Tausende Gymnasiallehrer demonstrieren – Pfiffe für Kultusministerin

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HANNOVER. Trotz Pfiffen und Buh-Rufen: Bei den Protesten gegen die längeren Arbeitszeiten für Lehrer in Niedersachsen gehen die Lehrerverbände erstaunlich schonend mit Kultusministerin Heiligenstadt um.

Die Stimmung in den Lehrerzimmern in Niedersachsen ist auf dem Tiefpunkt. Mitten in den Sommerferien sind die Gymnasiallehrer von der Nachricht überrascht worden, dass sie künftig länger arbeiten müssen. Auch versprochene Entlastungen für ältere Kollegen an allen Schulen wurden gestrichen. Tausende Lehrer sind deswegen am Donnerstag nach Unterrichtsschluss mit Bussen aus allen Teilen des Landes angereist, um sich ihrem Ärger Luft zu machen. Als Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) vor ihrem Ministerium auftaucht, wird sie mit Pfiffen, Buh-Rufen und wütenden Plakaten begrüßt. «Willkommen in der Schule von Scheinheiligenstadt» steht da oder «Heiligenstadt setzt die Gymnasien matt».

Frauke Heiligenstadt
Niedersachsens Kultusministerin Frauke Heiligenstadt hält eine Erhöhung der Unterrichtszeit für Gymnasiallehrer für vertretbar und verkraftbar. Foto: SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag

Für die Proteste haben sich die niedersächsischen Lehrerverbände zusammengeschlossen. Vor fünf Jahren gab es zuletzt eine ähnliche Großdemonstration, damals gegen die Pläne der Kultusministerin Elisabeth Heister-Neumann (CDU). Diesmal jedoch ist der Ton auf der Seite der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) verbindlicher. Und der Moderator der Auftaktkundgebung lobt den Mut der Ministerin, überhaupt bei der Demo zu erscheinen.

Der GEW-Landesvorsitzende Eberhard Brandt zählt die Fehler der Vorgängerregierung auf und findet auch positive Worte für Heiligenstadts geplante Reformen. Notwendig seien aber 200 Millionen Euro mehr für den Bildungsetat, unter anderem um Ganztagsschulen und die Inklusion vernünftig zu finanzieren. Es sei schön, dass sich die CDU-Fraktion im Landtag die Lehrerforderungen zu eigen gemacht habe, sagt Brandt. «Allerdings hat der CDU-Antrag nicht gesagt, wie das finanziert wird.»

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Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) wiederholt seit Wochen gebetsmühlenhaft, die geplanten Kürzungen seien «vertretbar und verkraftbar». Stefan Strömer, Gymnasiallehrer aus Leer, sieht das dagegen anders: «Ich bin wirklich stinksauer darüber», sagt der 45-Jährige. In den vergangenen Jahren habe es bereits erhebliche Gehaltseinbußen wie die Streichung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes gegeben. «Jetzt sind weitere Einschnitte zu befürchten.»

Am Rande des Protestmarsches meint auch Oberstudienrätin Meike Pesliak (55): «Mich macht ganz wütend, dass wichtige Dinge auf unserem Rücken finanziert werden sollen.» Die Stundenermäßigung für ältere Kollegen zu streichen, sei rückwärtsgedacht, findet die Pädagogin der Sophie-Scholl-Gesamtschule in Wennigsen bei Hannover. «Ich arbeite im Schnitt 45 bis 50 Stunden. Wenn wir nicht mehr können, werden wir krank.»

Während die wütenden Lehrer durch die Innenstadt Hannovers ziehen, liefern sich denn auch die Abgeordneten im Landtag ein scharfes Wortgefecht zur Bildungspolitik. CDU und FDP stellen sich in der Debatte hinter die Lehrerproteste. Ministerin Heiligenstadt schiebt indes der Opposition die Schuld zu: «Wir haben Etliches aufzuarbeiten, was sie uns an Bildungsbaustellen hinterlassen haben.» (Christina Sticht und Nico Pointner, dpa)

Zum Bericht: Jetzt gehen Lehrer auch in Niedersachsen auf die Straße

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