Hauptthemen Familie und Jugend – In München wird der „Neue deutsche Film“ gefeiert

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MÜNCHEN. In der Reihe «Neues Deutsches Kino» beim Münchner Filmfest drehen sich viele Filme um Familie, Beziehungen und Liebe. Eintönig? Im Gegenteil: Aktuell, vielschichtig und widersprüchlich.

  Helge Schneiders Krimi-Parodie «00 Schneider – Im Wendekreis der Eidechse» tanzt beim Filmfest München etwas aus der Reihe – zumindest aus der Reihe «Neues Deutsches Kino». Die meisten der 14 Filme drehen sich um Familie, Beziehungen oder Liebe – manche auch um alles auf einmal. Dabei sind die Erzählformen ganz unterschiedlich und auch inhaltlich ergibt sich kein einheitliches Bild über «die Familie» oder «die Liebe».

«Die widersprüchlichen Sichtweisen sind sehr bewusst so gewählt», sagt Christoph Gröner, der die Reihe zusammengestellt hat. Er habe eine möglichst große Vielfalt des deutschen Films abbilden wollen. Ein Großteil der Streifen konkurrierte um den Förderpreis Neues Deutsches Kino, der am 5. Juli an „Love Steaks“ verliehen wurde. In diesem Jahr gingen erstmals die Preise in allen vier Kategorien – Schauspiel, Drehbuch, Produktion und Regie – an „Love Steaks“ von Regisseur Jakob Lass, Filmstudent an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ Potsdam-Babelsberg. „Love Steaks“ ist eine Liebesgeschichte zwischen einem jungen Masseur, der ganz frisch in ein Wellnesshotel kommt und einer jungen Köchin, die sich anziehen weil sie so gegensätzlich sind.

"Love Steak" hat alle Preise in München abgeräumt. (Bild: PR)
„Love Steak“ hat alle Preise in München abgeräumt. (Bild: PR)

In «Ich fühl‘ mich Disco» von Regisseur Axel Ranisch hält die Mutter die Familie zusammen – der Vater und der pubertierende Sohn können nicht viel miteinander anfangen. Nach einem Schlaganfall fällt die Mutter ins Koma und Vater und Sohn müssen sich zusammenraufen. Mehr noch: Vater Hanno muss mit dem Coming-out seines homosexuellen Sohnes zurechtkommen.

Im Film «Eltern» von Robert Thalheim ist hingegen der Vater derjenige, der den Draht zu den Kindern hat – bis er nach Jahren der Kinderbetreuung wieder arbeiten will. Das belastet nicht nur die Kinder, sondern auch die Ehe. In «Die Erfindung der Liebe» von Lola Randl wird auch geheiratet, aber eher aus finanziellen Interessen. Bei allen Bemühungen um Liebe und Partnerschaft vermittelt der Film den Eindruck, dass jeder Geliebte, jeder Partner ersetzbar ist.

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Karin Jurczyk vom Deutschen Jugendinstitut überraschen die Themen nicht: «Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen werden unsicherer, da rückt die Familie wieder mehr in den Vordergrund.» Trennungen und Scheidungen, die immer mehr Menschen selbst oder in ihrem Umfeld erleben, würden zwar normaler, seien aber für die Betroffenen immer eine zutiefst berührende Lebenserfahrung. Das habe auch Einfluss auf die Frage: Wie gestalte ich meine Beziehungen? Die Sehnsucht nach festen Verbindungen wachse: «Treue und Stabilität stehen auf der Wertigkeitsskala von jungen Erwachsenen wieder ganz oben.»

«Finsterworld» von Frauke Finsterwalder zeichnet das Bild einer Gesellschaft, in der eigentlich nur jeder an sich selbst denkt. Zum Beispiel zeigt sie eine Schülergruppe, die ein ehemaliges Konzentrationslager besucht. An einem solch denkwürdigen Ort pfeifen die Jungs den Mädchen nach oder nutzen die missliche Lage einer Klassenkameradin aus, um mit ihr anzubandeln.

Eine völlig ich-bezogene Jugend? Pauschalisieren dürfe man aber nicht, sagt Jurczyk. Viele Jugendliche interessierten sich für politische und gesellschaftliche Themen, die ihre Zukunft betreffen. «Die Jugendlichen haben größere Zukunftsprobleme zu erwarten: Keine sicheren Renten und Jobs, sich ändernde Familienstrukturen, aber auch zum Beispiel den Klimawandel», erklärt Jurczyk. «Die Jugendlichen haben recht, wenn sie sich über ihr eigenes Leben Gedanken machen.»

Sich Gedanken machen – das wollte Christoph Gröner mit der Reihe «Neues Deutsches Kino» auch erreichen: «Die Leute sollen sich zu den Filmen verhalten. Ich hoffe, dass die Filme niemanden kalt lassen.» Wie nebenbei zeigt Gröner mit der Filmauswahl auch die Vielfältigkeit und Ästhetik des deutschen Films, der sich trotz einiger dominierender Themen nicht über einen Kamm scheren lässt. dpa

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