Gang zum Verfassungsgericht? Beamtenbund legt sich mit Landesregierung in Stuttgart an

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STUTTGART. Am 10. Juli wollen Finanzminister Nils Schmid und die Regierungskoalition in Baden-Württemberg das Gesetz zur Anpassung der Besoldung im Landtag verabschieden. Zuvor haben die Staatsdiener bei einer Demonstration noch mal ihrem Unmut über Einbußen freien Lauf gelassen. Ob sie damit Grün-Rot noch zur Umkehr bewegen können?

Im Streit mit der grün-roten Landesregierung wird der Ton des Beamtenbunds immer schärfer. Er schließe bei weiteren «Sparorgien» zulasten der Staatsdiener den Gang zum Bundesverfassungsgericht nicht mehr aus, drohte Landeschef Volker Stich bei einer Protestkundgebung am Samstag in Stuttgart.

Im Grundgesetz sei festgeschrieben, dass die Beamten nicht von der gesamtgesellschaftlichen Einkommensentwicklung abgehängt werden dürften. «Im Moment hinken wir zwar hinterher, aber der Abstand ist für eine Klage noch nicht groß genug», sagte Stich.

Nach Veranstalterangaben 5000 und laut Polizei 3000 Menschen waren dem Ruf des Beamtenbundes gefolgt, gegen die Verschiebung der Besoldungserhöhung für Beamte zu protestieren. Am 10. Juli will die grün-rote Koalition das Gesetz dazu im Landtag verabschieden. Die Lehrergewerkschaft GEW solidarisierte sich mit den Beamten und kündigte für den Tag eine Protestaktion in Stuttgart an.

Dem Gesetzentwurf zufolge würde die für die Tarifbeschäftigten bereits beschlossene zweistufige Erhöhung um 5,6 Prozent für die 180 000 Landesbeamten und 100 000 Versorgungsempfänger nur verzögert wirksam. Die Dauer der Verschiebung ist sozial gestaffelt und liegt zwischen sechs und zwölf Monaten. Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann sprach von einem «vertretbaren Kompromiss zwischen den Interessen der Beamtenschaft und der Haushaltskonsolidierung». Weiter sagte sie: «Wir verstehen den Unmut, wenn die Bezüge später erhöht werden als erwartet – aber wir kommen einfach nicht daran vorbei.»

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Finanzminister Schmid ist nicht auf der Kundgebung der Beamten erschienen – hier mit S21-Demonstranten im Jahr 2010. (Foto: SPDBW/Flickr CC BY-NC 2.0)

Stich mahnte: «Noch kann die grün-rote Landesregierung den Rückwärtsgang einlegen und sich auf uns zubewegen.» Die Beamten fordern nicht nur eine inhalts-, sondern auch zeitgleiche Übertragung des Tarifabschlusses. Finanzminister Nils Schmid (SPD) verteidigte den Eingriff in die Beamtenbesoldung. «Mit einem Anteil von über 40 Prozent bilden die Personalausgaben nach wie vor den größten Ausgabenblock des Landes. Sie können deshalb bei der Konsolidierung nicht außen vor bleiben», sagte er. Aufgabe der Landespolitik sei es gewesen, einen Kompromiss zu finden. Er fügte hinzu: «Kompromisse bringen es mit sich, dass nicht jede Seite ihre Forderungen zu 100 Prozent durchsetzen kann.»

Drei Monate vor der Bundestagswahl kündigten die Beamten auch an, ihr Kreuzchen nicht bei Grünen oder Sozialdemokraten zu machen. «Wer uns quält, wird nicht gewählt – nicht im Bund und nicht im Land», warnte der Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Joachim Lautensack. Bei der Landtagswahl 2011 hatte laut Beamtenbund ein Drittel der Beamten für Grün gestimmt. Dass Vizeregierungschef Schmid der Einladung des Beamtenbundes zur Kundgebung nicht gefolgt war, kommentierte Stich mit: «Offenbar ist ihm die Situation zu heiß.»

Für besondere Empörung unter den Staatsdienern hatte die Erhöhung der Diäten für die Landtagsabgeordneten zum 1. Juli um 3,2 Prozent gesorgt. «Wasser predigen, aber selbst Wein trinken – das ist Politik grün-rot», monierte Stich. Dagegen werde den Beamten schon das dritte «Sonderopfer» in zwei Jahren abverlangt: Im vergangenen Jahr war es das 130-Millionen-Sparpaket mit Besoldungsverschiebung um sieben Monate und Abstrichen bei der Beihilfe, dann die neuerliche Absenkung der Eingangsbesoldung und jetzt die verzögerte Besoldungserhöhung.

Die Beamten seien die «einzige Gruppe, an der gespart werde», klagte Stich. Zwar sei Sparen im Landeshaushalt notwendig, aber die dort klaffenden Deckungslücken habe Grün-Rot selbst zu verantworten. Die Regierung gebe zwei Milliarden Euro für eigene Schwerpunkte etwa im Straßenbau, in der Bildung und im Umweltschutz aus. «Das ist eine ungerechte und unmoralische Landespolitik.»

Die Menge, ausgerüstet mit Vuvuzelas, Fahnen und Trillerpfeifen, skandierte immer wieder «so nicht». Auf Bannern war zu lesen: «Beamte sind keine Sparschweine» oder «Wer gute Leistung will, muss gutes Geld geben». Julia Giertz/dpa

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