein paar Tage hierbleiben.» Und fügt hinzu: «Aber nur mit Internet.» dpa

(17.5.2013)

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