Kurz vor der Wahl: Schlagabtausch um Bildung im hessischen Landtag

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WIESBADEN. Kultusministerin Nicola Beer (FDP) stellte in Aussicht, dass bis Ende der kommenden Wahlperiode jede hessische Grundschule an fünf Tagen in der Woche eine Ganztagsbetreuung bis 16.00 oder 17.00 Uhr anbieten werde. Dazu sollten in jedem Jahr 115 zusätzliche Stellen zur Verfügung gestellt werden, sagte sie in einer Regierungserklärung. G8 oder G9, Ganztagsschule oder Nachmittagsbetreuung – zweieinhalb Wochen vor der Wahl haben sich die Parteien im hessischen Landtag einen letzten Schlagabtausch zur Schulpolitik geliefert.

Möchte wiedergewählt werden: Hessens Kultusministerin Nicola Beer; Foto: Frank Ossenbrink / Kultusministerium Hessen
Möchte wiedergewählt werden: Hessens Kultusministerin Nicola Beer; Foto: Frank Ossenbrink / Kultusministerium Hessen

Eine verpflichtende Ganztagsschule, wie die SPD sie will, lehnte Beer ab. Dies bedeute jeden Tag Pflichtunterricht bis 16.00 Uhr. «Wir teilen nicht das Misstrauen gegen die Erziehungsarbeit der Familien, das hinter dieser Forderung steht», sagte sie. Auch Beers Plan zur Nachmittagsbetreuung setzen auf eine Zusammenarbeit der Schulen und der Kommunen.

Der Plan ähnelt dem «Pakt für den Nachmittag», den die CDU von Ministerpräsident Volker Bouffier will, aber auch der Betreuungsgarantie der Grünen. Die SPD will im Fall eines Wahlsiegs jedes Jahr 100 gebundene Ganztagsschulen einrichten.

Die SPD-Abgeordnete Heike Habermann sprach mit Blick auf die Landtagswahl am 22. September von einer «bildungspolitischen Abschlussbilanz der Landesregierung». Gut falle diese nicht aus: Den Ausbau echter Ganztagsschulen habe Schwarz-Gelb verschleppt. Diese Schulform als Zwangsmaßnahme zu bezeichnen, beleidige zudem die Mehrheit der Eltern, die sich deren Ausbau wünsche.

Auch ansonsten wolle die SPD die Schulen zu nichts zwingen: Es gehe wie in anderen Bundesländern um die freiwillige Möglichkeit, sich in Gemeinschaftsschulen umzuwandeln. «Wer hier von Zwang redet, beschwört seine eigenen Zwangsvorstellungen», sagte Habermann.

CDU-Fraktionschef Christean Wagner widersprach der Kritik: «Den Schulen in Hessen geht es richtig gut.» Die schwarz-gelbe Bildungspolitik habe Hessen in ein Chancenland verwandelt. Der Opposition warf Wagner eine Einheitsideologie vor, die mit gesundem Menschenverstand nichts mehr zu tun habe. «Wir brauchen auch weiterhin ein leistungsfähiges, ausdifferenziertes Schulsystem, das sich nicht an Ideologie, sondern am Schüler selbst orientiert.»

Auch die FDP-Fraktion sprach von einer Erfolgsbilanz. Die hessischen Schulen verfügten heute über mehr Ressourcen und Freiheit als jemals zuvor, sagte der Abgeordnete Mario Döweling.

Der Grünen-Bildungsexperte Mathias Wagner dagegen führte an, dass das hessische Bildungssystem in allen Studien nur mittelmäßig abschneide. Dennoch habe Beer keine konkreten Vorschläge für Verbesserungen gemacht. Die Ministerin habe auch nicht gesagt, wie wirkliche Wahlfreiheit zwischen G8 oder G9 hergestellt werden könne. Die Inklusion gehe nicht voran und es sei kein großer Erfolg, 440 Kindern einen islamischen Religionsunterricht anzubieten.

Die Ministerin habe auch den Sinn und Zweck des neuen Landesschulamts nicht erklären können, kritisierte die Abgeordnete Barbara Càrdenas. Die Fraktion erreichten laufend wütende Briefe von Wählern, die eine Rückabwicklung forderten. dpa

Zum Bericht: „Hessen: Volksinitiative für Rückkehr zu G9 sammelt Unterschriften“

 

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