Studie: Nur Kinder wohlhabender Eltern schaffen es ins Ausland

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BERLIN. Vor allem das Einkommen der Eltern entscheidet einer Studie zufolge darüber, ob ihre Kinder mehrere Monate ihrer Schulzeit im Ausland verbringen oder nicht. Das hat Prof. Dr. Jürgen Gerhards, Soziologe an der Freien Universität Berlin und Forschungsprofessor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) untersucht. Damit verschärft sich die ungleiche Verteilung von Bildungschancen in einer globalisierten Arbeitswelt, sagt der Forscher.

Für die Untersuchung hatten Gerhards und seine Co-Autorin Silke Hans Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) ausgewertet. In die Analyse flossen die Angaben von knapp 3.000 Schülerinnen und Schülern ein, die zwischen 2000 und 2010 erhoben wurden. Sechs Prozent dieser Jugendlichen verbrachten einen Teil ihrer Schulzeit im Ausland. Die Ergebnisse wurden in der jüngsten Ausgabe der  „Zeitschrift für Soziologie“ veröffentlicht.

Die Studie zeigt: Kinder aus höheren Schichten haben deutlich bessere Chancen, eine Zeit im Ausland zu verbringen als Jugendliche aus niedrigen Schichten. Vor allem die materiellen Ressourcen des Elternhauses spielen eine zentrale Rolle bei der Entscheidung, den Nachwuchs ins Ausland zu schicken und damit dessen Chancen auf dem Arbeitsmakt zu erhöhen. „Die Kosten eines solchen Aufenthalts belaufen sich auf durchschnittlich etwa 9.000 Euro pro Jahr. Das können sich nur wohlhabendere Familien leisten, zumal es kaum Stipendien gibt “, erklärt Jürgen Gerhards.

Ein Auslandsaufenthalt kostet laut Studie pro Jahr rund 9 000 Euro. (Foto: Belard/Wikimedia)
Ein Auslandsaufenthalt – auf dem Bild Schulmädchen in Lissabon- kostet laut Studie pro Jahr rund 9 000 Euro. (Foto: Belard/Wikimedia)

In Deutschland hat sich die Zahl der von etwa 60 Anbietern organisierten Auslandsaufenthalte für Schülerinnen und Schüler von 2001 bis 2011 von 14.000 auf 19.000 erhöht. Gleichzeitig haben nach Ansicht der Autoren Fertigkeiten wie Fremdsprachenkenntnisse und interkulturelle Kompetenzen, sogenanntes transnationales Humankapital, auf dem globalisierten Arbeitsmarkt an Bedeutung gewonnen. Das zeigt eine Analyse von Stellenanzeigen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die die Autoren vorgenommen haben. Demnach sind internationale Erfahrungen und die Bereitschaft, weltweit zu arbeiten, zunehmend gefragte Einstellungskriterien. Sie wurden in fast 20 Prozent aller Anzeigen aus dem Jahr 2010 verlangt, während es 1960 nur zwei Prozent gewesen waren. Auch Fremdsprachenkenntnisse und vor allem Kenntnisse des Englischen werden zunehmend von den Bewerbern erwartet; dies traf 2010 auf gut 40 Prozent aller Stellenanzeigen zu, 1960 waren es nur gut zehn Prozent.

Bildung werde damit weiter privatisiert, kritisieren die Forscher

„Das öffentlich finanzierte Schulsystem hat nur verhalten auf den Bedarf an transnationalen Kompetenzen reagiert“, sagt die Soziologin Silke Hans. „Gleichzeitig hat sich ein privater Bildungsmarkt etabliert, der diesen Bedarf abdeckt“. Jürgen Gerhards und Silke Hans sehen im Ergebnis ihrer Studie einen weiteren Beleg für den generellen Trend in der Gesellschaft, Bildung zu privatisieren und damit zu einem Privileg für Menschen aus wohlhabenderen Familien zu machen. News4teachers

Die Studie:
Jürgen Gerhards, Silke Hans: Transnational Human Capital, Education, and Social Inequality : Analyses of International Student Exchange. In: Zeitschrift für Soziologie 42(2013), Heft 2 ; S. 99-117. Den wissenschaftlichen Artikel  finden Sie hier

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Reinhard
10 Jahre zuvor

Das Ergebnis ist nicht erfreulich, aber auch keineswegs verwunderlich. War es denn vor 10, 20, 30, 40 Jahren anders??
Es ist noch viel schlimmer: die Kinder wohlhabender Eltern tragen bessere Kleidung, fahren bessere Autos, wohnen in größeren Häusern, besuchen teurere Fitnessklubs – ist da nicht skandalös?

Sophia St.
10 Jahre zuvor

@Reinhard
Ja, das ist es in der Tat. Deswegen bin ich ja schon lange für noch mehr Umverteilung (Sozialismus)in unserem Staat.
Es ist nicht hinzunehmen, dass manche mehr Geld haben, mehr Erziehung, mehr Bildung und mehr Grips im Kopf. Wann hören diese inhumanen, vorsintflutlichen Unterschiede endlich auf!?