FSJ: Kultur und Ökologie überlaufen – Mangel in der Pflege

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HAMBURG. Viele Jugendliche starten nach der Schule in ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr. Während ökologischen und Kultureinrichtungen das Geld fehlt, mehr Stellen anzubieten und zahlreiche Bewerber auf der Strecke bleiben, suchen soziale Träger zum Teil händeringend nach Interessenten.

Nach dem Abi wollen sie etwas Sinnvolles machen, sich orientieren, helfen, für andere da sein: Für viele junge Menschen beginnt mit dem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) oder dem Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ) ein neuer Lebensabschnitt. Ein neuer Jahrgang startet im September seinen Dienst. Manche Stellen sind heiß begehrt, eine Zusage ist teilweise Glückssache: Nach wie vor ist das Interesse für Plätze in den Bereichen Kultur und Ökologie besonders groß, wie eine Umfrage in Hamburg und Schleswig-Holstein ergab. Viele Bewerber kommen nicht an ihre Wunschstelle heran. Doch für mehr Plätze ist kein Geld da.

Freiwilliges Jahr - Bundesfreiwilligenddienstszene
Während Ökologie und Kultur boomen, sind Freiwillige in der Pflege Mangelware. Foto: BMFSFJ / Bertram_Hoekstra

Allein in Hamburg gehen für 31 Plätze im Kulturbereich knapp 1000 Bewerbungen ein, wie die Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung Niedersachsen (LKJ) mitteilte, die bis Ende August auch für Hamburg zuständig war. In Schleswig-Holstein sind es nach Angaben des Sozialministeriums über 20 Prozent der 1870 Bewerber, die sich allein kulturell betätigen wollen. Eine Tendenz mit Konsequenzen, da im Gegenzug vorrangig Plätze im Pflegebereich unbesetzt bleiben, teilte die Hamburger Sozialbehörde mit.

Allgemein beobachtet die Behörde, dass die FSJ-Bewerberzahlen in der Hansestadt über die Jahre hinweg ständig gestiegen sind: Kamen im Jahr 2007 etwa 1100 Bewerbungen auf dieselbe Zahl an Plätzen, so gingen vier Jahre später 7900 Bewerbungen auf etwa 1900 verfügbare Stellen ein. Zudem entwickelt sich das FSJ in Hamburg immer mehr zu einer Auszeit der Gebildeten: Über 70 Prozent der Freiwilligendienstler haben ein Abi oder die Fachhochschulreife in der Tasche. Hauptschüler machen lediglich noch fünf Prozent der Teilnehmer aus, ihre Zahl hat seit mehreren Jahren abgenommen.

Knapp fünf Bewerber kommen auf eine Kulturstelle in Schleswig-Holstein. Viele Einrichtungen würden mehr junge Helfer einstellen – wenn sie nur finanziell könnten. Das Problem: Ein Platz bei Kultureinrichtungen kostet monatlich mehr als 600 Euro. Davon müssen die beteiligten Einrichtungen der LKJ zufolge für jeden Freiwilligen 420 Euro selbst aufbringen – für Sozialversicherung und das Taschengeld in Höhe von 300 Euro. Die Kultureinrichtungen würden gerne weitere Projekte oder Stellen ermöglichen, jedoch stünde nicht mehr Geld von Land und Bund in Aussicht, hieß es.

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Auch Schleswig-Holstein kämpft mit leeren Taschen. Vor allem im Öko-Bereich, wo es deutlich mehr Bewerber als Stellen gebe, sehe es düster aus. Das Land könne nicht mehr leisten, als insgesamt 1,2 Millionen Euro für die Plätze in diesem Bereich beizutragen, teilte das Umweltministerium in Kiel mit. Im sozialen Bereich würden die Stellen von Krankenkassen und Pflegekassen indirekt mitunterstützt, dies sei im Umweltbereich nicht der Fall.

Für das Freiwillige Ökologische Jahr stehen in Hamburg jedes Jahr 64 Plätze zur Verfügung, doch etwa fünf Mal mehr Anfragen gehen bei der Umweltbehörde ein. «Dieser Run hält schon seit zwei bis drei Jahren an», sagte der Sprecher der Umweltbehörde, Volker Dumann. Besonders beliebt seien Stadtreinigung und Nationalpark. «Ein großer Hit ist immer Greenpeace», sagte Dumann weiter. Dass 90 Bewerbungen auf zwei Stellen fallen, sei bei der Umweltschutzorganisation nicht ungewöhnlich. (David Fischer und Petra Pezelj, dpa)

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