Späte Genugtuung für Schavan: CDU gibt die Hauptschule auf

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STUTTGART. Einst warb Ex-Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) für ein Modell der Mittelschule und wurde dafür von ihren Parteifreunden in ihrem Heimatland Baden-Württemberg gerügt. Jetzt kommen die Christdemokraten dort selbst zu der Erkenntnis, dass wegen des Schülerrückgangs das Schulsystem nach Reformen ruft.

Hat offenbar den Boden dafür bereitet, dass auch Christdemokraten einem Zwei-Säulen-Modell etwas abgewinnen können: Ex-Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Foto: Bürgerdialog Zukunftstechonlogien / Flickr (CC BY-NC-SA 2.0)
Hat offenbar den Boden dafür bereitet, dass auch Christdemokraten einem Zwei-Säulen-Modell etwas abgewinnen können: Ex-Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Foto: Bürgerdialog Zukunftstechonlogien / Flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Die CDU im Südwesten hielt jahrzehntelang am dreigliedrigen Schulsystem fest – jetzt deutet sich ein Kurswechsel zu einem Zwei-Säulen-Modell hin an. Und aus Sicht der SPD-Fraktion bedeutet das sogar die Chance eines Schulfriedens im Südwesten. Denn ein vom Landesfachausschuss Bildung der CDU erarbeitetes und mit der Landtagsfraktion abgestimmtes Papier sieht als Vision eine Kombination von Gymnasium und einer noch unbenannten Schule mit Haupt- und Realschulabschluss-Möglichkeiten vor.

Damit reagiere man auf den Schülerrückgang und «die Abstimmung mit den Füßen» weg von Haupt- und Werkrealschule, erläuterte die Ausschuss-Chefin Donate Kluxen-Pyta in Stuttgart. Grün-Rot im Land visiert bereits seit langem ein Zwei-Säulen-Modell mit Gymnasium und langfristig der Gemeinschaftsschule an.

Kluxen-Pyta sagte: «Die Gemeinschaftsschule wird von uns unisono abgelehnt.» Es sei unmöglich, sowohl schwachen Hauptschülern als auch sehr guten Gymnasialschülern in dieser Schulart gerecht zu werden. Die Realschulen hätten aber auch weiterhin ihre Existenzberechtigung.

Der Bildungsexpertin schwebt neben dem Gymnasium eine Schule vor mit einer Orientierungsstufe in den Klassen fünf und sechs und danach einer Unterscheidung in Hauptschul- und Realschulbildungsgang. In kleineren Schulen sei auch denkbar, dass in den Kernfächern differenziert werde und die Schüler gemeinsam in Sport, Musik und bildender Kunst unterrichtet werden.

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Die in der CDU sehr positiv diskutierten Überlegungen seien angelehnt an das Sächsische Modell einer Mittelschule. Dieses habe gerade im vor kurzem veröffentlichten Schulleistungsvergleich des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IGB) seine Überlegenheit gezeigt.

Der SPD-Bildungsexperte Stefan Fulst-Blei betonte: «Es freut mich, dass auch bei der CDU endlich die Erkenntnis reift, dass wir in Baden-Württemberg mittelfristig auf ein Zwei-Säulensystem zusteuern.» Der nächste konsequente Schritt wäre, auch die Gemeinschaftsschule als zweite Säule neben dem Gymnasium anzuerkennen.

CDU-Fraktionschef Peter Hauk habe bereits bestätigt, die Gemeinschaftsschule nicht abschaffen zu wollen. Überdies hätten zahlreiche CDU-geführte Kommunen die Gemeinschaftsschule bereits beantragt, sagte Fulst-Blei – und erklärte: «Wenn die CDU sich in der Schulpolitik weiter erneuert, dann stehen die Zeichen für einen Schulfrieden in Baden-Württemberg gut.»

Schavan kann die Früchte ihres schulpolitischen Erfolges nicht mehr selbst ernten – mit ihrem Rücktritt als Bundesbildungsministerin verlor sich ihr Einfluss in der Bundes-CDU.  Immerhin, zur Bundestagsabgeordneten wurde sie unlängst erneut direkt gewählt. Ob es bei der Aberkennung ihres Doktortitels bleibt, die zu ihrer Demission als Ministerin geführt hatte, ist noch unklar: Die juristische Auseinandersetzung läuft.  JULIA GIERTZ, dpa

Zum Kommentar: Willkommen in der schulpolitischen Realität, liebe CDU

 

 

 

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3 Kommentare
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Reinhard
10 Jahre zuvor

Bleibt noch ein Problem: auch wenn die Hauptschule abgeschafft ist, gibt es weiterhin die Hauptschüler …

Warner
10 Jahre zuvor
Antwortet  Reinhard

Sie haben mal wieder den Nagel auf den Kopf getroffen, Reinhard.

mehrnachdenken
10 Jahre zuvor
Antwortet  Reinhard

Das Ziel ist erreicht: Der ungeliebte Name ist verschwunden. Ich vergleiche die Schul-Strukturdebatten mit einer verlockenden Werbung, in der auch oft genug viel versprochen, aber wenig gehalten wird. Auf den schönen Schein kommt es an, nicht auf den Inhalt!