Neuer Leiter der Odenwaldschule: „ Das Etikett «Missbrauchschule» ist eine Verpflichtung“

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HEPPENHEIM. Der 2010 aufgedeckte Missbrauchskandal hat kräftig am Ruf der Odenwaldschule gezehrt. Mit der Aufarbeitung der Übergriffe sei die Schule zu «einer Einrichtung mit modellhafter Prävention» geworden», so Schulleiter Siegfried Däschler-Seiler im Interview.

Ein Jahrzehnte zurückliegender Missbrauchsskandal erschütterte 2010 die hessische Odenwaldschule. Die Struktur der renommierten Reformschule wurde unter einer kommissarischen Chefin umgebaut. Mit Siegfried Däschler-Seiler (60) gibt es nun einen neuen Schulleiter. Er kommt von der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg.

Goethehaus der Odenwaldschule; Foto: Mussklprozz / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)
Die über 100 Jahre alte Reformpädagogik der Odenwaldschule in die heutige Zeit zu übertragen ist ein Ziel des neuen Schulleiters Siegfried Däschler-Seiler. Foto: Mussklprozz / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Frage: Wie fühlen Sie sich als neuer Schulleiter, bei dieser Vergangenheit der Odenwaldschule, mit dem Blick auf den sexuellen Missbrauch?

Antwort: Die Aufarbeitung hat hier zu enormen strukturellen und konzeptionellen Veränderungen geführt. Die Odenwaldschule ist zu einer Einrichtung mit modellhafter Prävention geworden. Es gibt ein sehr umfassendes Präventionskonzept. Das Etikett «Missbrauchschule» ist eine Verpflichtung, weiterhin besonders genau hinzuschauen. Sie hat daraus ihre Lehre gezogen für ein zeitgemäßes pädagogisches Konzept.

Frage: Soll das Thema sexueller Missbrauch präsent bleiben oder in den Hintergrund gerückt werden?

Antwort: Ich denke, es wird hier um die Balance gehen. Man wird das Thema nicht ausschalten können. Ich will das auch gar nicht ausschalten. Es sind daneben auch andere Themen wichtig. Die Schule hat alle Maßnahmen, die eine Einrichtung ergreifen kann, auch ergriffen, um ähnliches absolut zu verhindern.

Frage: Wie sieht ihr Konzept an der Odenwaldschule aus? Gibt es Unterschiede zu Ihrer Vorgängerin, der kommissarischen Leiterin Katrin Höhmann?

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Antwort: Natürlich wird es Unterschiede geben. Ich habe aber nicht vor, von heute auf morgen alles Mögliche umzustürzen. Konzeptionell wird es darum gehen, die Qualität des Unterrichts zu sichern.

Frage: Wie sieht die Herausforderung aus, die sie angehen wollen?

Antwort: Die Frage lautet generell: Was heißt heute ein modernes zeitgemäßes Schulkonzept, das aus der reformpädagogischen Tradition kommt, das die Tradition nicht negiert und andererseits halt doch 100 Jahre später an die heutigen Bedingungen angepasst ist.

Frage: Was verstehen Sie dann unter Bildung?

Antwort: Ich halte es für ganz wichtig, dass wir von einem Bildungsbegriff ausgehen, der an dem Menschen orientiert ist und nicht an der gesellschaftlichen Verwertbarkeit. Schule, Bildung und Erziehung dürfen nicht nur dienstbar sein, damit wir im globalen Wettkampf bestehen. Ein Bildungsbegriff muss heute am Kind und seinen Entwicklungsmöglichkeiten orientiert sein. Zudem müssen Lehrerinnen und Lehrer noch was anderes tun, als nur Tag und Nacht über Unterricht nachzudenken und daran zu arbeiten. (Joachim Baier, dpa)

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