Neuer Streit um Militärforschung an Hochschulen entflammt

0

KIEL. Lebt jetzt eine alte Diskussion neu auf? An mehreren Unis fordern Studenten Zivilklauseln zum Ausschluss militärischer Forschung. Von Wissenschaftlern kommt zum Teil heftiger Widerspruch.

Darf eine öffentliche Hochschule mit Bundeswehr oder Rüstungsfirmen kooperieren und dafür Millionen einstreichen? Oder widerspricht das dem Leitspruch «Pax Optima Rerum» im Siegel der Universität Kiel, wonach Frieden das höchste Gut sei? Eine alte Diskussion über «Zivilklauseln» hat an deutschen Universitäten wie in Kiel neue Fahrt aufgenommen. An rund einem Dutzend gibt es so etwas, Vorreiter war die Uni Bremen in den 80er Jahren.

Panzer
Militärforschung ist auch für öffentliche Unis ein oft lohnendes Geschäft. Foto: Andreas Dengs, www.photofreaks.ws / pixelio.de

In Kiel waren jetzt in einer Studenten-Befragung zwei Drittel dafür, den Passus «Forschung, Studium und Lehre sind zivil, dienen friedlichen Zwecken und sind frei von Kooperation mit Rüstungskonzernen und militärischen Akteuren» in der Grundordnung zu verankern. Es beteiligten sich 18 Prozent der über 24 000 Studenten.

«Es ist nicht Aufgabe einer öffentlichen Einrichtung, militärische Forschung zu betreiben», sagt der Politikstudent Ruben Reid, der in Kiel den «Zivilklausel»-Arbeitskreis koordiniert. 2,7 Millionen Euro, gut ein Prozent ihrer Drittmittel-Einnahmen, erhielt die Uni 2007 bis 2012 von Verteidigungsministerium und Nato für über zehn Projekte. Dabei ging es einem Sprecher zufolge unter anderem um Strategieberatung zum Ausstieg aus Afghanistan oder darum, wie U-Boote Meeressäuger beeinflussen, nicht etwa um die Wirkung von Waffen oder Ähnliches.

Für die Hochschulleitung greift eine «Zivilklausel» zu kurz. So sei im Einzelfall schwer zu definieren, was unter Militärforschung genau zu verstehen sei. Der Geldgeber reiche als Bewertungsmaßstab nicht aus. Zudem müsse Forschung grundsätzlich frei sein. Auch das «Dual-Use»-Problem spielt eine Rolle: Erkenntnisse können für gute und für böse Zwecke genutzt werden.

«Nein Danke!», sagt der Direktor des Kieler Instituts für Sicherheitspolitik, Joachim Krause, zur «Zivilklausel». Sie sei eine Mogelpackung, weil es den Betreibern tatsächlich darum gehe, wissenschaftliche Kontakte mit Bundeswehr oder wehrtechnischer Industrie zu diskreditieren und zu unterbinden. Krause hält es für verfassungswidrig, eine Zusammenarbeit zu untersagen. «Es geht um politisch motivierte Einschränkungen der Freiheit von Forschung und Lehre», wettert der Professor in einer Stellungnahme. Dies sei für eine freie Universität in einer demokratischen Gesellschaft völlig inakzeptabel.

Erfahrungen mit Zivilklauseln zeigen für Krause, dass sie «von linken und vor allem linksextremen Gruppen unterschiedlicher Provenienz als Einfallstor genutzt werden, um den Betrieb an der Universität entweder in ihrem Sinne zu steuern oder diesen zu stören». Keiner werde gezwungen, für das Verteidigungsministerium oder die Wehrtechnik Projekte zu machen, aber Wissenschaftler dürften daran nicht gehindert werden.

Der «Zivilklausel»-Befürworter Reid hält dagegen, einen Freifahrschein könne es nicht geben. In einer demokratischen Gesellschaft müsse diese entscheiden, welche Werte für sie gelten sollten und dem könnten sich Hochschulen nicht entziehen. Die «Zivilklausel»-Initiatoren wollen nach den Semesterferien eine umfassende Diskussion an der Uni führen und dann dem Senat ein Konzept vorlegen. Dieser beschloss inzwischen Grundsätze zur Verantwortung im Spannungsfeld zwischen Forschungsfreiheit und ethischen Begrenzungen. Eine Ethikkommission soll zweifelnde Forscher im Einzelfall beraten.

An der Uni Kassel geben bereits die Orientierungen für Professoren vor, Forschung und Lehre dürften nur zivilen und friedlichen Zwecken dienen. Nun gibt es einem Sprecher zufolge Wünsche, einen solchen Passus in einer Teil-Grundordnung zu verankern, um ihn aufzuwerten. Am 17. Juli wird der Senat darüber möglicherweise abstimmen.

In Schleswig-Holstein wird die Diskussion nach der Sommerpause neuen Schwung bekommen. Das Wissenschaftsministerium will mit Rektoraten und Studentenvertretern sprechen, aber keine Vorgabe machen. Auch in der Debatte zur Reform des Landeshochschulgesetzes wird das Thema eine Rolle spielen – auch hier Ausgang offen. (dpa)

(07.07.2013)

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments