Baden-Württemberg kürzt Anrechnungsstunden – Kommunen wollen nicht «Lückenbüßer» sein

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STUTTGART. Die Bildungsfinanzierung führt regelmäßig zu Konflikten zwischen Kommunen und Land. Einsparungen beim «Entlastungskontingent» vom kommenden Schuljahr an finden Kommunalverbände derzeit gar nicht witzig. Wer soll dafür einspringen?

Die Kommunen wollen nicht «Lückenbüßer» für die Einsparungen des Landes bei den Lehrerstellen sein. «Wir haben bereits ein knappes Dutzend Anfragen, in denen Schulträger sich über die erwarteten Folgen der gekürzten Anrechnungsstunden beschweren», sagte Städtetagdezernent Norbert Brugger in Stuttgart. In einem Fall sehe sich eine Schule nicht mehr in der Lage, nach den Ferien die Schulbücher auszugeben.

Als Anrechnungsstunden gelten die Zeitkontingente für außerunterrichtliche Tätigkeiten der Lehrer, etwa bei der PC-Wartung oder bei Arbeiten in der Schulbibliothek. Diese Entlastungsstunden werden im kommenden Schuljahr um 14 Prozent gekürzt. Das entspricht landesweit 230 Lehrerstellen. Brugger sieht das als einseitige Aufkündigung einer jahrzehntelangen Verständigung zwischen Kommunen und Land. «Es dürfen nicht weiter schleichend Aufgaben an die Schulträger übertragen werden.» Das Kultusministerium habe sich in der Angelegenheit auch noch nicht an die Kommunen gewandt.

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg sieht bei den Kürzungen die Kommunen in der Pflicht. «Wenn jetzt den Lehrern die notwendige Zeit für Aufgaben, die erledigt werden müssen, damit Schule läuft, gekürzt wird, müssen diese Arbeiten eben vom Schulträger übernommen werden», teilte VBE-Landeschef Gerhard Brand am Sonntag mit. Die Entlastungsstunden seien ohnehin schon viel zu knapp bemessen gewesen. Der Unmut der Kommunen über die Kürzungen sei verständlich. «Wenn Städte und Kommunen sich nun als „Lückenbüßer“ sehen, darf sich das Kultusministerium nicht darüber wundern.»

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Die Landesregierung bestrafe mit den Kürzungen engagierte Lehrer, teilte der FDP-Spitzenkandidat im Südwesten, Dirk Niebel, mit. «Wer mehr als nur Unterricht leistet, bekommt weniger Anerkennung.» Die Qualität von Lehre und Betreuung in den Schulen steige nicht, wenn Lehrer immer weiter unter Druck gesetzt würden. «Darunter leiden am Ende auch die Schülerinnen und Schüler.»

Es gelte nun, eine Welle von Beschwerden zu vermeiden, wenn sich die Schulen der Lücken erstmals bewusst würden, meinte Brugger. «Es ist Pflicht und Aufgabe des Landes eine ausreichende Lehrerversorgung zu gewährleisten, und wenn das nicht glückt, muss das Land nachlegen.» Sein Verband habe die Mitgliedskommunen darauf hingewiesen, dass das Ministerium in einem Schreiben zwar die zusätzliche Belastung der Lehrkräfte einräumt. Zugleich lasse es aber offen, «ob manche dieser Aufgaben nicht ohnehin ohne zusätzliche Honorierung aus dem Hauptamt abgeleitet werden könnten».

In vielen Staaten mussten Lehrer in den vergangenen Jahren Gehaltskürzungen hinnehmen. Foto: Fred Rockwood / flickr (CC BY-SA 2.0)
Wer finanziert zukünftig die Stunden außerhalb der Stundentafel? Foto: Fred Rockwood / flickr (CC BY-SA 2.0)

Kultusminister Andreas Stoch (SPD) hatte mit dieser Argumentation kürzlich eine Welle der Kritik bei den Lehrerverbänden ausgelöst. Lehrkräfte müssten sich Selbstverständlichkeiten wie die Ausgabe von Taschenrechnern nicht gesondert anrechnen lassen, hatte er im Landtag gesagt. Brugger verwies auf die laufenden Verhandlungen zwischen Kommunen und Land über den Ausbau der Ganztagsschulen und dessen Finanzierung. Da werde – anders als im derzeitigen Konflikt – um Kompromisse gerungen.

Gemeindetagpräsident Roger Kehle rechnet ebenfalls mit Beschwerden seiner Mitglieder über fehlende Stundenkontingente. Ein großes Problem sei die Wartung der pädagogischen Programme in den Schul-PCs. «Der Ball droht in unser Feld zu rollen, wir werden ihn an das Land zurückspielen.» Julia Giertz/dpa

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