Immer weniger Jugendliche trinken sich in den Rausch

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POTSDAM. Gute Nachrichten aus Brandenburg: Fast jeder 15- und 16-Jährige hat nach Ministeriumsangaben Erfahrungen mit Alkohol gemacht. Allerdings trinken einer aktuellen Befragung zufolge immer weniger Zehntklässler im Land regelmäßig. Laut einer Expertin hat auch das «Rauschtrinken» abgenommen.

Hier ein Bier, dort ein Gläschen Wein und noch ein Schluck Sekt: Die meisten Brandenburger Jugendlichen haben nach Angaben des Gesundheitsministeriums schon mal Alkohol probiert. Doch immer weniger griffen demnach regelmäßig zur Flasche. Das «Rauschtrinken» habe abgenommen, sagte die Geschäftsführerin der Landesstelle für Suchtfragen, Andrea Hardeling.

In der jüngsten Befragung des Gesundheitsministeriums unter 15- und 16-Jährigen, die im Mai präsentiert wurde, gaben 10,4 Prozent der Mädchen und 19,4 Prozent der Jungen an, mindestens einmal pro Woche Alkohol zu trinken. Vor neun Jahren lag der Anteil noch bei jeweils 18 und 34 Prozent. Rund 92 Prozent der Zehntklässler haben nach Ministeriumsangaben bereits erste Erfahrungen mit Wein und Bier gemacht.

Die Zahl der 14- bis 18-jährigen Jugendlichen, die wegen Komatrinkens im Krankenhaus behandelt werden mussten, lag zur Zeit der vergangenen Erhebung im Jahr 2011 bei 342. Fünf Jahre zuvor gab es noch 429 junge Patienten. «Wir sind selbst positiv überrascht», sagte Hardeling. Ob in manchen Regionen mehr getrunken wird als in anderen, ist bislang nicht bekannt.

Gesundheitsministerin Anita Tack (Linke) führte die positive Entwicklung bei der Präsentation der neuesten Zahlen im Mai auf den Erfolg der Landesprojekte gegen exzessives Trinken zurück. Durch Kampagnen, Aktionstage in Schulen und gezielte Fortbildung der Lehrer sollen Schüler für den richtigen Umgang mit Alkohol fit gemacht werden. Dafür würden jährlich etwa 450 000 Euro bereitgestellt. «Wir setzen schon im Kita-Alter an, um die Lebenskompetenz der Kinder zu stärken», betonte Expertin Hardeling. In den Schulen werden Kurse und Aktionstage organisiert, die das Thema altersgerecht aufgreifen.

Ein besonderes Projekt ist «Lieber schlau als blau», bei dem Schüler mit Erlaubnis der Eltern und unter Aufsicht ihrer Lehrer die Wirkung von maximal drei Gläsern Bier austesten. «Es ist unsinnig, alles zu verteufeln und Abstinenz zu fordern», sagte Carsten Schroeder, Leiter der Suchtberatungsstelle der Salus-Klinik Lindow (Ostprignitz-Ruppin). Seit 2008 organisiert die Klinik das Experiment, mit dem Jugendliche die Wirkung von Alkohol kennenlernen sollen. «In diesem Alter ist das natürlich ein besonders spannendes Thema», weiß Schroeder. Gerade dann gehe es darum, mit Drinks die eigenen Grenzen auszutesten.

Jugendliche, die einen Rausch auf die leichte Schulter nehmen, riskieren ernsthafte Folgen. Ist das Gehirn noch nicht ausgereift, kann Alkohol leicht schädlich sein – und das sogar bei einmaligem Konsum. «Die Konzentration und das Gedächtnis verschlechtern sich zeitweise, das kann sich also auch auf den Mathetest am nächsten Tag auswirken», warnt Schroeder. Durch häufige Trinkgelage verschlechtern sich die Leistungen und das Lernen wird immer schwieriger.

Vor allem zu viel Alkohol lässt Feiern eskalieren: Trinkspiel auf einer Abi-Party 2007. Foto: Bruegge / Flickr (CC BY 2.0)
Prävention gegen exzessives Trinken scheint in Brandenburg die Jugendlichen zu erreichen. Foto: Bruegge / Flickr (CC BY 2.0)

Ist ein Schüler öfters betrunken, wird ins Krankenhaus gebracht oder gerät ins Visier der Polizei, dann bietet das Land erste Hilfe. In Suchtberatungskursen sollen sich Gleichaltrige über ihre Erfahrungen mit dem Rausch austauschen. «Das bringt viel mehr als ein striktes Verbot», meint Schroeder.

Bei ernsthaften Alkoholproblemen hilft manchmal nur noch ein Ortswechsel. «Wenn die Schule geschwänzt wird, Cannabis und Kriminalität dazukommen, kann eine stationäre Behandlung helfen», sagte Hardeling. Im Verband gibt es derzeit acht Häuser, die sich auf die Arbeit mit Jugendlichen spezialisiert haben. «Eine Einrichtung arbeitet sogar mit Schlittenhunden, um den jungen Leuten bei ihren Problemen zu helfen.»

Damit es gar nicht erst so weit kommt, kann im Vorfeld viel getan werden. «Es wäre natürlich gut, die Präventionskurse fest im Lehrplan zu verankern», sagte Hardeling. Und auch Eltern sollten sich mit dem Thema beschäftigen, meint Schroeder. Es gehe darum, mit den Sprösslingen auf Augenhöhe über ihr Trinkverhalten zu sprechen. «Sicher, klare Grenzen muss es dann auch geben.» Angie Pohlers/dpa

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