Nach Nobelpreis 2011 für Quasikristalle – deutsche Forscher entdecken mehr

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HALLE/LEIPZIG. 2011 bekam der Forscher Dan Shechtman aus Israel den Chemie-Nobelpreis für die Entdeckung der Quasikristalle. Kollegen aus Deutschland haben Weiteres herausgefunden – was auch in der Küche aufhorchen lässt.Ein Interview.

Ein Forscherteam aus Deutschland hat für die Entwicklung neuer Werkstoffe nach eigenen Angaben eine grundlegende Entdeckung gemacht. In sechs Jahren Laborarbeit fanden sie heraus, dass es möglich ist, auch aus Oxiden Quasikristalle zu bilden. Quasikristalle können die Beschaffenheit von Materialien beeinflussen, von der beschichteten Bratpfanne bis zur Medizin, wie der Leiter der Forschungsgruppe der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Wolf Widdra, in einem Interview sagte.

News4teachers.de: Herr Professor Widdra, für die Entdeckung der Quasikristalle bekam der israelische Wissenschaftler Dan Shechtman 2011 den Nobelpreis für Chemie. Was ist das, was Sie und ihr Verbund aus Forschern der Universitäten Halle, Leipzig und außeruniversitärer Institute herausgefunden haben?

Antwort: Die Entdeckung der Quasikristalle hat die Vorstellung über Kristallstrukturen in der Wissenschaft revolutioniert. Ihre Anwendung in den vergangenen 30 Jahren war bisher nur auf Metalle beschränkt. Was wir jetzt herausgefunden haben ist die Tatsache, dass auch Oxide an Grenzflächen quasikristalline Strukturen ausbilden können. Das heißt, das Feld der Anwendungen wird erweitert.

News4teachers.de: In welchen Bereichen kann man die Forschungsergebnisse anwenden, wie sind die nächsten Schritte ?

Antwort: Ich gehe davon aus, dass innerhalb der nächsten Monate ein Dutzend Gruppen weltweit sich auf dieses Thema stürzen werden mit unterschiedlichen Expertisen und dann auch unterschiedliche Materialklassen durchtesten. Dies ist der Startschuss für ein neues Arbeitsfeld. Ich bin sehr optimistisch, dass wir in vier, fünf Jahren die ersten Anwendungen davon auch sehen können. Im Moment haben wir als Grundlagenforscher die Entdeckung gemacht, die Materialklasse charakterisiert, aber es ist noch viel darum zu entdecken.

Atommodell eines Al-Pd-Mn Quasikristalls (Foto: J.W. Evans/Wikimedia Public Domain)
Atommodell eines Al-Pd-Mn Quasikristalls (Foto: J.W. Evans/Wikimedia Public Domain)

News4teachers.de: Und wie sieht das ganz praktisch aus ?

Antwort: Quasikristalle sind im Haushalt zu finden, zum Beispiel in der beschichteten Bratpfanne oder für die Herstellung superdünner Nadeln in der Medizin, die nicht zerbrechen können. Wir gehen davon aus, dass man diese oxidbasierten Schichten in härteren Materialien einsetzen kann als bisher. Das muss sich aber erst noch zeigen. Das ist noch Stoff der Zukunft.

News4teachers.de: Was ist bei den jetzt entdeckten quasikristallinen Oxiden anders ?

Antwort: Diese Verbindungen mit Sauerstoff sind sehr stabil, viel härter als Metalle. Ihre chemische Beständigkeit und Härte eröffnen gerade das Feld für die Quasikristalle als neuartige Beschichtungen. Wir wissen noch nicht, in welche Richtung Anwendungen da auch später gehen werden, aber das, was man erwartet, ist, dass man Oberflächenbeschichtungen bekommt, wie man sie bisher nicht zur Verfügung hatte. Wir sind hier in Halle vor sechs Jahren gestartet, um durch die Kombination von unterschiedlichen Materialien, wovon mindestens eins ein Oxid war, neue Materialien zu finden, die Eigenschaften haben, wie sie in der Natur nicht vorkommen.

News4teachers.de: Welche Eigenschaften sollten diese haben, welche Anwendungsgebiete erschließen sich aus Ihren Grundlagenforschungen?

Antwort: Ziel war, durch Verspannungen, Bindungen an der Grenzfläche, neue elektrische und magnetische Eigenschaften zu bekommen, etwa für Datenspeicherung. Die Entdeckung der quasikristallinen Oxide ist aus diesen Arbeiten heraus und damit durch Zufall entstanden und eröffnet aber jetzt ein neues Feld für Anwendungen, die Theoretiker wie Experimentalphysiker bisher nicht für möglich gehalten haben. Petra Buch/dpa

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