Finanzkompetenz für Schüler – ausgerechnet von der Schufa?

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WIESBADEN. Eine Internet-Plattform will angeblich junge Menschen im Umgang mit Geld fit machen und stellt dafür auch Unterrichtsmaterial bereit – Betreiber des Angebots ist ausgerechnet die Schufa, die privatwirtschaftliche Auskunftei also, bei der Banken und andere Unternehmen Informationen über säumige Schuldner abrufen. Das dürfte Wasser auf die Mühlen der GEW sein, die unlängst vor dem Einfluss von Lobby-Gruppen auf die Schulen gewarnt hatte.

Helfen Informationen von Lobbyisten Schülern, sich in dem Informationswust zurechtzufinden? Illustration: Tony Hegewald / pixelio.de
Helfen Informationen von Lobbyisten Schülern, sich in dem Informationswust zurechtzufinden? Illustration: Tony Hegewald / pixelio.de

Anna hat alles fein säuberlich untereinandergeschrieben: Fitness-Studio, Shopping, Kino, Sportclub, Kosmetik, Handy, Nachhilfe und Essen. Auf Ausgaben von durchschnittlich 500 Euro pro Monat kommen die Schüler. «Dass unsere Eltern und wir im Monat so viel Geld für uns ausgeben, hätte ich nicht gedacht», bringt Niklas die Überraschung der Neuntklässler auf den Punkt. Die Neugier der Gymnasiasten der Frankfurter Wöhlerschule auf Geldfragen ist geweckt – und kann gleich gestillt werden: Zum offiziellen Start dürfen die Schüler die Internet-Plattform www.wirtschaftswerkstatt.de ausprobieren.

Die Wirtschaftsauskunftei Schufa will angeblich 15- bis 20-Jährige damit im Umgang mit Geld sicherer machen. «Zielgruppe sind Schüler im Eintrittsalter in die Erwachsenen- und Wirtschaftswelt mit all ihren Chancen und Risiken», sagt der Vorstandsvorsitzende der Schufa Holding AG, Michael Freytag, selbst Vater von fünf Kindern, bei der Präsentation des Angebots. «Das Thema Finanzkompetenz spielte bei uns zu Hause eine große Rolle», ergänzt er, und nennt Taschengeld und Internet als Beispiele.

Mit den jungen Leuten suche die Schufa den Dialog über Gelddinge, daher setze sie auf Internet-Tools. «Mit Geld umzugehen, ist letztlich die Basis von allem», meint Freytag. Für Lehrer bietet das Projekt „SCHUFA macht Schule“ begleitendes Unterrichtsmaterial, um – so die Selbstdarstellung – „die Entwicklung von Finanzkompetenz realitätsnah in den Unterricht zu integrieren“. Über www.SCHUFAmachtSchule.de sind umfangreiche Materialien wie Themenhefte oder Unterlagen für Vertretungsstunden abrufbar.

Die Voraussetzungen, jungen Leuten einen verantwortungsvollen Umgang mit Geld zu vermitteln, seien in Deutschland gut, so meinen die Initiatoren der Plattform: 78 Prozent der 15- bis 24-Jährigen planten ihre Finanzen regelmäßig. Mehr als die Hälfte von ihnen spare regelmäßig, und die jungen Kreditnehmer seien genauso zuverlässig wie ältere: 97 Prozent zahlten reibungslos. Mehr als 91 Prozent der erwachsenen Bundesbürger hätten nur positive Merkmale in den Dateien der Schufa. Gleichwohl: Letztlich lebt die Schufa davon, dass Menschen ihre Kredite nicht mehr bedienen können (und die Banken vor solchen Schuldnern gewarnt sein wollen). Das System wird die Schufa kaum infrage stellen. Und tatsächlich macht die Schüler-Seite heiter-jovial auf mit dem Thema „Tipps zum cleveren Shopping“.

Offenbar, um solche Grundsatz-Kritik gar nicht erst aufkommen zu lassen, betreibt die Schufa die Plattform, zu der ein interaktives Lernsystem gehört, nicht selbst. Sie hat dafür Helliwood verpflichtet, einen Ableger der gemeinnützigen Fördervereins für Jugend und Sozialarbeit und Spezialist für Bildung und Neue Medien in Berlin. «Eure Daten sind sicher», verspricht Helliwood-Geschäftsführer Thomas Schmidt den Nutzern. Der Hinweis scheint angebracht: Die Schufa hatte sich vor kurzem heftiger Kritik ausgesetzt, also bekannt wurde, dass sie untersuchen lassen wollte, ob Informationen aus sozialen Medien in ihr Bonitäts-Ranking einbezogen werden könnten. Aktuell ist die Schufa laut Wikipedia im Besitz von 479 Millionen Einzeldaten von 66,2 Millionen natürlichen Personen, damit hat sie rund drei Viertel aller Deutschen erfasst.

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Wirtschaftsminister hat kein Problem mit der Seite

Hessens Wirtschaftsminister Florian Rentsch (FDP) hat trotz des offenkundigen Interesses der Schufa, das eigene Image mit der Schüler-Seite aufzupolieren, keine Probleme mit dem neuen Angebot. Er zeigte sich bei einer Präsentation beeindruckt von der Plattform und verwies auf die veränderten Ladenöffnungszeiten im Zeitalter von Online-Bestellungen. «Ein Kaufvertrag ist innerhalb von Sekunden im Internet geschlossen», so weiß der Minister – eine Gefahr für junge Menschen. Hilft dagegen das neue Info-Angebot? Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist da offenbar skeptisch. Sie hat sich unlängst für eine öffentlich kontrollierte Prüfstelle für private Unterrichtsmaterialien stark gemacht. „Wenn die Zahl frei verfügbarer und privater Unterrichtsmaterialien in die Millionen steigt – bei sinkenden Schulbuchausgaben! – brauchen Schulen und Lehrkräfte mehr Orientierung und eine Anlaufstelle, die im Zweifelsfall helfen kann“, betont die stellvertretende GEW-Vorsitzende Marianne Demmer.

Die Kultusminister würden das Ansinnen mit Verweis auf die Kompetenz von Lehrern ablehnen. „Natürlich haben Lehrkräfte die Kompetenz, professionellen Unterricht zu gestalten“, sagt die GEW-Schulexpertin. „Die Kultusminister vergessen aber, wie viel Unterricht fachfremd etwa im Bereich Wirtschaft gehalten werden muss. Außerdem ist nicht immer klar zu erkennen, welche Financiers sowie wirtschaftlichen und politischen Interessen hinter den Lehrangeboten stecken.“

Welche Erfahrungen machen die Schüler? Niklas, Lars und Anna haben von ihrem Taschengeld «eigentlich immer was übrig» und sind noch nie mit ungewollten Kosten wie einer Abo-Falle konfrontiert worden. Levin hat ungewollt mit einem neuen Handy einmal 30 Euro Kosten verursacht, weil er aus Versehen zu lange online war. Der 15-Jährige findet es gut, mit der «WirtschaftsWerkstatt» zu lernen, «wie viel Geld man wirklich ausgibt. Wie teuer Strom ist, und dass eine Familie für das Internet und das Telefon noch mehr Geld ausgibt als für den Strom, war ihm neu. Und Anna hat gelernt: «Was es bedeutet, die AGB nicht zu lesen.» Immerhin. Denn die allgemeinen Geschäftsbedingungen – warnt Schufa-Chef Freytag – läsen nur sechs Prozent der jungen Menschen.

Über die Schufa – und die Kritik an ihrer Wirtschaftsmacht – erfahren die Schüler hingegen nichts. Wer das Stichwort „Schufa“ auf der Seite eingibt, bekommt nur folgende Information: „Diese Suche lieferte keine Ergebnisse.“ News4teachers / mit Material der dpa

Die ZDF-Sendung Frontal21 strahlte unlängst den Beitrag „Schüler unter Einfluss – Lobbyisten im Klassenzimmer“ aus. Hier geht es zu dem Beitrag.

Hier geht es zur „Wirtschaftswerkstatt“ der Schufa.

 

 

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