Schwarz und Rot verhaken sich beim Thema Bildung: Keine Einigung in Sicht

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BERLIN. Bei wichtigen Bildungsfragen hakt es in den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD gewaltig. Ob Ganztagsschule, Lockerung des Kooperationsverbots auch für die Schulen oder Einstieg des Bundes in die Grundfinanzierung der Hochschulen – es ist keine Einigung in Sicht. Wer gehofft hatte, eine große Koalition von Union und SPD könnte endlich auch die großen Fragen des deutschen Bildungssystems gemeinsam angehen, sieht sich bislang enttäuscht. Morgen setzt die große Verhandlungskommission ihre Beratungen fort.

Hat die Bildung bislang nicht zur Chefsache gemacht: Bundeskanzlerin Angela Merkel. Foto: Aleph / Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.5)
Hat die Bildung bislang nicht zur Chefsache gemacht: Bundeskanzlerin Angela Merkel. Foto: Aleph / Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.5)

Die bisher letzte Sitzung der Koalitions-Arbeitsgemeinschaft Bildung, Wissenschaft, Forschung am 11. November endete ergebnislos und im Dissens. CDU und CSU lehnten kategorisch die Forderung der SPD nach einem neuen Bundesprogramm zum Ausbau der Ganztagsschulen ab.

Auch in der Frage einer Lockerung des Kooperationsverbots von Bund und Ländern im Grundgesetz trennen Union und SPD noch Welten. Die Union will bisher nur eine Mini-Verfassungsänderung zugunsten der Hochschulen „in Fällen überregionaler Bedeutung“. Die SPD fordert dagegen eine Bund- Länder-Zusammenarbeit auch im Schulbereich – um das von ihr gewünschte Ganztagsschulprogramm verfassungsfest zu machen. Auch in der großen Koalitionsrunde am 13. November, wo über beide Themen gut eineinhalb Stunden lang kontrovers gestritten wurde, fanden Union und SPD nicht zueinander.

„Es gibt kein Ganztagsschulprogramm. Das kann es gar nicht geben“, sagte die amtierende Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) nach dem AG-Treffen am 11. November. Wanka führt die Bildungsverhandlungen für die Union. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Wanka und andere führende CDU-Politiker hatten im Wahlkampf Bundeshilfen für Ganztagsbetreuung und Ganztagsschulen in Aussicht gestellt. Jetzt wird dies in der Union allerdings so gedeutet, dass man damit nur die Nachmittagsbetreuung von Kindern über das Kita-Alter hinaus gemeint habe.

Es ist möglich, dass darüber noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Die SPD will weiter darauf pochen. Denkbar ist, dass die Union am Ende Fördermöglichkeiten unterhalb der Schwelle einer Grundgesetzänderung anbieten wird, zum Beispiel ein Konjunkturprogramm zum Schulausbau, Fortführung der Ende des Jahres auslaufenden Bundesförderung der Schulsozialarbeit für Kinder aus Hartz-IV-Familien und/oder die Finanzierung von Integrationshelfern in den Schulen. Aus dem Kreis von Unions-Familienpolitikern wird kolportiert, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf einer „geheimen“ Ausgabenliste dafür bereits jährlich 150 Millionen Euro eingeplant habe.

Wanka warf am 11. November der SPD vor laufenden Mikrofonen vor, die Hochschulen „in Geiselhaft“ zu nehmen, um ihr Ziel einer weitergehenden Verfassungsänderung zugunsten der Schulen durchzusetzen. SPD-Verhandlungsführerin Doris Ahnen wies diesen Vorwurf als „völlig unangemessen“ zurück. Bei der Union sei keinerlei Bewegung erkennbar, in der Schulpolitik ein besseres Zusammenwirken von Bund und Ländern zu ermöglichen – auch nicht mit Blick auf eine mögliche neue Föderalismuskommission, sagte die rheinland-pfälzische Bildungsministerin. Ganztagsschule, Inklusion sowie die Integrationen von Migrantenkindern und Schülern aus bildungsfernen Elternhäusern seien so wichtige gesellschaftliche Zukunftsaufgaben, dass sie nicht allein von den Ländern geschultert werden könnten. Notwendig sei ein „großer gemeinsamer Wurf“ – eine sinnvolle Lösung für Hochschulen wie Schulen.

Aus der großen Verhandlungsrunde vom 13. November wurde kolportiert, CDU-Vize Julia Klöckner habe der SPD vorgehalten, die Wahl im September sei eine „Bundestagswahl – keine Länder-Entschuldungswahl“ gewesen. Auch zwischen Union und FDP war das Klima bisweilen rau. So hatten sich die Koalitionspartner anfangs gegenseitig gar als „Gurkentruppe“ und „Wildsau“ beschimpft.

Wanka hatte darauf verwiesen, dass die verschiedenen befristeten Pakte von Bund und Ländern für Forschung und Hochschulen bald ausliefen und die Hochschulen dauerhaft Hilfe benötigt. Gleichwohl lässt der aktuelle Vorschlag der Union für eine Grundgesetzänderung noch nicht erwarten, dass die Hochschulen dauerhaft Unterstützung bei der Grundfinanzierung erwarten können.

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Wörtlich heißt es in diesem Vorschlag: „Bund und Länder können auf Grund von Vereinbarungen in Fällen überregionaler Bedeutung bei der Förderung von Forschung und Lehre zusammenwirken. Mit Ausnahme der Förderung von Forschungsbauten, einschließlich Großgeräten, bedürfen die Vereinbarungen der Zustimmung aller Länder.“

Das ist zwar jetzt weitergehender als der ursprüngliche, im Bundesrat gescheiterte Gesetzentwurf von Union und FDP zur Lockerung des Kooperationsverbotes im Hochschulbereich. Neben Forschung wird nunmehr auch die Lehre einbezogen. Gleichwohl wird mit der Formulierung die Förderung durch den Bund auf „Fälle überregionaler Bedeutung“ beschränkt. Aber auch hier gebt es noch etwas Verhandlungsspielraum, wird signalisiert. Kleinteilig bleibt es aber allemal.

Ahnen favorisiert bei der Hochschul-Grundfinanzierung ein Tauschmodell. Danach soll der Bund einen höheren – oder gar den ganzen – Länderfinanzanteil beim BAföG übernehmen. Im Gegenzug müssten sich dann die Länder verpflichten, das eingesparte Geld in die Hochschullehre zu investieren. 35 Prozent der BAföG-Gesamtausgaben von knapp 2,5 Milliarden Euro werden derzeit von den Ländern aufgebracht. Aber auch hier gibt es Bedenken: Hat der Bund bei der Studienförderung auf Dauer allein das Sagen, könnte er je nach politischem Verständnis das BAföG austrocknen und private Finanzierungsmodelle favorisieren. Ein Korrektivchance der Länder wäre nicht mehr gegeben. Und offen ist auch, wie ein Umleiten der bisherigen BAföG-Mittel der Länder zugunsten der Grundfinanzierung haushaltstechnisch verbindlich organisiert werden kann.

In den bisherigen sechs AG-Treffen konnten sich Union und SPD bislang lediglich über weitere Forschungsinvestitionen verständigen, über die Notwendigkeit der Nachqualifizierung der fast 1,5 Millionen ungelernten jungen Erwachsenen sowie über eine Art Ausbildungsgarantie für Schulabgänger. Gegen das ausufernde Zeitvertragsunwesen an Hochschulen und Forschungsinstituten will man zugunsten der Nachwuchswissenschaftler gemeinsam vorgehen. Alle Einzelheiten sind dazu aber noch offen.

Das BAföG soll „spürbar“ erhöht werden – eine Gesetzesinitiative, die allerdings unter Finanzierungsvorbehalt steht. Die Anpassung der Förderung steht allerdings jetzt schon im zweiten Jahr aus. Bei den BAföG-Empfänger soll angesichts der arg gestiegenen Mieten in den Hochschulstädten auch der Wohnzuschlag erhöht werden. Ein von Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) in der vergangenen Wahlperiode medienwirksam inszenierter runder Tisch zur studententischen Wohnungsnot war ohne Folgen geblieben. Den Studentenwerken wurde bislang kein preiswertes Grundstück zum Bau neuen Studentenwohnungen angeboten, wie eine Nachfrage ergab.

Morgen setzt die große Verhandlungskommission von Union und SPD ihre Beratungen fort. Es wird erwartet, dass dabei auch der weitere Fahrplan für die Bildungsgespräche festgelegt wird. Ursprünglich war geplant, die gesamten Koalitionsverhandlungen bis zum 27. September zu Abschluss zu bringen. KARL-HEINZ, dpa

Zum Bericht: Junge Union will ein stärkeres Profil in der Bildungspolitik

 

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