Rechnungshof fordert Ministerium auf, Mehrarbeit von Lehrern zu bezahlen

0

ERFURT. Unterrichtsausfall ist in Thüringen ein Dauerthema. Der Rechnungshof hat sich eingeschaltet und kritisiert auch das Ministerium – unter anderem dafür, dass vielen Schulen nur Mehrarbeit von Lehrern als Instrument zur Verfügung steht, diese aber nicht bezahlt wird.  Der Thüringer Lehrerverband sieht sich bestätigt.

Der Thüringer Rechnungshof hält die getroffenen Maßnahmen zu Begrenzung des Unterrichtsausfalls an Thüringer Schulen für völlig unzureichend. Dies geht aus einem Sonderbericht hervor, den Rechnungshofs-Präsident Sebastian Dette in Erfurt dem Landtag und der Landesregierung übergeben hat. Demnach fielen an 24 ausgewählten staatlichen allgemeinbildenden Schulen im Schuljahr 2010/2011 mehr als 17 000 Unterrichtsstunden ersatzlos aus. Außerdem wurden 82,5 Prozent von rund 26 000 Vertretungsstunden durch eine fachfremde Lehrkraft geleistet.

Möglichkeiten, um kurzfristig auf Unterrichtsausfall zu reagieren, hätten die Schulen nur wenige, hieß es in dem Bericht. Bildungsminister Christoph Matschie (SPD) verwies auf ein im Sommer vorgelegtes Konzept gegen Unterrichtsausfall. Ihm solle vor allem durch eine «Personalreserve» bei Lehrern begegnet werden. Trotz der Probleme, die vor allem aus dem hohen Durchschnittsalter der Lehrer resultierten, liege Thüringen im Ländervergleich bei der Qualität der Schulen in der Spitzengruppe. «Die beste Medizin gegen krankheitsbedingten Unterrichtsausfall sind junge Lehrer», erklärte der Minister. Die Schulen kämen mit der Neueinstellung von 800 Lehrern ein gutes Stück voran.

Laut Rechnungshof stehen den Schulen zur Begrenzung des Ausfalls bisher «lediglich die Abordnung von Lehrkräften und Mehrarbeit zur Verfügung». Auch die geplante Vertretungsreserve sei nicht geeignet, um das Problem zu lösen. Der Rechnungshof kritisierte auch die zahlreichen Möglichkeiten der Flexibilisierung bei der Unterrichtsplanung. Dadurch könne das Ministerium den tatsächlichen Unterrichtsausfall auch nicht in den einzelnen Fächern überprüfen.

Der Rechnungshof betrachtete den Unterrichtsausfall in den 18 Regelschulen und 6 Gymnasien über vier Jahre von 2008/09 bis 2011/12. Er betrug im Schnitt pro Jahr 0,81 Prozent. Besonders kritisierte er, dass aufgrund zahlreicher Ausnahmen und Besonderheiten in den Schulen der Ausfall in einzelnen Fächern nicht verlässlich ermittelt werden konnte. Die Rechnungsprüfer gehen davon aus, dass bei einem weniger «großzügigen Maßstab» weit mehr Abweichungen als Unterrichtsausfall gewertet werden müssten.

Zwar sieht der Rechnungshof in dem ermittelten Unterrichtsausfall von 0,81 Prozent keine Gefahr, dass die Unterrichtsziele nicht erreicht würden. Zumal Lehrpläne als auch Rahmenstundentafeln einen zeitlichen Spielraum von etwa 10 Wochen zur Vermittlung der Lehrplaninhalte einräumten.

Anzeige

Für den Rechnungshof ist es daher unverständlich, wie das Ministerium ohne verlässliche Zahlen des fachspezifischen Unterrichtsausfalls pro Klasse und Schule den Einsatz von Fachlehrern plane. Bedenklich sei der hohe Anteil fachfremder Vertretungen. Der ersatzlose Unterrichtsausfall betrug an den 24 Schulen 2011/12 4,4 Prozent und entsprach somit einer Unterrichtsleistung von rund 17 vollbeschäftigen Lehrern. Diesem Nettoausfall stünden nur an diesen Schulen Personalkosten von rund 1 Million Euro gegenüber, hieß es.

Krankheit von Lehrern war Ursache für fast ein Drittel (31,3 Prozent) des Unterrichtsausfalls, in 38,5 Prozent waren es schulorganisatorische Gründe. Der Rechnungshof forderte deshalb hier ein Beschränkung und eindeutige Vorgaben.

Der sogenannte 7-Punkte Plan des Ministeriums gegen Unterrichtsausfall sei noch nicht messbar oder nicht geeignet, urteilte der Rechnungshof. Die geplante Vertretungsreserve von 4 Prozent für lang erkrankte Lehrer sei erst in Planung. Unklar sei, wie sie überhaupt ausgestaltet werden soll. Mehrarbeit sei derzeit das zentrale Instrument, das den Schulleitern zur Verfügung stehe. Der Rechnungshof hat das Ministerium aufgefordert, die Mehrbelastung der Lehrkräfte zu dokumentieren, anzuerkennen und zu bezahlen. Es habe dem Rechnungshof diese Zahlen auf Nachfrage nicht mitgeteilt.

Rolf Busch, Landesvorsitzender des Thüringer Lehrerverbandes, sieht sich durch den Bericht bestätigt. Er habe schon seit Langem immer wieder auf die verheerenden Folgen des Lehrermangels an Thüringens Schulen hingewiesen. In seiner aktuellen Kampagne „Stoppt den Lehrerkollaps“ fordert der Verband die  Umsetzung eines Zehn-Punkte-Programms. Mehrere dieser Forderungen spiegelten sich nun auch als Lösungsvorschläge in dem Bericht des Rechnungshofs wider, heißt es, etwa:

  • die Offenlegung der tatsächlichen Unterrichtsausfälle als Basis für eine wirklichkeitsnahe Analyse der Aufgaben und Belastungen an den Schulen,
  • die Einstellung zusätzlicher Lehrkräfte als Voraussetzung für eine optimierte Unterrichts- und Personalplanung,
  • die Verbeamtung der Lehrer und die Ergreifung von Maßnahmen zum Schutz ihrer Gesundheit als Bewerbungsanreize für Absolventen, um den Nachwuchs zu sichern.

News4teachers / mit Material der dpa

 

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments