Darum machen Politiker Fehler – Wissenschaftler zeigen typische Fallen

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HILDESHEIM. Nach der Wahl, die Würfel sind gefallen. Koalitionen und politische Gremien gruppieren sich, neue Abgeordnete starten in den Politikbetrieb. Wichtige politische Entscheidungen werden häufig in Gruppen getroffen. Davon verspricht man sich bessere Entschlüsse, getreu dem Motto „vier Augen sehen mehr als zwei“. Die Forschung zeigt jedoch, dass Gruppen diesen Vorteil häufig nicht nutzen und teils eklatante Fehlentscheidungen treffen. Die Hildesheimer Psychologen Prof. Andreas Mojzisch und Jan Häusser zeigen auf, wo typische Fehlerquellen liegen können.

„Wichtige Entscheidungen können bei einer Gruppe starken Stress hervorrufen, Zweifel werden unterdrückt. Das Streben nach Einmütigkeit, das bekannte ‚Schließen der Reihen‘, ist ein Mittel, um Stress abzubauen. Es verstellt den Blick für eine kritische Analyse der Sachlage und kann zu kritikloser Anerkennung der Gruppenmeinung führen“, sagt Prof. Dr. Andreas Mojzisch. Auch engstirniges Vorgehen und die Tendenz zur Selbstüberschätzung kann vorschnell in vermeintlich „alternativlose“ Entscheidungen münden. Viele Untersuchungen der vergangenen 30 Jahre zeigen, dass meinungshomogene Gruppen, also jene, deren Mitglieder die gleiche Alternative favorisieren, stärker nach meinungsbestätigenden Informationen suchen als heterogene Gruppen – was einer unvoreingenommenen Herangehensweise an ein Problem im Wege steht.
Die Lösung klingt simpel: Gruppen sollten ihre Diskussion in zwei Phasen aufteilen, sagt Mojzisch. „In der ersten Phase werden alle vorhandenen Informationen zusammengetragen, ohne auf Entscheidungspräferenzen einzugehen. Erst nach dem vollständigen Informationsaustausch sollen sich die Gruppenmitglieder über die Entscheidung Gedanken machen.“ In einer Studie, bei der die Gruppe ein schwieriges Entscheidungsproblem zu lösen hatten, konnte so die Lösungsrate von 7 auf 40 Prozent gesteigert werden (Mojzisch/Schulz-Hardt 2010, Journal of Personality and Social Psychology).

Bei Entscheidungen von Gruppen sollte Kritik offen geäußert werden. (Foto UN-Dekade für nachhaltige Entwicklung/Flickr CC BY-SA 2.0)
Bei Entscheidungen von Gruppen sollte Kritik offen geäußert werden. (Foto UN-Dekade für nachhaltige Entwicklung/Flickr CC BY-SA 2.0)

„Advocatus Diabolio“ – also abweichende Meinungen- sind wichtig

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Doch Meinungsvielfalt bringt wenig, wenn die Gruppenmitglieder sich nicht trauen, abweichende Meinungen zu äußern, sagt Mojzisch. „Damit sich die Mitglieder diese Freiheit nehmen, ist Vertrauen nötig. Kritik sollte innerhalb der Gruppe konstruktiv, wertschätzend und sachbezogenen erfolgen.“  Die Untersuchungen zeigten, dass Gruppen meist bessere Entscheidungen treffen, wenn ihre Mitglieder zu Beginn unterschiedliche Entscheidungsalternativen favorisieren. Abweichler, Neinsager, Querdenker, Außenseiter – profitieren politische Gremien also von diesen „Störenfrieden“, die sich nicht der Mehrheitsmeinung anpassen? „In der Regel ja“, sagt Jan Häusser. Gremien, die mehr oder weniger einer Meinung sind, können auf den „Advocatus Diaboli“ sogar „künstlich“ zurückgreifen. „Sie erzeugen Meinungsdissens, in dem ein Gruppenmitglied die Rolle des ‚Teufelsanwalts‘ übernimmt und konsequent die Gegenmeinung vertritt. So werden die Argumente einer kritischen Probe unterzogen und Alternativen nicht aus den Augen verloren“, sagt Andreas Mojzisch. nin

Lesetipp:
„Fehlentscheidungen in politischen Gremien: Wie sie entstehen und wie sie sich verhindern lassen“
Andreas Mojzisch/Jan Häuser
Spezialausgabe „Politische Psychologie“
Online-Zeitschrift „The Inquisitive Mind“ (psychologische Themen für eine breite Öffentlichkeit)
online: http://de.inmind-magazine.org/article/fehlentscheidungen-in-politischen-gremien-…

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