Experten: Kinder müssen den Schulweg allein gehen können.

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BERLIN. Für Grundschulkinder ist es, den Zahlen der deutschen Verkehrswacht zu Folge, genauso gefährlich zur Schule mit dem Auto gebracht zu werden, wie zu Fuß zu gehen. Eltern von werdenden Erstklässlern sollen ihre Kinder daher schon früh auf den Schulweg vorbereiten.

Oft kann Detlef Wächter nur den Kopf schütteln. Was der Verkehrspolizist morgens vor den Schulen in Berlin-Mitte beobachten muss, will er gar nicht glauben. «Viele Eltern wollen für ihre Kinder die größtmögliche Sicherheit und gefährden dabei andere Kinder», sagt er. Die Eltern parken kreuz und quer vor der Schule, um ihre Kinder möglichst nah heranzufahren – dabei nehmen sie anderen aber die Sicht. «Die fahren nach Möglichkeit bis in den Klassenraum», klagt Wächter. Dabei ist das Elterntaxi ohnehin die schlechteste Wahl, wenn es darum geht, wie die Kleinen sicher zur Schule kommen. Diese müssen vielmehr lernen, den Schulweg alleine zu gehen.

Schülerlotsen im Einsatz
Eltern sollen werdende ABC-Schützen gut auf den Schulweg vorbereiten. Foto: Harry Hautumm / pixelio.de

Nach Zahlen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung sind 2011 rund 114 000 meldepflichtige Unfälle auf dem Schulweg passiert. Das sind zwar acht Prozent weniger als im Vorjahr – aber immer noch zu viele. Wenn nach den Sommerferien deutschlandweit für rund 700 000 Erstklässler die Schule beginnt, müssen Eltern sie deshalb richtig und rechtzeitig auf den neuen Schulweg vorbereiten.

Und dazu gehört nicht, sie im Elterntaxi vor die Schule zu karren. Denn: «Mitfahren ist nicht sicherer als zu Fuß gehen», sagt Andreas Bergmeier vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat in Bonn. 36 Prozent der Sechs- bis Zehnjährigen verunglücken als Mitfahrer im Pkw, erklärt Hannelore Herlan von der Deutschen Verkehrswacht in Berlin. Als Fußgänger verunglücken 34, als Radfahrer 26 Prozent.

Dennoch: «Es werden immer noch zu viele Kinder mit dem Auto zur Schule gebracht», hat Beate Pappritz vom ADAC beobachtet. Die Ausrede laute oft, dass der Weg zu lang sei. Dann können Eltern aber auch einen Teil des Wegs mit dem Auto fahren und das letzte Stück fürs Schulwegtraining nutzen.

Mit dem Üben sollten Eltern und ABC-Schützen einige Wochen vor Schulbeginn anfangen. Fünf bis zehn Übungsgänge sind mindestens nötig, sagt Herlan. «Je nachdem, wie das Kind drauf ist. Manche Kinder lassen sich schnell ablenken, weil sie kleine Temperamentsbolzen sind.» Trainiert wird am besten unter Realbedingungen, das heißt morgens im Berufsverkehr. «Das soll kein Spaziergang sein.»

Am Anfang geht es darum, die richtige Route zu finden. «Der kürzeste Weg muss nicht immer der sicherste sein», erklärt Bergmeier. Die Route können Eltern gemeinsam mit dem Kind aussuchen. «Es ist wichtig, dem Kind zu erklären, warum man sich für einen bestimmten Weg entscheidet.» Außerdem müssen Eltern die Gefahren, die an bestimmten Stellen lauern, dem Kind veranschaulichen, ergänzt Wächter. «Nicht nur sagen „Hier ist es gefährlich“, sondern „Hier kann ein Lkw kommen“», gibt er ein Beispiel.

An vielen Schulen gibt es außerdem Schulwegpläne, auf denen Gefahrenpunkte eingezeichnet sind. Das Gefährlichste ist das Überqueren der Straße, erklärt Bergmeier. Am besten suchen Eltern dafür eine Stelle, wo es eine Ampel, einen Zebrastreifen oder eine Verkehrsinsel gibt. Daneben sollten Eltern dem Kind einschärfen, dass es nicht zwischen parkenden Autos hindurch auf die Straße laufen darf.

Eine andere Gefahrenquelle: «Für Kinder interessante Punkte, wo sie sich schnell ablenken lassen», sagt Bergmeier. Ein Kiosk und eine Eisdiele gehören dazu. Eventuell wählen Eltern die Route besser so, dass sie nicht an solchen Stellen vorbei führt. Und sie üben am besten mit den Kindern, auf spontane Situationen richtig zu reagieren: «Was ist eigentlich, wenn auf der anderen Straßenseite plötzlich ein Freund auftaucht?», gibt Bergmeier ein Beispiel.

Nach einigen Übungsgängen steht dann ein Rollentausch an: Jetzt führt das Kind den Erwachsenen und erklärt, worauf es an bestimmten Punkten achten muss, erklärt Herlan. Einige Wochen nach Schulbeginn sollten Eltern außerdem noch einmal heimlich hinter dem Kind hergehen und sich versichern, dass es sich nach wie vor an alle Absprachen hält, rät Pappritz. Wichtig sei, das Kind stets früh genug loszuschicken: «Wer unter Zeitdruck steht, achtet weniger auf den Verkehr», sagt Herlan.

Nimmt das Kind den Schulbus, muss es den Weg zum Bus und das Verhalten an der Haltestelle üben. Dazu gehört, nicht zu viel zu toben und nicht zu drängeln. Für den Fall, dass das Kind einmal den Bus verpasst, sollten Eltern einen Plan B entwickeln. «Renn‘ nicht hinterher, sondern ruf‘ an», gibt Bergmeier das Motto vor.

Fährt das Kind statt mit dem Schul- mit einem Linienbus, sollten Eltern ein paar Mal mitfahren. Im Internet raten manche sogar, eine Bushaltestelle zu früh oder zu spät auszusteigen, damit das Kind auch mit dieser Situation umzugehen weiß. Pappritz hält das aber für falsch: «In dem Alter würde ich nur das Richtige zeigen, nicht das Falsche.» Alles andere überfordert das Kind.

Mit dem Rad sollten Eltern Erstklässler nie losschicken, mahnt Pappritz. «Selbst wenn sie scheinbar sicher ihr Fahrrädchen beherrschen, sind sie den Anforderungen lange nicht gewachsen.» Gleichzeitig treten, lenken, zur Seite gucken und Handzeichen geben – das beherrschen Kinder mit sechs oder sieben Jahren noch nicht.

Polizist Detlef Wächter lernen die Erstklässler in Berlin-Mitte in der ersten Woche nach der Einschulung kennen. Dann erklärt er in einer Unterrichtsstunde, worauf die Sprösslinge im Verkehr achten müssen. «Das ist eigentlich Aufgabe der Eltern», sagt er. (Lea Sibbel, dpa)

(14.06.2013)

zum Bericht: Unfall an Schulbushaltestelle – Halter haftet auch schuldlos

zum Bericht: Schülerlotsen: 60 Jahre im Dienst für die Sicherheit

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1 Kommentar
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Passauer
8 Jahre zuvor

? … Das sind wahrscheinlich die Experten die dumm gucken wenn die Polizei mal wieder mit 200 Mannen und Hunden ein Waldgebiet durchkämmen, weil mal wieder ein Kind verschwunden ist!