Schulinspektion soll in NRW künftig stressfrei ablaufen

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DÜSSELDORF. Der Schulinspektor ist für ein Lehrerkollegium so etwas wie die Schwiegermutter vom Amt: Viel Arbeit im Vorfeld und die Hoffnung, dass der ungeliebte Besuch schnell wieder verschwindet. In NRW will die Schulministerin aus einer lästigen Pflicht Lust machen.

Qualitätskontrolle und -entwicklung an nordrhein-westfälischen Schulen soll künftig unbürokratischer, eigenverantwortlicher und weniger angstbesetzt organisiert werden. Der Berliner Bildungsforscher Prof. Hans Pant erläuterte in Düsseldorf die Grundvoraussetzung: Der «Schwiegermutter-kommt-Effekt» muss aus der Schulinspektion in Deutschland verschwinden. Bislang habe der eine nachhaltige Schulentwicklung verhindert: «In der Aufräumphase zwischen Ankündigung und Besuch passiert viel – danach wenig.»

Künftig ein weniger strenger Blick bei der Schulinspektion in NRW? Foto: Günther Gumhold / pixelio.de
Künftig ein weniger strenger Blick bei der Schulinspektion in NRW? Foto: Günther Gumhold / pixelio.de

Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) will jetzt nach acht Jahren Erfahrungen mit Qualitätskontrolle und -analyse in NRW neue Wege beschreiten. Der Schlüssel zu nachhaltigen Verbesserungen soll stärkere Eigenverantwortung der Schulen sein. Statt Herausputzen für den Schulinspektor und weiter so, wenn er weg ist, soll guter Unterricht mit eigenen Schwerpunkten entwickelt werden.

Angst, Scham und Tadel müssten raus aus diesem Prozess, betonte Löhrmann. Deswegen werde es auch keine Überraschungsbesuche, sondern mit den Schulen langfristig abgestimmte Termine geben. Eine traditionell «von oben nach unten» verordnete Qualitätsentwicklung sei «ein typisch deutsches Problem», stellte Pant fest. «Wir wollen, dass die Schulen die Qualitätsanalyse nicht als lästige Pflichtübung empfinden, sondern dass alle daran arbeiten, besser zu werden», sagte Löhrmann.

Dennoch sollen die Schulen in NRW künftig in regelmäßigeren Abständen auf ihre Qualität untersucht werden. Bislang musste jede einzelne der rund 6500 Schulen in NRW rechnerisch nur alle 16 Jahre mit einer Inspektion rechnen. Ziel sei nun eine Qualitätsanalyse alle fünf Jahre, sagte Löhrmann. Da es in den Bezirksregierungen nur 90 Inspektoren für die Aufgabe gibt, konnten seit Einführung der Analyse im Schuljahr 2005/06 bislang erst 3040 Schulen daran teilnehmen.

Auch künftig sollen Inspektoren weiterhin Kernelemente des Unterrichts, Arbeitsklima und Führungskultur beurteilen. Derzeit arbeitet das Ministerium an einem Leitfaden für guten Unterricht an guten Schulen, der im kommenden Schuljahr vorgestellt werden soll.

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Außerdem wird ein neuer «Unterrichtsbeobachtungsbogen» eingeführt. Die Qualitätsprüfer kreuzen dort an, wie es etwa um die Schülerorientierung, Klarheit, selbst gesteuertes Lernen, Partnerarbeit oder Unterrichtsmedien bestellt ist. Statt «Geschwurbel» biete der Bogen nur zwei Antwortmöglichkeiten, lobte Pant: «Trifft zu – trifft nicht zu».

Der Wissenschaftler vom Institut zur Qualitätsentwicklung an der Berliner Humboldt-Universität räumte aber auch mit zu schlichten Interpretationen auf: «Es gibt Super-Frontalunterricht, der ist nicht an sich schlecht.» Auch Lernstandserhebungen müssten kein eindeutiger Beleg für gute oder schlechte Schulentwicklung sein: «Manche Schulen haben unter ihren Schülern so gutes Potenzial, da kann auch schlechter Unterricht nicht viel kaputt machen.» Umgekehrt hätten Schulen, die in Lernstandserhebungen schlecht abschneiden, häufig mit sehr schwierigen Rahmenbedingungen zu kämpfen, etwa einem hohen Migrantenanteil oder Umstellungsprozessen.

Für die Schulen wird der Besuch der Inspektoren künftig auf jeden Fall stressfreier sein: Bislang mussten sie ein Portfolio mit 21 verschiedenen Dokumentensätzen vorlegen. Künftig sollen es nur noch vier Dokumente sein: das Schulprogramm, ausgewählte Lernpläne, Grundsätze der Leistungsbewertung und das Fortbildungskonzept.

Außerdem wird die «Schwiegermutter vom Amt» künftig möglicherweise schneller wieder verschwinden. Derzeit bleiben die Inspekteure drei bis vier Tage. Es werde geprüft, den Besuch zu verkürzen, sagte Löhrmann. Lehrerverbände lobten die Verschlankung. Dadurch werde der bislang betriebene Aufwand deutlich reduziert, heißt es etwa bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Zu befürchten sei aber, dass die von den Schulen eingeforderte Unterstützung nicht im gewünschten Umfang angeboten werden könne. „Empfehlungen zur Selbstevaluation reichen nicht“, sagte die Landesvorsitzende Dorothea Schäfer. Ihr Fazit: „Wir brauchen mehr Personalressourcen, bessere Rahmenbedingungen und weitere schulinterne Fortbildungstage, damit die Schulen konkrete Unterstützung erhalten.“ dpa

Zum Bericht: „Schulinspektion: Der Lehrer ist wichtig – Strukturen sind es nicht“

 

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4 Kommentare
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Grias Di
10 Jahre zuvor

Wenn es nur um Verbesserung ginge. Gute Schulen werden nicht gefragt, wie sie es machen, schlechten Schulen wird nicht geholfen. Diese werden nur bestraft.

Warner
10 Jahre zuvor

Ich bezweifle den Sinn von Inspektionen.
Viel kriegen die „Inspektoren“ sowieso nicht mit und ich bezweifle ihre Übereinstimmung der theoretisch wohlklingenden mit den tatsächlichen Faktoren ihrer Beurteilung.
Ich bezweifle sogar, dass sie das Zeug haben, um angeblich gute von angeblich schlechten Schulen zu unterscheiden.
Schulinspektionen richten sich nach dem Geist der jeweils Regierenden mit ihren Behörden. Ob der richtige Bewertung ausmacht, ist doch sehr faglich.

mehrnachdenken
10 Jahre zuvor
Antwortet  Warner

Das ist auch meine Meinung. Wie wenig aussagekräftig diese Inspektionen sein können, habe ich persönlich erlebt. Da erhielt die Schulleitung für ihr Führungsverhalten die Bestnote. Etwas später übte sie so massiven Druck auf mehrere Lehrkräfte aus, dass diese sich nicht anders zu helfen wussten, als die Schule zu verlassen.

Grit
10 Jahre zuvor

Auch vom Kontrollwert her sinnvoller als Inspektionen ist ein selbstverständliches beobachtendes wie aktives Einbinden weiterer Kräfte im Unterricht, z. B. was Förderschullehrer im Rahmen von ‚Inklusion‘ (anstelle gelangweilter Hausfrauen als ‚Integrationsassistentinnen‘) betrifft. Da nicht unbedingt pro Kind ein Begleiter nötig ist, muss das wohl nicht mit zusätzlichen Kosten einhergehen. Vielmehr könnte bei der jetzigen Flut von Begleitern eingespart werden. Professionellere Kräfte hätten mehr Urteilskompetenz.