Baden-Württemberg: Nicht mal mehr Geld für Schülertheater?

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STUTTGART. Um die gesetzlich verankerte Schuldenbremse einzuhalten, hat Baden-Württembergs Landesregierung den Ergänzungsbereich an Schulen radikal zusammengestrichen. Das heißt dramatisch weniger Zeit für Theater-AGs oder den Schulchor.

Die Zahl der Lehrstunden im Ergänzungsbereich ist im vergangenen Schuljahr in Baden-Württemberg um mehr als ein Drittel zurückgegangen. Das geht aus einer Stellungnahme des Kultusministeriums in Stuttgart auf einen Antrag der CDU hervor. Demnach reduzierte sich die Stundenzahl landesweit von 44 109 im Jahr 2011/12 auf nur noch 28 012 im Jahr 2012/13. Die Zahlen beziehen sich auf alle Grund-, Werkreal- und Hauptschulen. Grundschulen im Verbund mit einer Gemeinschaftsschule sind nicht berücksichtigt. Kultusminister Andreas Stoch (SPD) verteidigte die Kürzung.

Schultheaterszene
Gehen die Sparbemühungen der baden-württembergischen Regierung auf Kosten Schulkultur? Foto: David Ortmann / flickr (CC BY-NC 2.0)

«Pflicht geht vor Kür», sagte Stoch der «Pforzheimer Zeitung» (Freitag). Bevor Zusatzangebote wie eine Theater-AG oder ein Schulchor angeboten werden könnten, müsse die Unterrichtsversorgung gewährleistet sein. «Und das erwarten die Eltern von uns.»

Nach Angaben des Kultusministeriums sind die Stellen für den Ergänzungsbereich auf den Pflichtunterricht und individuelle Förderung verlagert worden. Das wichtigste Ziel sei eine verlässliche Unterrichtsversorgung. Deshalb werde vorrangig der «schwankende» Ergänzungsbereich verringert und der Pflichtunterricht ausgebaut. An den Gymnasien sei der Ergänzungsbereich sogar ausgeweitet worden. So seien im Schuljahr 2012/13 fast 3500 Lehrer-Wochenstunden hinzugekommen. Bei den Realschulen ist hingegen ein rückläufiger Trend zu beobachten.

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) kritisierte den Abbau als «Schule auf einem Minimum». «Und das wird in den nächsten Jahren so weitergehen», sagte der Landesvorsitzende Gerhard Brand. Die grün-rote Landesregierung arbeite «knallhart auf Nullverschuldung hin». Aus den verbliebenen rund 28 000 Stunden für Schulchor, Theater und Förderunterricht müsse auch noch die Krankheitsvertretung geleistet werden. Und das bedeute: «An vielen Schulen bleibt keine einzige Stunde im Ergänzungsbereich mehr übrig.»

Ein Sprecher von Stoch sagte, mit den Umschichtungen würden Versäumnisse der Vorgängerregierung aufgeholt und verlässliche Strukturen geschaffen. So werde die fest installierte Krankheitsreserve erhöht. Ein weiteres Beispiel etwa bei den Gymnasien sei die zuvor von der schwarz-gelben Regierung gestrichene zusätzliche Poolstunde, die wieder eingeführt wurde. Mehr Stellen für den regulären Unterricht würden auch dadurch benötigt, dass an der Werkrealschule die Notenhürde für den Übergang in die zehnte Klasse abgeschafft worden ist. «Heute gehen rund 50 Prozent der Schüler in die zehnte Klasse, früher 23 Prozent. Die Stunden dafür stammen aus dem Ergänzungsbereich dieser Schulen», hieß es.

Der Rückgang des Ergänzungsbereichs im Grund-/Werkreal- und Hauptschulen habe bereits in starkem Maße unter der Vorgängerregierung im Schuljahr 2009/10 von knapp 74 500 auf rund 44 100 Lehrerwochenstunden in 2011/12 eingesetzt.

CDU-Bildungsexperte Georg Wacker forderte Verbesserungen zum neuen Schuljahr. «Nachdem das Kultusministerium immer wieder darauf verweist, dass das Lehrereinstellungsverfahren erst im September abgeschlossen sein wird, heißt das im Umkehrschluss, dass noch Zeit besteht, um ausreichend Lehrkräfte auch für den Ergänzungsbereich einzustellen», betonte er. FDP-Landeschefin Birgit Homburger attestierte Grün-Rot erneut Versagen in der Bildungspolitik: «Das Bildungs- und Chancenland Baden-Württemberg wird durch den planlosen Sparkurs der Landesregierung kaputt gemacht.»

Ergänzungsangebote gehen über den eigentlichen Fachunterricht hinaus. Schüler werden dort nicht benotet und können – auch jahrgangsübergreifend – mit den Lehrern als Partnern zusammenarbeiten. Unter den Ergänzungsbereich fallen Angebote von Stütz- und Förderunterricht, Projekte und Arbeitsgemeinschaften. Je nach individueller Neigung können Schüler sich im Schulchor oder -orchester, in der Theater- oder Sport AG oder bei der Schülerzeitung engagieren. In manchen Schulen werden entwicklungspolitische Initiativen angeboten oder Gruppen zur Betreuung des Schulgartens. Stütz- und Förderangebote können Schüler wahrnehmen, die mit Lesen und Rechtschreiben sowie Mathematik Probleme haben. (Anja Semmelroch, Julia Giertz, dpa)

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Gerald
10 Jahre zuvor

Würde das grün-rote Bündnis doch nur auf Kosten SEINES Bildungsideals sparen, das da heißt „Lernen in Einheitsschulen“. Dann wäre diese Bildungsideologie endlich beseitigt.